BFH-Urteil zur Drittwirkung der Steuerfestsetzung bei der umsatzsteuerlichen Organschaft

Mit Urteil vom 26. August 2021 (V R 13/20, DStR 2021, 2345) hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass, wenn für eine Organgesellschaft entgegen § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG eine Steuerfestsetzung ergangen ist, sich hieraus eine Drittwirkung i. S. v. § 166 AO ergibt. Dies hat zur Folge, dass der Organträger dann keinen Vorsteuerabzug aus Eingangsleistungen geltend machen kann, die von Dritten über die Organgesellschaft bezogen wurden.

Hintergrund

Nach § 33 Abs. 1 AO ist Steuerpflichtiger insbesondere, wer die Steuer schuldet. Für die steuerbaren Umsätze des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG ist gemäß § 13 a Abs. 1 Nr. 1 UStG der Unternehmer der Steuerschuldner (oder der Vergütungsberechtigte). Im Fall einer Organschaft ist dies gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG der Organträger, nicht aber die eingegliederte juristische Person, die ihre Tätigkeit als sog. Organgesellschaft nicht selbständig ausübt und daher die Anforderungen des Unternehmerbegriffs nicht erfüllt.

Organgesellschaft als eigenständiger Unternehmer und Steuerpflichtiger durch eine wirksame (materiell-rechtlich unzutreffende) Steuerfestsetzung

Die Person des Steuerpflichtigen kann sich aber auch aus einem – die Drittwirkung begründenden – Steuerbescheid ergeben. Für die Drittwirkung ist hierbei unerheblich, ob die sie begründende Steuerfestsetzung rechtmäßig oder rechtswidrig ist.

Die Wirksamkeit rechtswidrig-bestandskräftiger Steuerbescheide (§ 124 Abs. 2 AO) ist auch im Verhältnis zwischen Organträger und Organgesellschaft zu berücksichtigen. Ist für eine Organgesellschaft entgegen § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG eine Steuerfestsetzung ergangen, ergibt sich hieraus eine Drittwirkung i. S. v. § 166 AO, nach der aus dieser – materiell-rechtlich unzutreffenden – Steuerfestsetzung die Stellung der Organgesellschaft als eigenständiger Unternehmer und Steuerpflichtiger folgt, was eine Berücksichtigung dieser Gesellschaft als Organgesellschaft beim Organträger ausschließt.

Bedeutung und Einwirkung des Verfahrensrechts auf das materielle Recht

Im materiellen Recht ist der Organträger im Verhältnis zur Organgesellschaft nicht Dritter – allein das Verfahrensrecht macht ihn dazu, wenn die Steuerfestsetzung gegenüber der Organgesellschaft unanfechtbar wird.

Dies hat zur Folge, dass der Organträger dann keinen Vorsteuerabzug aus Eingangsleistungen geltend machen kann, die von Dritten über die Organgesellschaft bezogen wurden. Gleichwohl bleibt das Recht des Organträgers, die Nichtbesteuerung von Innenleistungen geltend zu machen, die er an die Organgesellschaft erbracht hat, unberührt. Die Bindungswirkung des § 166 AO zu Lasten des Organträgers bezieht sich nur auf die Besteuerungsgrundlagen, die Gegenstand der unanfechtbar gegenüber der Organgesellschaft ergangenen Steuerfestsetzungen sind.

Fazit: Der Organträger kann im Anwendungsbereich von § 166 AO eine Änderung zu seinen Gunsten nur erreichen, wenn er die ihn bindende Festsetzung für die Organgesellschaft rechtzeitig durch einen Änderungsantrag oder eine Anfechtung entfallen lässt.

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