Zur Bemessung der ermäßigten Gebühr bei Rücknahme eines Antrags auf verbindliche Auskunft

In seinem Urteil vom 4. Mai 2022 (I R 46/18) hat der BFH Grundsätze für die Festlegung der ermäßigten Gebühr für die in der Praxis häufiger vorkommenden Fälle, dass ein Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft beim Finanzamt vor dessen Entscheidung (z. B. weil das Finanzamt eine negative Antwort avisiert hat) zurückgenommen wird, ausgeführt.

Hintergrund

Nach § 89 Abs. 2 AO besteht die Möglichkeit, für ein konkret geplantes Vorhaben eine verbindliche Auskunft über dessen steuerliche Folgen beim Finanzamt einzuholen, bevor man das Vorhaben umsetzt und dabei womöglich nicht gewünschte Steuern auslöst. Eine solche verbindliche Auskunft kann man nur für bestehende rechtliche Unsicherheiten zur Besteuerung, wie z. B. die Auslegung eines bestimmten Gesetzesbegriffs, einholen. Steuerpflichtige sollen nicht blind ins Verderben rennen müssen, wenn Unsicherheiten bei der Anwendung des Steuerrechts bestehen. In solchen Fällen soll sich das Finanzamt vor der Realisierung des Vorhabens durch den Steuerpflichtigen festlegen, wie es diesen Fall steuerlich beurteilen wird. Eine solche verbindliche Auskunft ist gebührenpflichtig. Die Höhe der Gebühr bestimmt sich grundsätzlich nach dem Betrag der Steuern, um die es in dem Antrag geht (Gegenstandswert). Nur ausnahmsweise wird die Gebühr nach der Bearbeitungszeit beim Finanzamt mit 50 € je angefangene halbe Stunde bemessen. Für den Fall, dass der Steuerpflichtige seinen Antrag beim Finanzamt zurücknimmt, bevor die Behörde über ihn entschieden hat, kann die Gebühr ermäßigt werden (§ 89 Abs. 7 S. 2 AO).

Kernaussagen

Da § 89 Abs. 7 S. 2 AO vorsieht, dass die Gebühr im Falle einer vorzeitigen Rücknahme des Antrags ermäßigt werden kann, besteht kein fester Anspruch auf eine Gebührenermäßigung in solchen Rücknahmefällen. Es liegt im Ermessen des Finanzamtes, ob und in welcher Höhe es in einem solchen Fall die Gebühr ermäßigt. Der Steuerpflichtige hat nur Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung, kann also nur verlangen, dass das Finanzamt seine Entscheidung über die Gebührenermäßigung mit rein sachlichen maßgeblichen Erwägungen trifft.

Der Anwendungserlass zur Abgabenordnung, den die Finanzämter bei ihrer Arbeit zu beachten haben, enthält in Tz. 4.5.2 zu § 89 AO Vorgaben für die Ermessensausübung (ermessenslenkende Verwaltungsvorschrift für die Finanzämter). Darin ist vorgesehen, dass

  • die Gebühr auf null zu ermäßigen ist, wenn das Finanzamt bei Antragsrücknahme noch gar nicht mit der Bearbeitung des Antrags begonnen hatte,
  • das Finanzamt im Falle einer bereits begonnenen Bearbeitung bei Antragsrücknahme bei der Bemessung der ermäßigten Gebühr den bei ihm bis dahin angefallenen Bearbeitungsaufwand angemessen berücksichtigen und die Gebühr anteilig ermäßigen soll.

Im Streitfall hatte der Steuerpflichtige daraufhin geltend gemacht, dass das Finanzamt nur den geringeren Bearbeitungsaufwand als Gebühr festsetzen dürfe und nicht einen viel höheren anteiligen Gegenstandswert. Dies hat der BFH zurückgewiesen. Der bis zur Antragsrücknahme angefallene Bearbeitungsaufwand beim Finanzamt ist zwar angemessen zu berücksichtigen, was aber nicht bedeutet, dass nur der Bearbeitungsaufwand als Gebühr angesetzt werden dürfe. Die Regelung zur Ermäßigung der Gebühr enthält keine eigenständige Methode der Gebührenermittlung. Es bleibt beim Prinzip, dass die Gebühr (im ersten Schritt) grundsätzlich nach dem Gegenstandswert zu berechnen ist und die sich daraus ergebende Gebühr (im zweiten Schritt) wegen der Antragsrücknahme ermäßigt wird. Es gibt kein Gebot einer Ermäßigung auf die günstigste Gebühr für den Steuerpflichtigen. Die Ermäßigung der nach dem Gegenstandswert ermittelten Gebühr kann dann nach dem Verhältnis der bereits entstandenen Bearbeitungszeit im Zeitpunkt der Antragsrücknahme zu der voraussichtlich noch entstehenden Bearbeitungszeit für eine Entscheidung erfolgen.

Bedeutung für die Praxis

Wenn das Finanzamt im Rahmen der Kommunikation über den Antrag auf verbindliche Auskunft signalisiert, dass es voraussichtlich eine negative Auskunft (= ungünstige Steuerfolgen des geplanten Vorhabens) erteilen wird, besteht beim Steuerpflichtigen häufig kein Interesse mehr daran, dies noch schriftlich ausgeführt zu kommen. Denn nach der Rechtsprechung des BFH besteht keine relevante Möglichkeit, ein erfolgversprechendes Einspruchsverfahren gegen eine für inhaltlich falsch erachtete Auskunft zu führen. Durch die Antragsrücknahme verspricht man sich regelmäßig eine deutliche Reduzierung des Gebührenaufwands. Diese Erwartung muss sich nach dem hier besprochenen BFH-Urteil leider nicht unbedingt erfüllen. In der Praxis sollte man daher im Zusammenhang mit einer möglichen Antragsrücknahme mit dem Finanzamt auch gleich über die Gebührenermäßigung sprechen. Vor der Antragsrücknahme hat man noch bessere Argumente.

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Autor

Bernd Schult
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Dies ist ein Beitrag aus unserem Steuer-Newsletter 4/2022. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen oder weitere Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.