Kein Dreiecksgeschäft ohne Rechnungshinweis auf Übergang der Steuerschuld? Schlussantrag „Luxury Trust“ (C-247/21)

Generalanwältin Juliane Kokott spricht sich in ihrem Schlussantrag in der österreichischen Rechtssache „Luxury Trust Automobil GmbH“ (C-247/21) vom 14. Juli 2022 dafür aus, dass ein innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft nur dann vorliegt, wenn der mittlere Unternehmer in seiner Rechnung auf den Übergang der Steuerschuldnerschaft auf den Abnehmer hinweist.

Funktion und Voraussetzungen des innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäfts

Beim innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäft (in Deutschland geregelt in § 25b UStG) schließen drei Unternehmer über denselben Gegenstand Umsatzgeschäfte ab; der erste Lieferer oder der mittlere Unternehmer transportiert die Ware unmittelbar vom ersten Lieferer zum letzten Abnehmer in der Kette in einen anderen Mitgliedstaat und die drei Beteiligten treten unter drei verschiedenen Umsatzsteuer-Identifikationsnummern (USt-IDs) auf (vereinfachte Darstellung). Damit der mittlere Unternehmer sich im Bestimmungsmitgliedstaat nicht umsatzsteuerlich registrieren lassen muss, um einen innergemeinschaftlichen Erwerb und eine anschließende lokale Lieferung zu erklären, gibt es eine Vereinfachung: Wenn der mittlere Unternehmer eine andere USt-ID als die des Abgangs- oder Bestimmungslandes verwendet und in der Rechnung auf das innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäft hinweist, gilt sein innergemeinschaftlicher Erwerb im Bestimmungsland als besteuert und die Steuerschuld für die lokale Lieferung geht auf den Abnehmer über. Ein „Straferwerb“ nach § 3d S. 2 UStG ist dann nicht zu besteuern.

Rechnungsvoraussetzungen

Gemäß § 25b Abs. 2 Nr. 3 i. V. m. § 14a Abs. 7 UStG muss der mittlere Unternehmer in der Rechnung auf das Vorliegen eines innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäfts und die Steuerschuldnerschaft des letzten Abnehmers hinweisen – dies ergibt sich auch aus den entsprechenden Vorschriften der MwStSystRL. In der Praxis wird dies häufig nachlässig gehandhabt, d. h., es wird zwar auf das Dreiecksgeschäft, nicht aber auf die Umkehr der Steuerschuldnerschaft hingewiesen. Mehrere deutsche Finanzgerichte haben sich mit unterschiedlichen Ergebnissen mit der Frage befasst, ob dies problematisch sei. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat zwei Verfahren ausgesetzt, um auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in der Rechtssache „Luxury Trust Automobil GmbH“ zu warten.

Sachverhalt EuGH-Fall

Im Fall „Luxury Trust Automobil GmbH“ hatte der mittlere Unternehmer in seiner Rechnung keine Umsatzsteuer ausgewiesen und den Hinweis „Steuerfreies innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft“ aufgenommen. Ein Hinweis auf die Umkehr der Steuerschuldnerschaft war jedoch nicht enthalten.

Generalanwältin: Hinweis auf Steuerschuldnerschaft des Abnehmers ist zwingend erforderlich

Die Generalanwältin vertritt in ihrem Schlussantrag die Auffassung, der mittlere Unternehmer habe ein Wahlrecht, ob er von der Vereinfachungsregel Gebrauch machen will. Wenn er dieses Wahlrecht ausüben will, sei es zwingend, dass er seinen Abnehmer auch vom Übergang der Steuerschuldnerschaft in Kenntnis setzt. Anderenfalls bestünde ein erhöhtes Risiko, dass die Umsatzsteuer von niemandem abgeführt werde. Diese Anforderung sei auch nicht unverhältnismäßig.

Fehlt der Hinweis auf den Übergang der Steuerschuldnerschaft, seien die materiellen Voraussetzungen des innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäfts nicht erfüllt. Wird später eine Rechnung mit diesem Hinweis ausgestellt, sei dies keine Korrektur, sondern die erstmalige Erfüllung der Voraussetzungen. Dementsprechend könne die Ausstellung dieser Rechnung keine Rückwirkung entfalten, weil nach den allgemeinen Grundsätzen des Mehrwertsteuerrechts Veränderungen erst dann erheblich seien, wenn sie eintreten. Eine zeitliche Beschränkung dafür ergebe sich nicht aus der MwStSystRL, es sind allerdings die nationalen Vorschriften zur Festsetzungsverjährung zu beachten. Die korrekte Rechnung müsse dem Empfänger zugehen – dies kann problematisch sein, wenn z. B. die Gesellschaft inzwischen erloschen ist.

Konsequenzen

Die fehlende Rückwirkung würde bedeuten, dass der mittlere Unternehmer, der eine Rechnung ohne den Hinweis auf den Übergang der Steuerschuldnerschaft ausgestellt hat, aus deutscher Sicht zunächst nach § 3d S. 2 UStG den Erwerb im Mitgliedstaat der verwendeten USt-ID versteuern muss. Je nach den Vorschriften des Bestimmungslandes ist dort auch eine lokale Lieferung zu erklären. Sobald der mittlere Unternehmer eine korrekte Rechnung im Sinne eines innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäfts (mit Hinweis auf den Übergang der Steuerschuld) ausstellt, gilt sein Erwerb im Bestimmungsland gem. § 25b Abs. 3 UStG als besteuert, sodass auch die Straf-Erwerbsbesteuerung des § 3d S. 2 UStG entfällt. Die bisherigen Erklärungen wären wegen der fehlenden Rückwirkung nicht zu korrigieren. Stattdessen wären im Besteuerungszeitraum der Ausstellung der korrekten Rechnung negative Beträge zu erfassen.

Ob der EuGH sich diesem Schlussantrag anschließt, bleibt abzuwarten. Ab sofort sollten mittlere Unternehmer im Dreiecksgeschäft aber darauf achten, in der Rechnung nicht nur auf das Dreiecksgeschäft, sondern auch auf die „Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers“ hinzuweisen. Nach Auffassung der Generalanwältin könne der EuGH allerdings nicht entscheiden, ob hierbei die entsprechende Vorschrift des nationalen Rechts zu zitieren sei. Nach Ansicht der Generalanwältin sei dies hilfreich, aber nicht zwingend. Wer sichergehen will, nimmt diesen Hinweis zusätzlich auf.