Update zur Verfassungswidrigkeit des Zinssatzes von 0,5 % pro Monat

Update zur Verfassungswidrigkeit des Zinssatzes von 0,5 % pro Monat für Steuernachforderungen/-erstattungen und verfassungsrechtliche Zweifel an der Höhe der Säumniszuschläge ab 2019

Zur Verfassungswidrigkeit des Zinssatzes von 0,5 % pro Monat für
Steuernachforderungen/-erstattungen gibt es neben einer Allgemeinverfügung der obersten Finanzbehörden der Länder vom 29. November 2021 zur Zurückweisung von Einsprüchen und Änderungsanträgen zu Zinsfestsetzungen gemäß § 233a AO wegen Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit der Zinshöhe für Verzinsungszeiträume vor dem 1. Januar 2019 auch ein ergänzendes Schreiben des Bundesfinanzministeriums (BMF) vom 3. Dezember 2021 (hierzu unsere Mandanteninformation und unsere Beitrag im dritten Steuernewsletter 2021).

Das BMF veröffentlichte zudem nun einen Gesetzesentwurf zur Neuregelung des Zinssatzes nach § 233a AO. Darüber hinaus bestehen in der Rechtsprechung mittlerweile auch verfassungsrechtliche Zweifel an der Höhe der Säumniszuschläge gemäß § 240 AO ab 2019.

Hintergrund

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat in seinem Beschluss vom 8. Juli 2021 entschieden, dass ein Zinssatz von 0,5 % pro Monat für Steuernachforderungen/-erstattungen für Verzinsungszeiträume ab dem 1. Januar 2014 nicht mit dem Grundrecht auf Gleichbehandlung gemäß Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist. Für Verzinsungszeiträume bis einschließlich 31. Dezember 2018 ist das bisherige Recht aber weiter anwendbar (Fortgeltungsanordnung).

Zurückweisung von Einsprüchen und Änderungsanträgen betreffend die Höhe des Zinssatzes durch Allgemeinverfügung

Die obersten Finanzbehörden der Länder haben am 29. November 2021 eine sogenannte Allgemeinverfügung mit dem Inhalt erlassen, dass an diesem Tag anhängige und zulässige Einsprüche gegen die Festsetzungen von Zinsen gemäß § 233a AO für Verzinsungszeiträume vor dem 1. Januar 2019 zurückgewiesen werden, soweit mit den Einsprüchen geltend gemacht wird, dass die Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen in Höhe von 0,5 % pro Monat gegen das Grundgesetz verstoße. Entsprechendes gilt für am
29. November 2021 anhängige, außerhalb eines Einspruchs- oder Klageverfahrens gestellte und zulässige Anträge auf Änderung einer Zinsfestsetzung.

Gegen diese Allgemeinverfügung können die betroffenen Steuerpflichtigen Klage vor dem Finanzgericht erheben. Die einjährige Klagefrist endet mit Ablauf des 8. Dezember 2022.

Weitergehende Ausführungen zur Allgemeinverfügung und zu den Erfolgsaussichten einer Klage finden Sie auf unserer Homepage in unserem Update-Beitrag vom 27. Januar 2022

Ergänzendes BMF-Schreiben vom 3. Dezember 2021 für Verzinsungszeiträume ab 1. Januar 2019

Mit Schreiben vom 3. Dezember 2021 ergänzt das BMF sein Schreiben vom 17. September 2021. Zum einen ist geregelt, dass Einspruchsverfahren gegen die vorläufige Festsetzung von Nachzahlungs- und Erstattungszinsen für Verzinsungszeiträume ab 1. Januar 2019 und die Vollziehung dieser Zinsfestsetzungen ebenfalls auszusetzen sind.

Zum anderen gibt es nun Regelungen zur vorläufigen Festsetzung von Hinterziehungszinsen gemäß § 235 AO für Verzinsungszeiträume ab 1. Januar 2019, soweit für den denselben Zeitraum nach § 233a AO festgesetzte Nachzahlungszinsen auf die Hinterziehungszinsen anzurechnen sind (§ 235 Abs. 4 AO).

Gesetzesentwurf des BMF zur Neuregelung des Zinssatzes für Zinsen gemäß § 233a AO

Laut dem Gesetzesentwurf des BMF zum Zweiten Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung (kurz: 2. AOÄndG) soll der Zinssatz für Zinsen nach § 233a AO für Verzinsungszeiträume ab dem 1. Januar 2019 rückwirkend auf 0,15 % pro Monat (d.h. 1,8 % pro Jahr) gesenkt und damit an die verfassungsrechtlichen Vorgaben angepasst werden. Außerdem soll die Angemessenheit dieses Zinssatzes unter Berücksichtigung der Entwicklung des Basiszinssatzes nach § 247 BGB alle drei Jahre mit Wirkung für nachfolgende Verzinsungszeiträume, erstmals zum 1. Januar 2026, evaluiert werden. Der neue Zinssatz soll vorbehaltlich des § 176 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO für alle am Tag der Verkündung des 2. AOÄndG anhängigen Verfahren anzuwenden sein.

Die Frage, ob und inwieweit für andere Zinsen der Abgabenordnung, z. B. Stundungs-, Hinterziehungs- und Aussetzungszinsen (§§ 234, 235, 237 AO), oder für Säumniszuschläge nach § 240 AO angesichts der Entscheidung des BVerfG eine Anpassung des Zinssatzes erfolgen soll, bedürfe noch eingehender Prüfung und soll im 2. AOÄndG noch nicht beantwortet werden.

Verfassungsrechtliche Zweifel an der Höhe der Säumniszuschläge ab 2019

In der Rechtsprechung wird nun auch die Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Säumniszuschläge gemäß § 240 AO ab dem Veranlagungszeitraum 2019 angezweifelt. Während dies vom Finanzgericht Münster beschlossen wurde, verneint das Finanzgericht Düsseldorf verfassungsrechtliche Bedenken.

In beiden Fällen muss jetzt der Bundesfinanzhof dazu Stellung nehmen. Wer von einer Verfassungswidrigkeit der Höhe der Säumniszuschläge profitieren möchte, sollte sich die Bescheide ab 2019 durch Rechtsbehelfe offenhalten.

Haben Sie Fragen oder weiteren Informationsbedarf?

Sprechen Sie uns an

Autoren

Bernd Schult
+49 30 208 88 1340

Thuy Linh Nguyen
+49 30 208 88 1021

Dies ist ein Beitrag aus unserem Steuer-Newsletter 1/2022. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen oder weitere Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.