Vorsteuerabzug bei Betriebsveranstaltungen – BFH-Urteil V R 16/21, veröffentlicht am 27. Juli 2023

Betriebsveranstaltungen sind nur für die Teilnehmenden vergnüglich – wer für die steuerliche Behandlung zuständig ist, muss einiges beachten. Umsatzsteuerlich gab es bis 2014 einen gesetzlich nicht geregelten Gleichlauf mit der Lohnsteuer: Was kein Arbeitslohn war, war auch keine unentgeltliche Wertabgabe, sodass der Arbeitgeber aus den Aufwendungen den Vorsteuerabzug geltend machen durfte. Die Änderung des Lohnsteuerrechts ab 2015 bedingt aber eine teilweise Loslösung der umsatzsteuerlichen Behandlung von der Lohnsteuer.

Sachverhalt

Ein Unternehmen lud seine Mitarbeitenden zu einer Weihnachtsfeier ein, die in einem Kochevent bestand. Dort bereiteten die Teilnehmer*innen unter Anleitung von zwei Köchen das Abendessen zu, das sie anschließend gemeinsam verzehrten. Dividierte man die Rechnung des Veranstalters durch die Zahl der Teilnehmenden, ergaben sich pro Person Kosten von über 110 Euro. Für einen Mitarbeiter, der sich angemeldet, dann aber nicht teilgenommen hatte, war ein „No-Show“-Entgelt zu entrichten.

Das Unternehmen begehrte den Vorsteuerabzug aus den Aufwendungen für die Weihnachtsfeier, was das Finanzamt ablehnte.

Rechtlicher Hintergrund und Würdigung durch den BFH

Bezieht der Unternehmer Leistungen für sogenannte Betriebsveranstaltungen, ist er nur zum Vorsteuerabzug berechtigt, wenn die bezogenen Leistungen nicht ausschließlich dem privaten Bedarf der Betriebsangehörigen dienen, sondern durch die besonderen Umstände seiner wirtschaftlichen Tätigkeit bedingt sind. Zwar sollte die Weihnachtsfeier auch das Betriebsklima durch gemeinsame Freizeitgestaltung verbessern, und Teambuilding-Events wie das hier streitgegenständliche seien dafür bekannt, dass sie Leistungsbereitschaft und -fähigkeit steigern können. Dennoch trete dabei das Interesse der Mitarbeiter nicht hinter einem vorrangigen Unternehmensinteresse zurück. Eine Weihnachtsfeier sei nicht mit Fällen vergleichbar, in denen der Arbeitgeber z. B. seine Mitarbeitenden während einer Sitzung beköstige, damit diese ohne Zeitverluste durchgeführt werden könne.

Demnach liege bei dem Kochevent eine unentgeltliche Wertabgabe nach § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG vor, die grundsätzlich nicht zum Vorsteuerabzug berechtige. Etwas anderes gälte nur, wenn eine Aufmerksamkeit vorläge. Da dieser Begriff weder im UStG noch in der MwStSystRL definiert ist, haben sich BFH und Finanzverwaltung im Sinne einer einheitlichen Rechtsanwendung dabei bislang an den lohnsteuerlichen Grundsätzen orientiert: Was lohnsteuerlich keinen Arbeitslohn darstellt, ist umsatzsteuerrechtlich eine Aufmerksamkeit, die nicht zu einer unentgeltlichen Wertabgabe führt und damit zum Vorsteuerabzug berechtigt.

Nach der bis 2014 geltenden Fassung von § 19 EStG galt dabei eine Freigrenze von 110 Euro. Zudem waren nach der älteren Rechtsprechung des BFH die Kosten für den äußeren Rahmen der Betriebsveranstaltung grundsätzlich nicht zu berücksichtigen.

Durch die gesetzliche Neuregelung von § 19 EStG wurde die Freigrenze zu einem Freibetrag, d. h., der 110 Euro übersteigende Betrag muss der Lohnsteuer unterworfen werden. Insoweit muss sich nach Auffassung des BFH das Umsatzsteuerrecht vom Lohnsteuerrecht lösen: Da nach § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG die Entnahmebesteuerung unterbleiben kann, „sofern“ eine Aufmerksamkeit vorliegt (nicht: „soweit“), ist umsatzsteuerrechtlich weiterhin von einer Freigrenze auszugehen. Dies wird durch das Unionsrecht gestützt, wonach Geschenke von geringem Wert von der Entnahmebesteuerung ausgeschlossen sind – und ein Geschenk kann entweder einen geringen Wert haben oder nicht. Wird der Betrag von 110 Euro überschritten, liegt damit umsatzsteuerlich in voller Höhe eine Entnahme vor.

Außerdem wurde ab 2015 in § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a EStG ausdrücklich geregelt, dass bei der Ermittlung des Freibetrags auch die Aufwendungen für den äußeren Rahmen der Betriebsveranstaltungen zu berücksichtigen sind. Auch in diesem Bereich müssen nach Auffassung des BFH umsatzsteuerlich eigene Kriterien angelegt werden: Bei dem Kochevent handelte es sich um eine einheitliche Leistung, bei der die Kosten des äußeren Rahmens nicht abgespalten werden können. Vielmehr sei das Kochevent ein marktfähiges Gesamtpaket gewesen, das vom Zusammenspiel der besonderen Örtlichkeit in gehobenem Ambiente und dem gemeinsamen Zubereiten und Verzehren von Speisen und Getränken geprägt worden sei. Daher seien die Kosten des Events insgesamt einzubeziehen.

Was den „No-Show“-Anteil an der Rechnungssumme betrifft, so sind nach Auffassung des BFH die Gesamtkosten einschließlich „No-Show“-Anteil auf alle anwesenden Teilnehmer zu verteilen, sodass auf den nicht anwesenden Teilnehmer keinerlei Aufwendungen entfallen, für die ein Vorsteuerabzug in Betracht kommen könnte.

Einordnung

In Bezug auf die Frage der Freigrenze steht diese Entscheidung im Einklang mit dem BMF-Schreiben vom 14. Oktober 2015, d. h., für Unternehmen ergibt sich insoweit keine Änderung. Neu ist die Herangehensweise bei den Kosten des äußeren Rahmens. Will man diese nicht einbeziehen, muss man nun nach streng umsatzsteuerlichen Kriterien prüfen, ob eine einheitliche Leistung vorliegt. Im Hinblick auf beide Aspekte können Lohnsteuer und Umsatzsteuer auseinanderfallen, was den Aufwand für Unternehmen erhöht.

Stand: 11.08.2023

Autorin

Nadia Schulte
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