Coronavirus (COVID-19) Q & A – Kurzarbeit

16.03.2020 – Reaktionsmöglichkeiten auf Auftragsrückgänge wegen der Krise um das Coronavirus: Kurzarbeit als sinnvolles Instrument gegen drohenden Arbeitsplatzabbau

Die Ausbreitung des Coronavirus ist noch immer nicht gestoppt. Auch Deutschland ist inzwischen betroffen. Die wirtschaftlichen Folgen aus dieser Krise spüren die Unternehmen bereits jetzt. In einigen Betrieben ist daher eine vollzeitige Beschäftigung nicht mehr möglich. Diese Krise hat der Unternehmer im Rahmen seines unternehmerischen Risikos zu tragen, was zur Folge hat, dass der Arbeitgeber weiterhin zur Zahlung der vollen Vergütung verpflichtet bleibt.

Um den Zustand Lohn ohne Arbeit und den daraus resultierenden Schaden abzuschwächen und ggf. sogar betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden, gibt es das Instrument der Kurzarbeit.

Was ist Kurzarbeit und welches Ziel wird mit ihr verfolgt?

Kurzarbeit ist die vorübergehende Verkürzung der regelmäßigen Arbeitszeit bei entsprechender Reduzierung der Vergütung aufgrund eines erheblichen Arbeitsausfalls. Hierbei kann die Arbeitszeit anteilig oder vollständig (sog. Kurzarbeit Null) verringert werden. Von der Kurzarbeit können alle Arbeitnehmer eines Betriebs oder nur ein Teil der Belegschaft betroffen sein. Ziel der Kurzarbeit ist es, wirtschaftliche Krisen zu überwinden und betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden.

Wie bekommt der Arbeitgeber Kurzarbeitergeld zugesprochen?

Das Kurzarbeitergeld wird von der Agentur für Arbeit gewährt. Die sozialversicherungsrechtlichen Grundlagen zum Kurzarbeitergeld finden sich in den §§ 95 ff. SGB III. Die erste Voraussetzung für die Gewährung von Kurzarbeitergeld ist ein „erheblicher Arbeitsausfall“, §§ 95 Satz 1 Nr. 1, 96 SGB III.

Diese Voraussetzung ist dann erfüllt, wenn der Arbeitsausfall

  • auf wirtschaftlichen Gründen oder einem unabwendbaren Ereignis beruht,
  • er nur vorübergehend besteht und
  • nicht vermeidbar ist.
  • Außerdem müssen mindestens ein Drittel der Arbeitnehmer von einem Entgeltausfall von mehr als 10 % betroffen sein.

Derzeit herrscht bei den Agenturen für Arbeit die Tendenz vor, dass ein aufgrund oder infolge des Coronavirus und/oder der damit verbundenen Sicherheitsmaßnahmen eingetretener Arbeitsausfall im Regelfall auf einem unabwendbaren Ereignis oder auf wirtschaftlichen Gründen im Sinne des § 96 Abs. 1 Nr. SGB III beruht.

Auch die Politik reagiert: So hat der Gesetzgeber das „Gesetz zur befristeten krisenbedingten Verbesserung der Regelungen für das Kurzarbeitergeld“ beschlossen, dass den Zugang zu Kurzarbeit aufgrund des Coronavirus erleichtert. Dieses Gesetz wird spätestens Anfang April 2020 in Kraft treten.

Dennoch bleibt es bei der vorangegangenen Handlungsempfehlung und den entsprechend positiven Bescheid der Agentur für Arbeit abzuwarten.

Welche arbeitsrechtlichen Auswirkungen hat die Einführung von Kurzarbeit?

Grundsätzlich stehen die Hauptleistungspflichten der Arbeitsvertragsparteien in einem Austauschverhältnis: Der Arbeitnehmer erbringt die vertraglich geschuldete Tätigkeit, der Arbeitgeber zahlt die vertraglich vereinbarte Vergütung.

Durch die Einführung von Kurzarbeit werden die Hauptleistungspflichten der Parteien aus dem Arbeitsvertrag teilweise bzw. ganz suspendiert, also ausgesetzt. Der Arbeitnehmer wird von seiner Hauptleistungspflicht, der Erbringung seiner vertraglich geschuldeten Tätigkeit in der vereinbarten Arbeitszeit (teilweise) entbunden und erhält für den suspendierten Teil Kurzarbeitergeld. Das Kurzarbeitergeld, welches die Arbeitnehmer im Zeitraum der Kurzarbeit zusätzlich zum verringerten Arbeitslohn erhalten, ist eine Leistung aus der Arbeitslosenversicherung. Das Kurzarbeitergeld soll den Verdienstausfall zumindest teilweise wieder ausgleichen.

Hinweis:

Da der Arbeitnehmer nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urteil v. 25.1.2012, 5 AZR 671/10, BAG, Urteil v. 22.4.2009, 5 AZR 310/08) seinen Lohnanspruch in Höhe des Kurzarbeitergeldes behält, muss der Arbeitgeber unbedingt dafür Sorge tragen, dass der Anspruch auf Gewährung von Kurzarbeitergeld tatsächlich besteht und auch nicht widerrufen wird.

Braucht es eine rechtliche Grundlage für die Einführung von Kurzarbeit oder kann der Arbeitgeber das einseitig aufgrund seines Direktionsrechts einführen?

Aufgrund des eben beschriebenen Eingriffs in die Hauptleistungspflichten kann der Arbeitgeber Kurzarbeit nicht einseitig einführen. Es bedarf einer rechtlichen Grundlage.

