§ 15a-Vorsteuerberichtigung bei unbrauchbar gewordenen Wirtschaftsgütern – EuGH-Urteil (C-127/22) vom 4. Mai 2023

Verwendet ein Unternehmer ein Wirtschaftsgut, bei dessen Erwerb er den Vorsteuerabzug in Anspruch genommen hat, später anders als beabsichtigt, kann eine Vorsteuerberichtigung erforderlich sein. Der EuGH hat sich in einem bulgarischen Fall mit der Frage befasst, ob die Entsorgung, Zerstörung oder der Verkauf von unbrauchbar gewordenen Wirtschaftsgütern eine solche Berichtigungspflicht nach sich zieht.

Sachverhalt

Die bulgarische Balgarska telekomunikatsionna kompania (BTK) ist im Bereich Telekommunikation tätig. Sie hat verschiedene Installationen, Ausrüstungsgegenstände oder Geräte ausgesondert, weil sie beispielsweise für abgenutzt, fehlerhaft, veraltet, unbrauchbar oder nicht verkaufsfähig gehalten wurden. Die Gegenstände wurden entweder als Abfall an andere Unternehmer verkauft, oder sie wurden zerstört oder entsorgt.

Entscheidung

Der EuGH hatte die Frage zu entscheiden, ob diese Vorgänge i. S. v. Art. 185 MwStSystRL als „Änderung der Faktoren“ anzusehen sind, die beim Vorsteuerabzug berücksichtigt wurden, und ob dies eine Vorsteuerberichtigung nach sich ziehe. Art. 185 MwStSystRL ist die unionsrechtliche Grundlage für § 15a UStG, der in Deutschland die Vorsteuerberichtigung regelt. Während § 15a UStG lediglich festlegt, dass bei einer „Änderung der Verhältnisse“ eine Vorsteuerberichtigung durchgeführt werden muss, ohne zu definieren, wann eine solche Änderung der Verhältnisse vorliegt, grenzt Art. 185 MwStSystRL den Anwendungsbereich ausdrücklich ein. Demnach ist u. a. in ordnungsgemäß nachgewiesenen oder belegten Fällen von Zerstörung oder Verlust keine Vorsteuerberichtigung vorzunehmen.

Der EuGH entschied, dass der Verkauf als Abfall ein steuerpflichtiger Umsatz sei, sodass das Recht auf Vorsteuerabzug weiterhin besteht. Dass dies nicht die gewöhnliche wirtschaftliche Tätigkeit von BTK ist, spiele keine Rolle.

Die Zerstörung der Wirtschaftsgüter stelle zwar eine Änderung der für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgeblichen Faktoren dar, sei aber von der Vorsteuerberichtigungspflicht nach Art. 185 MwStSystRL ausdrücklich ausgenommen, wenn sie ordnungsgemäß nachgewiesen oder belegt ist. Der Begriff der Zerstörung umfasse dabei auch die Zerstörung durch den Steuerpflichtigen selbst, auch wenn es sich dann nicht um ein unvorhergesehenes bzw. unabwendbares Ereignis handelt. Dasselbe gelte für die Entsorgung, wenn sie konkret zum unumkehrbaren Verschwinden des Gegenstands führt.

Erst bei der letzten Vorlagefrage, deren eigenständige Bedeutung sich allerdings nicht erschließt, fügt der EuGH eine zusätzliche Bedingung an: Der Gegenstand muss objektiv jeden Nutzen im Rahmen der wirtschaftlichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen verloren haben.

Praktische Bedeutung

Welche konkreten Sachverhalte eine Vorsteuerberichtigungspflicht auslösen, ergibt sich nicht aus § 15a UStG. Das BMF hat in Abschn. 15a.2 Abs. 2 und 6 UStAE Positivlisten mit Beispielsfällen erstellt, die jedoch nicht abschließend sind und vor allem keine negative Abgrenzung enthalten. Dementsprechend sind die Fälle des Verlustes und der Zerstörung nicht erwähnt. Dieser Ausschluss von der Berichtigungspflicht gilt aber über Art. 185 MwStSystRL auch in Deutschland. In Bezug auf die Aussonderung von Wirtschaftsgütern wegen Unbrauchbarkeit führt das EuGH-Urteil zu mehr Klarheit. Streit kann sich aber noch hinsichtlich der Frage ergeben, ob ein Gegenstand objektiv jeden Nutzen verloren hat. Hier empfiehlt sich eine gute Dokumentation.

Stand: 23.05.2023

Autorin

Nadia Schulte
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