§ 14c UStG – Steuer bei negativem USt-Ausweis / Heranziehen ergänzender Informationen – BMF-Schreiben vom 18. April 2023

Weil jede Rechnung mit Umsatzsteuerausweis das Risiko des Vorsteuerabzugs birgt, wird die Umsatzsteuer allein wegen des Ausweises in der Rechnung geschuldet. Dabei gibt es immer wieder Konstellationen, bei denen man sich fragen muss, ob die Gestaltung der Rechnung oder die Gesamtumstände beim Empfänger wirklich den Eindruck erwecken, er sei zum Vorsteuerabzug berechtigt. Nachdem der BFH einen Fall zum Ausweis negativer Umsatzsteuerbeträge und zur Beiziehung ergänzender Dokumente entschieden hat, setzt das BMF dieses Urteil im UStAE um, modifiziert dabei aber die Aussagen des BFH.

Sachverhalt

Grundlage des BMF-Schreibens vom 18. April 2023 ist das Urteil des BFH vom 26. Juni 2019, XI R 5/18. Zwischen einem Lieferanten von Warenlieferungen und einem Kunden bestand im zugrunde liegenden Fall eine „Jahres-Konditionsvereinbarung“. Demnach sollte der Kunde zum einen bestimmte Bonuszahlungen erhalten. Unstreitig handelte es sich hierbei umsatzsteuerrechtlich um Minderungen der Bemessungsgrundlage für die Warenlieferungen des Lieferanten. Zum anderen waren auch sogenannte Werbekostenzuschüsse (WKZ) vereinbart, die, was ebenfalls unstreitig war, Entgelte für Werbeleistungen waren, die der Kunde an den Lieferanten erbracht hatte.

Der Kunde stellte dem Lieferanten ein als „Belastung“ bezeichnetes Dokument aus, in dem unter Verweis auf die Jahres-Konditionsvereinbarung augenscheinlich über WKZ abgerechnet wurde, also über eine vom Kunden an den Lieferanten erbrachte Werbeleistung. Der Kunde fügte allen genannten Beträgen einen kleinen Querstrich bei, bezüglich derer später streitig wurde, ob es sich um Minuszeichen oder Bindestriche handele. Der Kunde führte die ausgewiesene Umsatzsteuer ab und der Lieferant machte den Vorsteuerabzug geltend.

Zwischenzeitlich wurde über das Vermögen des Kunden das Insolvenzverfahren eröffnet.

Eine Steuerprüfung beim Lieferanten ergab sodann, dass die mit der „Belastung“ abgerechneten Beträge sich tatsächlich nur zum Teil auf Entgelte für Werbeleistungen bezogen. Der andere Teil betraf die vereinbarten Boni, also Minderungen der Bemessungsgrundlage der ursprünglichen Warenlieferungen.

Der Insolvenzverwalter argumentierte, das vom Kunden ausgestellte Dokument erwecke den Eindruck, es werde in voller Höhe über eine Werbeleistung des Kunden an den Lieferanten abgerechnet. Die kleinen Querstriche hinter den Beträgen seien Bindestriche, keine Minuszeichen. Damit liege teilweise ein unberechtigter Steuerausweis nach § 14c Abs. 2 UStG vor, weil die „Belastung“ ausgewiesene Umsatzsteuer enthält, der aber, soweit es sich um Bonuszahlungen handelt, keine Leistung des Kunden zugrunde liegt. Das Finanzamt müsse der Berichtigung (des vom Kunden ausgestellten Dokuments) zustimmen, woraus sich zugunsten der Insolvenzmasse ein Anspruch gegen das Finanzamt ergeben würde. Das Finanzamt war anderer Auffassung: Soweit sich das Dokument auf die Bonuszahlungen beziehe, mindere sich die Bemessungsgrundlage für die ursprünglichen Warenlieferungen automatisch, ohne dass es eines Belegaustausches oder gar der Zustimmung des Finanzamtes bedürfe.

Der Insolvenzverwalter erhob daher Verpflichtungsklage gegen das Finanzamt auf Erteilung der Zustimmung nach § 14c Abs. 2 UStG. Nachdem das Finanzgericht der Klage weitgehend stattgegeben hatte, legte das Finanzamt Revision zum BFH ein.

