Das Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz (FISG)

Wie sind Vorstände und Aufsichtsräte bzw. Prüfungsausschüsse vom FISG betroffen?

Im Mai 2021 hat der Bundestag das Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz beschlossen. Wir geben einen kurzen Überblick darüber, inwieweit Vorstände und Aufsichtsräte bzw. Prüfungsausschüsse im Kern von den beschlossenen Maßnahmen betroffen sind. Die neuen Vorschriften betreffen zunächst grundsätzlich nur Unternehmen von öffentlichem Interesse. Wir haben uns im Folgenden auf die Kerngedanken des FISG konzentriert – die Sondervorschriften für Versicherungen und Kreditinstitute sind einem anderen Beitrag vorbehalten.

„Unternehmen von öffentlichem Interesse“ sind zukünftig in § 316a Satz 2 HGB definiert. Erfasst sind hiervon u. a. kapitalmarktorientierte Gesellschaften im Sinne des § 264d HGB.

1. Pflicht zur Einrichtung eines angemessenen und wirksamen internen Kontroll- und Risikomanagementsystems

Ob und inwiefern die Gesetzesnorm für börsennotierte Gesellschaften im FISG gegenüber der aktuellen Rechtslage eine Verschärfung bedeutet, wird unterschiedlich bewertet, da sich bereits aus § 91 Abs. 2 AktG die Verpflichtung zur Einrichtung eines Risikofrüherkennungssystem ergibt. Schließlich wurde aus den allgemeinen Vorstandspflichten die Einrichtung eines angemessenen Internen Kontroll- und Managementsystems abgeleitet. Der Gesetzgeber hat aber die Einführung der obigen Systeme zur Pflicht erhoben.  Mit seinem Hinweis auf die Angemessenheit hat er darauf hingewiesen, dass Art und Umfang der zu installierenden Systeme von der jeweiligen Unternehmensgröße und ‑komplexität abhängen. D. h. hier steht die Geschäftsführung in einer ggf. haftungsbewährten gesetzlichen Pflicht. Um die erforderliche Rechtssicherheit zu gewinnen und sich gegen potenzielle Haftungsansprüche zu schützen sind Vorstände von Aktiengesellschaften gut beraten, die von ihnen eingerichteten Kontroll- und Überwachungssysteme in ihrer Existenz nachzuweisen und extern zertifizieren zu lassen.

2. Pflicht zur Einrichtung eines Prüfungsausschusses

Mit der Neufassung von § 107 Absatz 4 AktG zur Einrichtung eines Prüfungsausschusses erhebt der Gesetzgeber die Einrichtung eines Prüfungsausschusses für Unternehmen von öffentlichem Interesse zur gesetzlichen Pflicht. Besteht der Aufsichtsrat nur aus drei Mitgliedern, ist dieser auch gleichzeitig der Prüfungsausschuss. Damit wird die bislang schon als Empfehlung und als gute Übung geltende Empfehlung der Ziffer D.3 des Deutschen Corporate Governance Kodex in Gesetzesform umgesetzt.

3. Pflicht zur Sicherstellung von Sachexpertise („Financial Experts“) im Prüfungsausschuss

In Unternehmen von öffentlichem Interesse muss künftig „mindestens ein Mitglied des Aufsichtsrats über Sachverstand auf dem Gebiet Rechnungs­legung und mindestens ein weiteres Mitglied über Sachverstand auf dem Gebiet Abschlussprüfung verfügen“ (§§ 100 Abs. 5 Halbsatz 1 AktG n.F.). Auch dies war bereits gute Übung, die im Deutschen Corporate Governance Kodex in seiner Ziffer D.4 enthalten ist. Durch das Bindewort „und“ wurde zudem klargestellt, dass die Sachexpertise beides, also sowohl auf dem Gebiet der Rechnungslegung als auch auf dem der Prüfung sichergestellt sein muss. Diese Expertise muss auch im Prüfungsausschuss vorhanden sein. Anzumerken bleibt, dass eine Personeneinheit von Prüfungs- wie Finanzexpertise in einer Person nicht zulässig ist. Diese Vorschrift des neuen § 100 Abs. 5 Halbsatz 1 AktG verbindet sich mit der weiteren neu hinzugetretenen Vorschrift des § 107 Abs. 3 Satz 2 AktG, dass der Prüfungsausschuss die Abschlussprüfung zu überwachen hat. Ohne entsprechende Sachexpertise wird diese Anforderung kaum erfüllbar sein. Bzgl. der personellen Besetzung und Bestellungen mit Financial Experts bestehen für die verpflichteten Unternehmen noch gewisse Übergangsvorschriften  in § 12 Abs. 6 EG-AktG (er ist vom Grundsatz her bei der nächsten turnusmäßigen Nachbestellung bzw. beim nächsten turnusmäßigen Wechsel eines Aufsichtsratsmitglieds anzuwenden).

4. Aufsichtsrat/Prüfungsausschuss: Pflicht zur Überwachung der Qualität der Abschlussprüfung

Der neue § 107 Abs. 3 Satz 2 AktG umfasst die neue und umfassende Verantwortung des Prüfungsausschusses: er ist nicht nur für die sachgerechte Auswahl des Abschlussprüfers zuständig, sondern auch für die Überwachung der Qualität der Abschlussprüfung. Durch diese gesetzliche Änderung hat sich sein Verantwortungsbereich erweitert. Die Überwachung durch den Prüfungsausschuss wird sich künftig sicherlich nicht nur auf Status- oder Abschluss- Meetings beschränken. Er wird sich zukünftig auch über den Stand der Prüfungsqualität in der Berufspraxis seines Abschlussprüfers informieren.

