Kostenweiterbelastung – BMF-Schreiben vom 20. Juni 2023

Belastet ein Unternehmer Kosten weiter, stellt sich stets die Frage, ob es sich hierbei um Entgelt für eine umsatzsteuerbare Leistung handelt. Der BFH hatte sich hierzu im letzten Jahr im Zusammenhang mit Marktgebühren bei landwirtschaftlichen Erzeugergemeinschaften und mit Vorkosten bei Schlachtbetrieben positioniert. Das BMF macht sich diese Positionen nun durch Übernahme in den Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE) zu eigen.

Die BFH-Fälle

Eine landwirtschaftliche Erzeugergemeinschaft kaufte Produkte von Landwirten an, um sie im eigenen Namen weiterzuverkaufen. Mit den Landwirten rechnete sie im Gutschriftsverfahren ab. Bei der Ermittlung des Entgelts zog sie von dem von ihr bei den Abnehmern erzielten Preisen neben den festgelegten Abschlägen sogenannte Marktgebühren ab. Hiermit sollten u. a. Verpackungskosten, Werbebeiträge und Kühlkosten abgegolten werden. Der BFH entschied (Beschluss vom 13. September 2022, XI R 8/20), dass die Erzeugergemeinschaft insoweit keine steuerbaren Vermarktungsleistungen an die Erzeuger erbringe, weil diesen kein wirtschaftlicher Vorteil zugewendet werde. Dies folge bereits daraus, dass die Erzeugergemeinschaft die Produkte im eigenen Namen vermarkte. Die Vermarktungstätigkeiten lagen damit in ihrem eigenen Interesse, und der wirtschaftliche Gehalt der Tätigkeit der Erzeugergemeinschaft gehe über den bloßen Weitererkauf der Produkte nicht hinaus. Die Marktgebühren seien damit als Minderung der Bemessungsgrundlage der Lieferungen der Erzeuger an die Erzeugergemeinschaft zu behandeln.

Im zweiten Fall ging es um einen Schlachthof, der von Landwirten Schlachttiere kaufte und vom im Gutschriftsverfahren abgerechneten Kaufpreis sogenannte Vorkosten abzog (Beschluss vom 11. Oktober 2022, XI R 12/20, wir berichteten hier). Hierbei handelte es sich um Kosten für das Qualitätsmanagement, für die Prüfung der Betriebe der Kunden des Schlachthofs, für die Einhaltung der erhöhten Hygienevorschriften und für die Gewährleistung der Rückverfolgbarkeit der Tiere. Auch hier stellte der BFH darauf ab, dass diese Tätigkeiten im Interesse des Schlachthofs lagen und den Landwirten kein wirtschaftlicher Vorteil zugewendet wurde. Wer zum Zeitpunkt dieser Tätigkeiten zivilrechtlicher Eigentümer der Tiere war oder ob die Tätigkeiten vor oder nach dem umsatzsteuerlichen Lieferzeitpunkt erfolgten, spiele dabei keine Rolle. Auch hier liege demnach keine Leistung des Schlachthofs an die Landwirte vor, sondern eine Minderung der Bemessungsgrundlage der Tierlieferungen der Landwirte an den Schlachthof.

BMF-Schreiben

Mit Schreiben vom 20. Juni 2023 übernimmt das BMF diese Entscheidungen recht minutiös in Abschn. 1.1 Abs. 26 UStAE, ohne die Grundsätze zu verallgemeinern. Dennoch können diese Beispiele sicherlich auf andere Sachverhalte übertragen werden: Um die Frage des Leistungsentgelts zu beantworten, ist also stets danach zu fragen, in wessen Interesse die abgerechneten Tätigkeiten liegen.

Eine gewisse Parallele besteht zu den sogenannten Werbekostenzuschüssen, die ein Lieferant seinem Abnehmer gewährt. Dies ist oft bei großen Supermarktketten anzutreffen, wo der Lebensmittelhersteller dem Supermarkt einen solchen „Zuschuss“ gewährt, sodass sich die Frage stellt, ob der Supermarkt eine Werbeleistung an den Lebensmittelhersteller erbringt oder ob der „Zuschuss“ die Bemessungsgrundlage der Lebensmittellieferung mindert. Wenn auch die Zahlung hier im Vergleich zu den Marktgebühren der Erzeugergemeinschaft in umgekehrter Richtung erfolgt, kann man sich auch hier fragen, in wessen Interesse es eigentlich liegt, dass der Supermarkt die Produkte bewirbt. Nach den Grundsätzen des die Marktgebühren betreffenden Urteils müsste man wohl sagen: Dass der Supermarkt hohe Verkaufszahlen erzielt, liegt zumindest vorrangig in seinem eigenen Interesse. Da das BMF hier in Abschn. 10.3 Abs. 2 S. 4 UStAE noch auf ein Urteil aus dem Jahr 1965 Bezug nimmt, knüpft es bei diesem Sachverhalt an das Kriterium des Interesses noch nicht an, sondern stellt ausschließlich darauf ab, ob sich der Abnehmer vertraglich zur Werbung verpflichtet hat. Mit Blick auf die neueren BFH-Urteile stellt sich die Frage, ob die vertragliche Vereinbarung noch das entscheidende Kriterium sein kann.

Stand: 20.07.2023

Autorin

Nadia Schulte
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