Kein Leistungsaustausch bei Kosten, die im eigenen Interesse liegen – BFH-Beschluss XI R 12/20

Besonders Unternehmen mit großer Marktmacht belasten beim Wareneinkauf gelegentlich bestimmte eigene Kosten an ihre Lieferanten weiter. Dabei stellt sich die Frage, ob sie hierdurch eine Leistung an ihre Lieferanten erbringen, die entsprechend in Rechnung zu stellen ist. Der BFH zeigt in seinem aktuellen Beschluss, worauf es dabei ankommt: Eine Leistung kommt nur in Betracht, wenn die Kosten im Interesse des Lieferanten liegen. Dies ist eine Frage des Einzelfalls.

Sachverhalt

Ein Schlachthof kaufte zur Schlachtung bestimmte Tiere von Landwirten oder Einkaufsgenossenschaften. Von dem sich aus Güteklasse und Gewicht ergebenden vereinbarten Kaufpreis zog er die tatsächlich entstandenen Transportkosten sowie weitere „Vorkosten“ ab. Bei Letzteren handelte es sich um Kosten für das Qualitätsmanagement, für die Prüfung der Betriebe der Kunden des Schlachthofs, für die Einhaltung der erhöhten Hygienevorschriften und für die Gewährleistung der Rückverfolgbarkeit der Tiere.

Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) des Schlachthofs regelten, dass der Preis die Lieferung frei Haus einschließt und dass Eigentums- und Gefahrübergang in dem Zeitpunkt erfolgen, in dem die gesetzliche Schlachttieruntersuchung in der Schlachtstelle abgeschlossen und die Tiere freigegeben worden sind.

Die Transportkosten sah der Schlachthof als Entgelt für eine von ihm an die Lieferanten erbrachte Transportleistung an – hierüber herrschte offenbar kein Streit. Die „Vorkosten“ behandelte der Schlachthof jedoch als Entgeltminderungen hinsichtlich der Tierlieferungen und zog sie vom Preis für die Tierlieferungen ab, über die er im Gutschriftsverfahren abrechnete.

Das Finanzamt hingegen ordnete die „Vorkosten“ als Entgelt für Leistungen ein, die der Schlachthof an die Lieferanten erbrachte.

FG: Keine Leistung, denn Kosten sind nach der Lieferung angefallen

Das vom Schlachthof angerufene Finanzgericht argumentierte, die „Vorkosten“ haben interne Abläufe aus der Sphäre des Schlachthofs betroffen und der Schlachthof habe durchweg seine eigenen vertraglichen und sich vor allem aus dem Verbraucherschutz und des Tierwohls ergebenden gesetzlichen Verpflichtungen erfüllt. Er habe den Lieferanten somit keinen verbrauchbaren wirtschaftlichen Vorteil zugewendet und die „Vorkosten“ seien folglich Kostenfaktor der Tätigkeit des Schlachthofs, den dieser preismindernd beim Einkauf berücksichtigt.

Es könne zudem umsatzsteuerlich keine Rolle spielen, ob der Schlachthof den Preis für das Vieh unter Berücksichtigung ihrer „Vorkosten“ von vornherein niedriger festsetzt oder ob er die „Vorkosten“ erst später als preismindernden Verrechnungsposten in den Gutschriften ausweist.

Gegen eine Leistung des Schlachthofs an die Lieferanten spreche zudem, dass keine entsprechende gesonderte Vereinbarung über eine spezifizierte Leistung vorliege.

Das Finanzgericht befasste sich außerdem damit, welche Rolle der Zeitpunkt des Eigentums- und Gefahrübergangs für diese Frage spielen kann. Soweit es aus dem Urteil des Finanzgerichts ersichtlich wird, hatte das Finanzamt offenbar argumentiert, dass die Gefahr nach den AGB erst nach Anfall der Vorkosten auf den Schlachthof übergegangen sei, was dafür spreche, dass die Vorkosten die Sphäre der Lieferanten beträfen und somit eine Leistung des Schlachthofs vorliege.

