Gleichlautender Ländererlass zur Abzugsfähigkeit von Nachlassverbindlichkeiten bei beschränkter Steuerpflicht

Mit gleichlautendem Ländererlass vom 9. Januar 2023 (BStBl. I 2023, 204) haben die obersten Finanzbehörden der Länder im Rahmen einer europarechtskonformen Auslegung des § 10 Abs. 6 S. 2 ErbStG für Fälle der beschränkten Steuerpflicht (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG) geregelt, dass neben Pflichtteilsverbindlichkeiten insbesondere auch Zugewinnausgleichsverbindlichkeiten und Verbindlichkeiten aufgrund von auf Geldzahlung gerichteten Untervermächtnissen anteilig als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig sind.

Hintergrund

Bei beschränkt steuerpflichtigen Erwerben (weder der Übertragende noch der Begünstigte haben Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland; es wird aber Inlandsvermögen i. S. d. § 121 BewG übertragen, wie z. B. in Deutschland belegene Immobilien) hängt die Abzugsfähigkeit von Schulden und Lasten gemäß § 10 Abs. 6 S. 2 ErbStG von einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem erworbenen Inlandsvermögen ab. Ein solcher wirtschaftlicher Zusammenhang mit einzelnen Vermögensgegenständen wurde von der Rechtsprechung insbesondere bei Pflichtteilsverbindlichkeiten, Zugewinnausgleichsverbindlichkeiten und Verbindlichkeiten aufgrund von auf Geldzahlung gerichteten Untervermächtnissen verneint. Damit bestand in Fällen der beschränkten Steuerpflicht keine Abzugsfähigkeit für diese Verbindlichkeiten, während sie bei unbeschränkter Steuerpflicht (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) unabhängig von einem wirtschaftlichen Zusammenhang grundsätzlich abzugsfähig wären. Dies hat zur Folge, dass Erbschaften von beschränkt Steuerpflichtigen, die Inlandsvermögen betreffen, einer höheren steuerlichen Belastung unterliegen als Erbschaften von unbeschränkt Steuerpflichtigen.

Europarechtskonforme Auslegung des § 10 Abs. 6 S. 2 ErbStG infolge des Urteils des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 21. Dezember 2021

Der EuGH hatte in seinem Urteil vom 21. Dezember 2021 entschieden, dass die sich aus § 10 Abs. 6 S. 2 ErbStG ergebende Nichtabzugsfähigkeit von Pflichtteilsverbindlichkeiten als Nachlassverbindlichkeiten in Fällen der beschränkten Steuerpflicht zu einer nicht gerechtfertigten Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit führt und nicht mit dem Unionsrecht vereinbar ist. Eine hiernach erforderliche unionsrechtskonforme Auslegung des § 10 Abs. 6 S. 2 ErbStG ermöglicht, dass Pflichtteilsverbindlichkeiten anteilig als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig sind, soweit die Vermögensgegenstände des Erwerbs der beschränkten Steuerpflicht unterliegen.

Anteilige Abzugsfähigkeit von Nachlassverbindlichkeiten beim beschränkten steuerpflichtigen Erwerb

Der beim beschränkt steuerpflichtigen Vermögensanfall abzugsfähige Anteil der Nachlassverbindlichkeit besteht in dem Verhältnis, wie der beschränkt steuerpflichtige Vermögensanfall (Summe der Werte der erworbenen Inlandsvermögen, z. B. inländische Grundstücke, abzüglich der mit diesen Vermögensgegenständen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Schulden und Lasten, z. B. Darlehen zur Anschaffung dieser inländischen Grundstücke) zu dem gesamten Vermögensanfall (Gesamtwert aller Vermögenswerte des aktuellen Erwerbs abzüglich der mit diesen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Schulden und Lasten des aktuellen Erwerbs) steht.

Für die obersten Finanzbehörden der Länder sind die Grundsätze des EuGH-Urteils insbesondere auch auf Zugewinnausgleichsverbindlichkeiten und Verbindlichkeiten aufgrund von auf Geldzahlung gerichteten Untervermächtnissen entsprechend anwendbar.

Fazit

Eine unionsrechtskonforme Auslegung des § 10 Abs. 6 S. 2 ErbStG zugunsten von beschränkt steuerpflichtigen Erwerben ist begrüßenswert. Mangels abschließender Aufzählung im gleichlautenden Ländererlass kann davon ausgegangen werden, dass Verbindlichkeiten aufgrund von auf Geldzahlung gerichteten Vermächtnissen unter den gleichen Voraussetzungen anteilig abziehbar sein können, da nicht ersichtlich ist, weshalb ein Erbe in dieser Hinsicht gegenüber einem Vermächtnisnehmer unterschiedlich behandelt werden darf.

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