Kein steuerliches Einlagekonto bei Stiftungen

Für Stiftungen ist kein steuerliches Einlagekonto festzustellen. Dies hat der BFH in zwei Verfahren entschieden (Urteile vom 17. Mai 2023 – I R 42/19, I R 46/21).

Hintergrund

Beide Verfahren betrafen Familienstiftungen. Die Stifter hatten jeweils Zahlungen in das Stiftungskapital geleistet. Daraufhin beantragten die Stiftungen bei ihren Finanzämtern, einen Zugang zum steuerlichen Einlagekonto durch Steuerbescheid festzustellen. Die Finanzämter lehnten ab.

Können Stiftungen ihr Kapital ganz oder teilweise an ihre Destinatäre ausschütten, z. B. Verbrauchsstiftungen, wäre eine Feststellung des steuerlichen Einlagekontos von Vorteil. Die Stiftungen könnten in einem transparenten, praktischen Verfahren steuerfrei an ihre Destinatäre ausschütten. Die Ausschüttung würde genauso behandelt wie eine Einlagenrückgewähr einer GmbH an ihre Gesellschafter. Die Ausschüttung unterläge dann keiner Besteuerung beim Empfänger.

Es gibt keine Rechtsgrundlage für die Feststellung des steuerlichen Einlagekontos. Die Besteuerung von Vermögensausschüttungen ist bei der Veranlagung der Destinatäre zu klären.

Der Wortlaut des § 27 Abs. 7 KStG, der u.  a. die Erfassung von Einlagen in das steuerliche Einlagekonto regelt, enthält keinen ausdrücklichen Hinweis auf Stiftungen. Damit fehlt eine Rechtsgrundlage für die Feststellung des steuerlichen Einlagekontos. Das Gericht hält es dennoch für möglich, dass Stiftungen steuerfrei gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG an ihre Destinatäre ausschütten können.

Zum einen sieht der BFH eine Parallele zu Ausschüttungen von Kapitalgesellschaften aus Nicht-EU-Ländern. Für diese bestand bis zum Jahr 2022 ebenso keine Möglichkeit, ein steuerliches Einlagekonto feststellen zu lassen. Dennoch wurde ihnen eine steuerfreie Rückgewähr von Einlagen gestattet.

Zum anderen weist das Gericht darauf hin, dass Ausschüttungen an die Destinatäre nur dann Kapitaleinkünfte gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG sind, wenn sie mit Gewinnausschüttungen wirtschaftlich vergleichbar sind. Er deutet an, dass bei Ausschüttungen aus dem Stiftungsvermögen diese Vergleichbarkeit mit Gewinnen fehlen könnte.

Nach Auffassung des Gerichts kann die Besteuerung der Ausschüttung nach derzeitiger Rechtslage allein im Rahmen der Veranlagung der Destinatäre geklärt werden.

Die Entscheidung des BFH setzt einen vorläufigen Schlusspunkt unter eine Diskussion. Zuvor hatten vier Finanzgerichte und die herrschende Meinung in der Literatur eine Feststellung des steuerlichen Einlagekontos für zulässig gehalten. Derzeit ist noch ein weiteres Verfahren beim BFH in dieser Frage anhängig. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass der BFH anders entscheiden wird (BFH I R 46/20; Vorinstanz FG Sachsen 5 K 117/18). 

Bedeutung für die Praxis

Stiftungen müssen sich immer fragen, woraus sie ausschütten, aus Erträgen oder – sofern stiftungsrechtlich zulässig – aus dem Stiftungskapital. Nach Auffassung des BFH spricht einiges dafür, dass Ausschüttungen aus dem Stiftungskapital steuerfrei sein könnten. Stiftungen sollten die Destinatär*innen informieren, aus welcher Quelle sie ausschütten, damit diese ihre Einkünfte entsprechend dem Finanzamt erklären können. Zudem müssen sich Stiftungen mit dieser Frage im Rahmen der Kapitalertragsteueranmeldung auseinandersetzen.

Viele Details bei der Ausschüttung aus dem Stiftungsvermögen sind noch nicht geklärt, insbesondere ob eine Verwendungsreihenfolge einzuhalten ist.

Es wird abzuwarten sein, wie die Finanzverwaltung auf dieses Urteil reagiert und ob sie auch zur Besteuerung auf Ebene der Destinatär*innen und zur Kapitalertragsteueranmeldung der Stiftung Stellung bezieht.

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Autor

Gregor Schubert
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Dies ist ein Beitrag aus unserem Steuer-Newsletter 4/2023. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen oder weitere Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.