Zinserlass bei monatlicher Verschiebung – BFH-Urteil (V R 30/20)

Es gibt die unterschiedlichsten Gründe dafür, dass Umsätze zu spät gemeldet werden. Dann können Zinsen entstehen. Unter Umständen können diese aber erlassen werden, wenn bzw. soweit dem Unternehmer aus der Verschiebung kein Liquiditätsvorteil entstanden ist. Der BFH zeigt sich hier recht großzügig.

Sachverhalt

Ein Unternehmer hatte über viele Jahre etwa 90 % seiner Umsätze einen Monat zu spät in der Umsatzsteuervoranmeldung erklärt, weil erforderliche Daten von Subunternehmern nicht rechtzeitig verfügbar waren. Als dies bei einer Betriebsprüfung herauskam, ordnete das Finanzamt jeweils 90 % der im Januar gemeldeten Umsätze dem Dezember des jeweiligen Vorjahres zu und setzte nach § 233a AO Nachzahlungszinsen fest, soweit die neu ermittelte Zahllast für das jeweilige Jahr die tatsächlich geleistete Zahlung überstieg. Die Dauer des Zinslaufs ermittelte die Behörde dabei in wortlautgetreuer Anwendung von § 233a AO, d. h., der Zinslauf begann nach Ablauf der 15-monatigen Karenzzeit und endete mit der neuen Steuerfestsetzung. Dadurch ergaben sich Zinsläufe von bis zu 56 Monaten.

Der Unternehmer stellte nach § 227 AO einen Antrag auf Erlass der Zinsen aus Billigkeitsgründen – im Wesentlichen mit dem Argument, ein Liquiditätsvorteil habe, wenn überhaupt, stets nur für einen Monat bestanden, weil die fehlende Zahlung des einen Monats stets im Folgemonat geleistet wurde. Außerdem werde das „Zuwenig“ des einen Monats immer im Folgemonat durch ein entsprechendes „Zuviel“ ausgeglichen.

Das Finanzamt hielt dagegen: Der sofortige Ausgleich im Folgemonat sei nur scheinbar, denn er werde immer wieder dadurch zunichtegemacht, dass die Besteuerung neu ausgeführter Leistungen unterbleibe.

Die Klage des Unternehmers hatte Erfolg, das Finanzamt legte jedoch Revision beim BFH ein.

BFH: Zinsvorteile von nur einem Monat will der Gesetzgeber nicht abschöpfen

Der BFH stellte zunächst klar, dass eine Billigkeitsmaßnahme nur dann in Betracht komme, wenn die Festsetzung der Zinsen den Wertungen des Gesetzes zuwiderlaufe und anzunehmen sei, dass der Gesetzgeber den Fall im Sinne des Antragstellers entschieden hätte, wenn er ihn als regelungsbedürftig erkannt hätte. Die Festsetzung von Zinsen sei grundsätzlich rechtmäßig, wenn der Schuldner der Steuernachforderung einen Liquiditätsvorteil gehabt habe.

Vorliegend habe der Liquiditätsvorteil immer nur einen Monat bestanden. Monatliche Zinsvorteile wolle der Gesetzgeber ausweislich § 233a Abs. 1 S. 2 AO aber gerade nicht abschöpfen („Dies gilt nicht für die Festsetzung von Vorauszahlungen und Steuerabzugsbeträgen.“). Entscheidend sei, ob wegen einer Jahresbesteuerung nach Ablauf der 15-monatigen Karenzzeit ein Liquiditätsvorteil bestehe, was hier nicht der Fall gewesen sei. Dass der Unternehmer hier faktisch eine Dauerfristverlängerung in Anspruch genommen hat, ohne sie beantragt und entsprechende Sondervorauszahlungen geleistet zu haben, sei ohne Belang.

Da ein Erlass im Ermessen des Finanzamts steht und es hier nicht nur eine einzige ermessensgerechte Entscheidung gibt, konnte der BFH die Entscheidung nicht anstelle des Finanzamts treffen. Aus seiner Sicht sind zwei Möglichkeiten ermessensgerecht, aus denen das Finanzamt wählen kann: der vollständige Erlass der Zinsen oder die Verzinsung auf jeweils einmonatiger Basis.

Einordnung:

Die entscheidende Frage ist in diesem Fall, ob man eine monatliche oder eher eine Gesamtbetrachtung anstellt: Wenn z. B. ein Unternehmer 10 Jahre unternehmerisch tätig ist, jeden Monat 100 € Umsatzsteuer schuldet und stets einen Monat zu spät bezahlt, ließe sich durchaus argumentieren, dass er 10 Jahre lang einen Liquiditätsvorteil von 100 € gehabt habe, der entsprechend (abzüglich der Karenzzeit) auch 10 Jahre lang verzinst werden sollte. Der BFH hat sich hier zugunsten der Steuerpflichtigen nicht für diese Gesamtbetrachtung, sondern für eine monatliche Betrachtungsweise entschieden. Betroffene sollten daher gegen Zinsbescheide, die auf einer gleichartigen Sachverhaltskonstellation beruhen, Einspruch einlegen. Da der BFH vom Finanzamt jedoch nicht zwingend einen vollständigen Erlass der Zinsen fordert, sollte man darauf auch nicht hoffen. Wer Probleme mit der fristgerechten Meldung seiner Umsätze hat, ist definitiv besser beraten, von vornherein eine Dauerfristverlängerung zu beantragen. Bedacht werden sollte außerdem, dass die verspätete Meldung auch einen strafrechtlichen Aspekt hat („Steuerhinterziehung auf Zeit“).

Stand: 01.08.2023

Autorin

Nadia Schulte
+49 211 83 99 330