Das Finanzgericht hingegen argumentierte, der Zeitpunkt des Eigentums- und Gefahrübergangs sei hier nicht maßgeblich für den Lieferzeitunkt gewesen; die Lieferung sei vielmehr bereits mit Abladen der Tiere erfolgt, denn zu diesem Zeitpunkt hätten die Lieferanten keine Einwirkungsmöglichkeit mehr auf die Tiere gehabt.

BFH: Keine Leistung, Lieferzeitpunkt spielt aber keine Rolle

Der BFH bestätigt die Entscheidung des Finanzgerichts im Ergebnis. Wie vertragliche Vereinbarungen auszulegen sind, gehört zu den Tatsachenfeststellungen des Finanzgerichts, die der BFH im Rahmen der Revision gem. § 118 Abs. 2 FGO nur eingeschränkt überprüfen darf. Da die Vertragsauslegung des Finanzgerichts möglich ist und weder gegen Denkgesetze- noch gegen Erfahrungssätze verstößt, ist der BFH daran gebunden. Er stellt aber klar, dass es auf den Zeitpunkt der Lieferung der Tiere an den Schlachthof nicht ankommt. Entscheidend sei allein, dass der Schlachthof die Leistungen, die zum Entstehen der „Vorkosten“ geführt haben, im eigenen Interesse bezogen habe.

Einordnung

Interessant an diesem Fall ist, welche Rolle der Eigentums- und Gefahrübergang und der Lieferzeitpunkt spielen – nach Auffassung des BFH nämlich gar keine.

Nach Unionsrecht liegt eine Lieferung dann vor, wenn der Empfänger faktisch über den Liefergegenstand so verfügen kann, als wäre er sein Eigentümer. Der BFH sieht in seiner ständigen Rechtsprechung den Zeitpunkt des Übergangs von Substanz, Wert und Ertrag als maßgeblich an, ohne dabei inhaltlich von der Rechtsprechung des EuGH abzuweichen. Dass sich das Finanzgericht für die Bestimmung des Lieferzeitpunkts vom Zeitpunkt des in den AGB vereinbarten Eigentumsübergangs gelöst hat, ist demnach grundsätzlich nachvollziehbar.

Zu bedenken ist hier aus unserer Sicht allerdings, dass es sich im vorliegenden Fall um bewegte Lieferungen handelt, für die § 3 Abs. 6 UStG festlegt, dass sich der Leistungsort am Beginn der Beförderung befindet. Nach der Rechtsprechung des BFH, der das Bundesministerium der Finanzen in Abschn. 3.12 Abs. 7 UStAE folgt, regelt § 3 Abs. 6 UStG gleichzeitig den Zeitpunkt der Lieferung. Demnach wäre die Lieferung bereits mit Beginn der Beförderung erfolgt und nicht erst mit dem Abladen der Tiere im Schlachthof, wie das Finanzgericht argumentiert hat.

Der BFH hingegen misst dem Lieferzeitpunkt überhaupt keine Bedeutung bei und stellt ausschließlich darauf ab, in wessen Interesse die Handlungen des Schlachthofs, die die „Vorkosten“ verursacht haben, standen. Wann vorliegend die Verfügungsmacht übergegangen ist, konnte er daher offenlassen.

Wenn der Abnehmer einer Lieferung Kosten verrechnet, kommt es somit weder darauf an, wer zum Zeitpunkt ihrer Entstehung Eigentümer der betreffenden Ware war, noch darauf, wer umsatzsteuerlich Verfügungsmacht hatte; wesentlich ist nur, ob die Leistungen, die zu den Kosten geführt haben, dem Lieferanten einen verbrauchbaren wirtschaftlichen Vorteil gebracht haben. Dies kann nicht verallgemeinert werden und hängt vom jeweiligen Einzelfall ab.

Stand: 13. März 2023