BFH: Die Einkünftequalifikation allein ist nicht angreifbar

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in seinem Beschluss vom 4. September 2023 (VI B 21/23) noch einmal verdeutlicht, dass Steuerbescheide nur angreifbar sind, wenn sie einen konkreten Nachteil mit materiellen Auswirkungen für die Steuerpflichtigen haben. Es reicht nicht aus, dass der Steuerbescheid fehlerhaft ist, solange der Fehler nicht in dem konkreten Veranlagungsjahr oder durch eine rechtliche Bindung für Folgejahre zu Mehrsteuern führt.

Hintergrund

In dem vom BFH entschiedenen Fall hatten sich die Kläger dagegen gewehrt, dass das Finanzamt ihre Einkünfte aus der Vermietung einer landwirtschaftlichen Fläche im Einkommensteuerbescheid als Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft und nicht als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung qualifiziert hatte. Die Einkünftequalifikation des Finanzamts bedeutet, dass es das vermietete Grundstück als land- und forstwirtschaftliches Betriebsvermögen ansah, dessen Veräußerung gemäß § 14 EStG steuerpflichtig wäre. Demgegenüber würde eine Einordnung der Einkünfte als solche aus Vermietung und Verpachtung bedeuten, dass das Grundstück Privatvermögen wäre und damit nach mehr als zehn Jahren Haltedauer steuerfrei veräußert werden könnte.

Entscheidung des BFH

Der BFH hat die Klage der Steuerpflichtigen zurückgewiesen. Er hat dies damit begründet, dass die Qualifikation der Einkünfte aus der Vermietung der landwirtschaftlichen Fläche in den Klagejahren keine Auswirkung auf die Höhe der Einkommensteuer hatte. Für die Höhe der Einkommensteuer auf die laufenden Mieteinnahmen war es unerheblich, ob es sich um Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft oder um Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung handelte. Es hätte sich in beiden Fällen eine gleich hohe Einkommensteuer ergeben. Und da die Einkünftequalifikation in einem Einkommensteuerbescheid keine rechtliche Bindung für die Qualifikation der Einkünfte in den nächsten Einkommensteuerbescheiden hat, können sich die Steuerpflichtigen so lange nicht gegen die Qualifikation der Einkünfte wehren, wie dieser Aspekt nicht in einem Jahr zu einer höheren Steuer führt.

Fazit

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH können sich Steuerpflichtige nur dann gegen einen Steuerbescheid zur Wehr setzen, wenn dieser fehlerhaft ist und der Fehler bei ihnen zu einer höheren Steuer führt oder sein Inhalt eine Bindungswirkung für andere Steuerbescheide hat und dort zu einer höheren Steuer führt. Einen Streit um die Fehlerfreiheit von Steuerbescheiden kann man vor den Finanzgerichten nicht erfolgreich führen, solange der Fehler nicht zu höheren Steuern führt. Was der BFH in seiner Entscheidung nicht anspricht bzw. nicht berücksichtigt, ist das Interesse eines Steuerpflichtigen an einer klaren Rechtslage und Planbarkeit seiner künftigen Steuerbelastung. In dem vom BFH entschiedenen Fall bekamen die Steuerpflichtigen keine Klarheit darüber, ob es sich bei ihrem Grundstück um land- und forstwirtschaftliches Betriebsvermögen handelt, dessen Veräußerung gemäß § 14 EStG steuerpflichtig wäre, oder um ein privates Vermietungsgrundstück, das sie nach mehr als zehn Jahren Haltedauer steuerfrei veräußern könnten. Nach der Argumentation des BFH können die Steuerpflichtigen dies erst klären, nachdem sie das Grundstück veräußert haben. Im Verkaufsprozess hätten die Steuerpflichtigen bei den Preisverhandlungen keine Sicherheit, ob sie mit oder ohne Belastung mit Einkommensteuer kalkulieren müssen. Das ist ein wirtschaftlicher Nachteil. Nach dem Verkauf zu erfahren, ob die Einkünftequalifikation zutreffend war oder nicht, hilft den Steuerpflichtigen nicht mehr, da sie dann bereits den steuerpflichtigen oder steuerfreien Veräußerungsgewinn realisiert hätten. So verständlich es ist, dass der BFH keine Streitfälle bearbeiten möchte, bei denen es nur ums Prinzip und nicht um spürbare steuerliche Auswirkungen geht, wäre es dennoch wünschenswert, wenn der BFH auch die Vorhersehbarkeit und Planbarkeit künftiger Steuerbelastungen als legitimes Interesse an der Klärung einer Streitfrage anerkennen würde. Die Steuerpflichtigen könnten wegen einer solchen Streifrage möglicherweise einen (gebührenpflichtigen) Antrag auf verbindliche Auskunft beim Finanzamt stellen. Handicap daran ist aber, dass die Steuerpflichtigen gegen eine ihrer Ansicht nach fehlerhafte Auskunft praktisch keine Rechtsschutzmöglichkeiten haben. Sie könnten die Streifrage auch dann nicht durch ein Gericht klären lassen, sodass ihnen dieser Weg auch nicht weiterhelfen würde, die Rechtsunsicherheit zu klären, bevor sie handeln.

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Autor

Bernd Schult
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Dies ist ein Beitrag aus unserem Steuer-Newsletter 4/2023. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen oder weitere Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.