Verzehr an Ort und Stelle: Restaurants in Einkaufszentren - BFH-Urteil V R 42/20

Die Abgabe von Speisen und Getränken kann eine Lieferung oder eine sonstige Leistung sein. Als Lieferung kann sie ggf. dem ermäßigten Steuersatz unterfallen, als „Restaurations-Dienstleistung“ gilt jedoch der Regelsteuersatz. Bei einem klassischen Restaurant mit Kellner und Tischdecke fällt die Entscheidung leicht – was ist jedoch mit den vielen modernen Möglichkeiten, sich schnell etwas zu Essen zu kaufen? Der BFH hat sich in seiner Entscheidung vom 26. August 2021, veröffentlicht am 2. Dezember 2021 (V R 42/20), mit einem Food-Court in einem Einkaufszentrum befasst.

Abgabe von Speisen ist eine Dienstleistung, wenn Dienstleistungselemente qualitativ überwiegen 

Nach der Rechtsprechung des EuGH (zuletzt am 22. April 2021 - C-703/19) muss bei einer Restaurations-Dienstleistung der Dienstleistungsaspekt qualitativ bei Weitem überwiegen, und dem Kunden muss eine Infrastruktur, bzw. müssen nach Art. 6 Abs. 1 MwStVO ausreichende unterstützende Dienstleistungen bereitgestellt werden, die den Verzehr an Ort und Stelle erleichtert/erleichtern. Infrastruktur von Dritten spielt nur dann eine Rolle, wenn der Leistende sie sich zurechnen lassen muss. Maßgebend ist die Sicht des Durchschnittsverbrauchers. 

Sachverhalt: Schnellrestaurant im Einkaufszentrum mit Food-Court 

In dem Fall, der dem BFH-Urteil vom 26. August 2021 zugrunde lag, ging es um ein Schnellrestaurant der Systemgastronomie in einem Einkaufszentrum. Der Restaurantbetreiber hatte dort keine eigenen Verzehrvorrichtungen. Es gab jedoch einen sog. Food-Court, d. h. der Betreiber des Einkaufszentrums hatte Tische und Stühle bereitgestellt, die die Kunden verschiedener Restaurants nutzen durften. Diese Nutzungsmöglichkeit war Bestandteil des Vertrages zwischen dem Restaurantbetreiber und dem Betreiber des Einkaufszentrums. 

BFH: Auch ein Food-Court, auf den der Restaurantbetreiber wenig Einfluss hat, kann ausreichen  

Der BFH kam (wie zuvor das FG) zu dem Schluss, dass die Nutzung eines Food-Courts in einem Einkaufszentrum beim Verzehr von Speisen als überwiegendes Dienstleistungselement zum Vorliegen einer sonstigen Leistung führen kann. Dass es keine Kellner gab und die Kunden ihre Speisen selbst dorthin tragen mussten, sei unerheblich – genauso wie der Umstand, dass der Food-Court auch als Wartebereich oder Treffpunkt genutzt wurde und dass die Kapazitäten beschränkt waren. Der BFH entschied darüber hinaus, dass sich der Restaurantbetreiber den Food-Court grds. zurechnen lassen musste, obwohl er aufgrund des Vertrages mit dem Betreiber des Einkaufszentrums kein konkretes Zuweisungs-, Dispositions-, Weisungs- oder Bestimmungsrecht in Bezug auf einzelne Sitzplätze des Food-Courts und kein eigenes Besitzrecht hatte.   

Das Zünglein an der Waage war schließlich die maßgebliche Sicht des Durchschnittsverbrauchers: Der BFH argumentierte, dass die Kunden die Vereinbarung zwischen dem Betreiber des Einkaufszentrums und dem Schnellrestaurant nicht kennen und ein Durchschnittsverbraucher den Food-Court zunächst einmal dem Einkaufzentrum zuordne, wenn nicht weitere Umstände ihm nahelegen, dass er als Kunde des Schnellrestaurants zur Nutzung des Food-Courts berechtigt ist. Ein solcher Umstand könne das Tablett sein, das dem Kunden vom Schnellrestaurant zur Verfügung gestellt wird, da dies üblicherweise dazu diene, die erworbenen Speisen zu einem Verzehrort (hier: dem Food-Court) zu tragen. Der BFH konnte dies aber nicht abschließend entscheiden, da das FG zu dem Tablett keine ausreichenden Feststellungen getroffen hatte. Daher wurde die Sache an das FG zurückverwiesen.  

Food-Courts kurz vor der Klärung, schwierige Handhabung bleibt ein Thema 

Der BFH konnte sich hier mit einem sehr praxisrelevanten Fall befassen, da Einkaufszentren mit Food-Courts bereits seit vielen Jahren überall aus dem Boden sprießen und die umsatzsteuerliche Behandlung ein Dauerthema ist. Da der Food-Court dem Einkaufzentrum gehört, aber von den Kunden der Restaurants genutzt werden darf, lag er bislang im Graubereich zwischen eigener und fremder Infrastruktur. Dass der BFH den Fall mangels ausreichender Feststellungen nicht abschließend entscheiden konnte, ist schade. Aller Voraussicht nach wird das FG aber die erforderlichen Feststellungen zu den Tabletts im zweiten Rechtsgang nachholen und der BFH im Anschluss eine Restaurationsleistung feststellen.  

In Fällen, die mit dem entschiedenen nicht 100%ig übereinstimmen, wird die schwer zu fassende Persönlichkeit des „Durchschnittsverbrauchers“ allerdings weiter ein Unsicherheitsfaktor bleiben. Das FG Köln hat mit Beschluss vom 20. August 2020 (8-K-1092/17) den EuGH gebeten, den Begriff „Sicht des Durchschnittsverbrauchers“ in einem anderen Zusammenhang näher zu konkretisieren. Es bleibt zu hoffen, dass der EuGH diesen Wunsch erfüllt. 

Wichtig zu wissen: Die bereitstehende Infrastruktur führt nur dann zu einer Dienstleistung, wenn der Kunde sie auch in Anspruch nimmt. Ist das Schnellrestaurant zu Zeiten geöffnet, zu denen der Food-Court geschlossen ist, kommt für den Verkauf der Speisen der ermäßigte Steuersatz in Betracht. Ansonsten bleibt die Frage „Zum Hier-Essen oder zum Mitnehmen?“ und das Drücken eines entsprechenden Knopfs im Kassensystem das (umständliche und fehleranfällige) Mittel der Wahl. Die hartnäckigen Bemühungen des DEHOGA, den Gesetzgeber zu einer einheitlichen ermäßigten Besteuerung von Restaurationsumsätzen zu bewegen, sind bislang erfolglos geblieben.  

(Stand: 31.01.2022)