5. Direktes Informationsrecht gegenüber bestimmten Personen mit Leitungsfunktionen

Neu geregelt wurde in § 107 Abs. 4 Satz 4 AktG das Auskunftsrecht eines jeden Mitglieds des Prüfungsausschusses gegenüber Führungs- und Leitungspersonal der Gesellschaft. Durch Bezugnahme auf § 107 Abs. 3 S. 2 AktG wird klargestellt, dass das Auskunftsrecht nur im Rahmen einer klar umrissenen Aufgabe des Prüfungsausschusses ausgeübt werden darf. Das Informationsrecht bezieht sich dabei auf die unmittelbar unter dem Vorstand angesiedelte Leitungsebene der zentralen Einheiten. Dieses Recht kann das jeweilige Mitglied zwar nicht direkt allein geltend machen – es muss den Weg über den Ausschussvorsitzenden wählen. Für mehr Transparenz in der Überwachungstätigkeit sorgt § 107 Abs. 4 S. 5 AktG, demzufolge der Ausschussvorsitzende die eingeholte Information allen Mitgliedern des Prüfungsausschusses mitzuteilen hat. § 107 Abs. 4 S. 6 AktG sieht zudem vor, dass der Vorstand „unverzüglich zu unterrichten“ ist, wenn der Ausschussvorsitzende Auskünfte einholt. So wird verhindert, dass Untersuchungen „hinter dem Rücken des Vorstands“ eingeleitet werden, was für die sachdien­liche Zusammenarbeit zwischen Vorstand und Aufsichtsrat/Prüfungsausschuss förderlich ist.

6. Neue Strafvorschriften bei Abgabe eines falschen Bilanz- oder Lageberichts-Eides

Um die Bedeutung eines Bilanz- bzw. Lageberichtseids für den Kapitalmarkt hervorzuheben und die gesetzlichen Vertreter an ihre Verantwortung hierfür zu erinnern, wurden die Strafvorschriften in § 331a HGB um die Gefängnisstrafe verschärft. Dieser Strafrahmen soll zukünftig abschreckend auf die gesetzlichen Vertreter einer abgabepflichtigen Kapitalgesellschaft wirken und den Anspruch des Kapitalmarktes auf verlässliche Finanzinformationen manifestieren. So wurde die leichtfertig falsche Abgabe eines Bilanz- bzw. Lageberichtseides unter Haftstrafe von bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe bzw. bei vorsätzlichem Handeln auf bis zu fünf Jahren gestellt.

7. Enforcement-Verfahren wird auf einstufiges Verfahren umgestellt

Bei Unternehmen, die als Emittenten von zugelassenen Wertpapieren die Bundesrepublik Deutschland als Herkunftsstaat aufweisen, wird das bisherige zweistufige Verfahren bestehend aus dem Enforcement der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) nunmehr alleine auf die BaFin übergeleitet. Die BaFin als staatliche Stelle erhält zukünftig umfangreiche hoheitliche Befugnisse, verbunden mit der Ausweitung ihrer Vorlagerechte sowie der Schaffung von Durchsuchungs- und Beschlagnahme­rechten. Ferner erhält sie umfangreiche und weitergehende Informationsmög­lichkeiten. Durch die Abschaffung der DPR-Stufe im Aufsichtsverfahren sollen Schnittstellenprobleme abgestellt und die Verfahren insgesamt gestrafft werden. Aktuell laufende Verfahren der DPR werden bis zum Jahresende 2021 der BaFin überstellt.

8. Verkürzung der Rotationsfristen des Abschlussprüfers

Der Gesetzgeber hat sich für schnellere und einheitliche externe Rotationsfristen von 10 Jahren bei kapitalmarktorientierten Unternehmen entschieden. So müssen Unternehmen, die bis einschließlich Geschäftsjahr 2021 (bei kalendergleichen Geschäftsjahren) seit zehn oder mehr Jahren ununterbrochen von ihrem Abschlussprüfer geprüft wurden, für das Geschäftsjahr 2022 grundsätzlich einen neuen Abschlussprüfer wählen. Das Gesetz sieht hierfür eine Härtefallregelung insofern vor, als dass das Prüfungsmandat übergangsweise noch für bis zu zwei weitere Geschäftsjahre an den bisherigen Abschlussprüfer erteilt werden kann. Voraussetzung ist, dass eine mit der EU-Abschlussprüfer-VO konforme Ausschreibung bis zum 30. Juni 2021 erfolgt ist. Dann muss erst für Geschäftsjahre ab dem Jahr 2024 (bei kalendergleichen Geschäftsjahren) die Wahl eines neuen Abschlussprüfers erfolgen.

Die interne Rotation der verantwortlichen Prüfungspartner ist auf fünf Jahre verkürzt worden. Die zu prüfenden Unternehmen müssen sich insofern auf einen schnelleren Austausch der verantwortlichen Prüfungspartner einstellen.

9. Neue Meldepflichten des Abschlussprüfers gegenüber zuständigen Behörden

Erstmalig wird die verantwortliche Stelle im Sinne von Art. 7 Unterabs. 2 der Abschlussprüfer-VO benannt, die der Abschlussprüfer bei Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit dem Abschluss eines zu prüfenden PIEs zu informieren hat.

Solche Informationen über Unregelmäßigkeiten sind der BaFin als Marktaufsichtsbehörde und der zuständigen Staatsanwaltschaft bei Verdacht einer Straftat oder der zuständigen Verwaltungs­behörde bei einer Ordnungswidrigkeit (§ 323 Abs. 5 HGB n.F.) zu melden.

Die neuen Vorschriften zur internen und externen Rotation, zusammen mit den erweiterten Informationspflichten des Abschlussprüfers gegenüber (Strafermittlungs-)Behörden, sollen dazu führen, dass keine unerwünscht enge Beziehung zwischen Abschlussprüfer und geprüftem Unternehmen entsteht.