Das können sein:

  • arbeitsvertragliche Vereinbarung
  • Betriebsvereinbarung
  • Tarifvertrag
  • § 19 KSchG bei vorangegangenen Massenentlassungen

Wir prüfen gerne Ihre Arbeitsverträge, ob sich in den von Ihnen verwendeten derartige Regelungen finden.

Was genau muss der Arbeitgeber tun, um Kurzarbeitergeld zu erhalten? Können während der Kurzarbeit auch Kündigungen ausgesprochen werden?

Nach § 99 SGB III hat der Arbeitgeber gegenüber der zuständigen Agentur für Arbeit den Arbeitsanfall schriftlich oder elektronisch anzuzeigen und glaubhaft zu machen, dass ein erheblicher Arbeitsausfall besteht. Ferner muss glaubhaft gemacht werden, dass die betrieblichen Voraussetzungen für das Kurzarbeitergeld erfüllt sind.

Für die Anzeige verwenden Sie bitte die Formulare der Agentur für Arbeit, die sie hier finden.

Bei der Entscheidung, wie hoch der Arbeitsausfall sein wird, ist Folgendes zu beachten:

Grundsätzlich können während der Kurzarbeit auch Kündigungen ausgesprochen werden. Allerdings sind betriebsbedingte Kündigungen wegen Gründen, auf denen auch die Kurzarbeit beruht, unzulässig, da kein dringendes betriebliches Erfordernis für die Kündigung besteht. Das heißt, Sie könnten ggf. mit betriebsbedingten Kündigungen gesperrt sein, da der zugrunde liegende Kündigungsgrund auch zur Kurzarbeit geführt hat. Daher müssen Sie eine realistische Prognose über die weitere Entwicklung Ihrer wirtschaftlichen Lage vor Beantragung von Kurzarbeit erstellen. Zugegebenermaßen wird das nicht ohne Weiteres in der aktuellen Lage möglich sein.

Wie hoch ist das Kurzarbeitergeld?

Das Kurzarbeitergeld beträgt derzeit 67 % der Nettoentgeltdifferenz (Eltern) bzw. 60 % der Nettoentgeltdifferenz. Kurzarbeitergeld wird nach aktuellem Stand für die Dauer von längstens zwölf Monaten gewährt. Derzeit gibt es – wie eingangs dargestellt – auch politische Erwägungen, die Höhe des Kurzarbeitergeldes heraufzusetzen. Derzeit ist dies noch nicht der Fall, könnte sich aber ändern.

Wichtig ist, dass der Arbeitgeber zunächst mit dem Kurzarbeitergeld in Vorleistung geht und sich dann durch die Agentur für Arbeit die entsprechenden Summen – abhängig vom Bescheid der Agentur für Arbeit – erstatten lässt. Der Arbeitnehmer muss selbst nicht zur Agentur für Arbeit, um sich um eine entsprechende Leistung zu bemühen. Dies liegt ausschließlich auf Seiten des Arbeitgebers.

Kann der Arbeitgeber während der Kurzarbeit Überstunden anordnen?

Nein, da die Anordnung von Überstunden während des Bezugs von Kurzarbeitergeld ein Indiz dafür wäre, dass der Arbeitsausfall nicht unvermeidbar war.

Ausnahmsweise sind Überstunden in Not- oder Eilfällen zulässig. Allerdings sollten Sie Überstunden während der Kurzarbeit möglichst vermeiden.

Kann während der Kurzarbeit Urlaub genommen werden? Kann der Arbeitgeber neu entstehenden Urlaub während der Kurzarbeit kürzen?

Ja, Ihre Mitarbeiter können auch während der Kurzarbeit Urlaub nehmen.

Allerdings bleiben etwaige Gehaltskürzungen wegen der Kurzarbeit bei der Berechnung des Urlaubsentgelts nach § 11 Abs. 1 S. 3 BurlG unberücksichtigt: Der Arbeitnehmer erhält Urlaubsentgelt in Höhe seines üblichen Gehalts.

Und ja, Sie können den neu entstehenden Urlaub kürzen: Nach der Rechtsprechung des EuGH (EuGH, Urteil v. 22.4.2010, C-486/08, NZA 2010 S. 557) können Sie den während der Kurzarbeit neu anfallenden Urlaub streichen bzw. reduzieren. Denn: Der Kurzarbeiter ist insoweit mit einem Teilzeitbeschäftigten vergleichbar, für den es anerkannt ist, dass der Urlaub entsprechend reduziert werden kann.

Sprechen Sie bitte auch Ihren Lohnbuchhalter auf diesen Umstand an.

Aktuelle Entwicklung

Die Bundesregierung wird sehr kurzfristig eine Verordnung zu den neuen Kurzarbeitsregeln erlassen, um den Zugang zu Kurzarbeit zu erleichtern und die Unternehmen wirtschaftlich zu entlasten. Der deutsche Gesetzgeber hat die Grundlage für eine solche Verordnung mit dem „Gesetz zur befristeten krisenbedingten Verbesserung der Regelungen für das Kurzarbeitergeld“ bereits beschlossen. Es wird folgende Neuerungen geben:

  • Es müssen nicht mehr 30%, sondern nur noch wenigstens 10% der Beschäftigten vom Arbeitsausfall betroffen sein.
  • Auf den Aufbau / Einsatz negativer Arbeitszeitsalden zur Vermeidung von Kurzarbeit kann verzichtet werden.  
  • Vollständige oder teilweise Erstattung der von den Arbeitgebern allein zu tragenden Beiträge zur Sozialversicherung für Arbeitnehmer, die Kurzarbeitergeld beziehen.
  • Auch Leiharbeitnehmer sollen zukünftig Kurzarbeitergeld beziehen.

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