Entscheidung des BFH

Nach Auffassung des BFH müssen bei der Prüfung, ob Angaben in einer Rechnung unzutreffend sind, Bezugnahmen in der Rechnung auf andere Dokumente berücksichtigt werden. Dies ergebe sich aus der EuGH-Entscheidung „Barlis 06“. Hätte das Finanzgericht die Jahres-Konditionsvereinbarung, auf die die Rechnung Bezug nahm, insgesamt herangezogen, hätte es erkannt, dass sich die „Belastungen“ sowohl auf Werbekostenzuschüsse als auch auf den Bonus beziehen. Die „Belastungen“ rechnen damit insoweit nicht unrichtig oder unberechtigt über Werbeleistungen ab, sondern richtig über den Bonus.

Davon unabhängig sei zu berücksichtigen, dass eine Steuer nach § 14c UStG bereits deshalb nicht entstehen konnte, weil in dem Dokument keine positiven, sondern negative Beträge ausgewiesen wurden. Dass es sich bei den kleinen Querstrichen nicht um Bindestriche, sondern um Minuszeichen handele, stehe außer Zweifel. Negative Steuer sei keine ausgewiesene Steuer im Sinne des § 14c UStG.

Der BFH brauchte nicht zu entscheiden, ob etwas anderes gelten würde, wenn der Aussteller einer Gutschrift die Beträge mit einem Minuszeichen versieht, um anzudeuten, dass er den genannten Betrag als Leistungsempfänger dem Leistenden schuldet.

Adaption durch das BMF mit Schreiben vom 18. April 2023

Nach der Auslegung des BMF soll keine § 14c-Steuer entstehen, wenn der Aussteller über eine Entgeltminderung abrechnet und dies zusätzlich durch ein Minuszeichen zum Ausdruck bringt. Dass das Minuszeichen zwingend erforderlich ist, lässt sich dem BFH-Urteil allerdings nicht entnehmen.

Bei der Prüfung, ob ein Dokument über Entgeltminderungen abrechnet, seien ergänzende Dokumente nur dann heranzuziehen, wenn das Dokument auf sie verweist. Zwar gab es im BFH-Fall einen solchen Verweis in der „Belastung“. Der BFH hat allerdings nicht dazu Stellung genommen, ob dieser Verweis zwingend erforderlich ist. Dass der BFH sein Ergebnis u. a. mit der EuGH-Entscheidung „Barlis 06“ begründet hat, spricht jedoch dagegen. Hier hat der EuGH entschieden, dass es ausreicht, wenn die Finanzverwaltung über alle Angaben verfügt, die für die Feststellung der materiellen Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs erforderlich sind.

Auf Gutschriften, bei denen der Leistungsempfänger über eine empfangene Leistung abrechnet, soll das BFH-Urteil nach Auffassung des BMF nicht anwendbar sein – das heißt, es kann sich eine Steuerschuld des Gutschriftempfängers auch dann ergeben, wenn der Aussteller die Beträge mit einem Minuszeichen versehen hat. Der BFH hatte diese Frage allerdings ausdrücklich offengelassen. 

Praktische Einordnung

Das Besondere dieses Falles ist, dass aus insolvenzrechtlichen Gründen das Entstehen einer Steuer nach § 14c UStG günstig gewesen wäre. Im Normalfall dürfte es hingegen in der Regel genau andersherum sein. Dementsprechend ist nicht auszuschließen, dass die Argumentation des BFH davon motiviert war, die als unbillig empfundene Bereicherung der Insolvenzmasse zu verhindern. Trotzdem sind die Grundsätze des Urteils allgemein anwendbar.

Im hier geschilderten Fall lag in Bezug auf den Bonus eine Entgeltminderung der Warenlieferung vor, die aufgrund unglücklicher Darstellung in der „Belastung“ wie ein Entgelt für die Werbeleistung erschien. Dies kommt vor allem im Bereich des Einzelhandels vor, für den die vertragliche Kombination aus Werbekostenzuschüssen und Boni typisch ist. Aber auch in anderen Branchen ist das Problem der verunglückten oder zweideutigen Gutschriften interessant. Während im Englischen eine eindeutige Unterscheidung zwischen „self-billing invoice“ und „credit note“ gebräuchlich ist, bezeichnet im Deutschen der Begriff „Gutschrift“ beide Sachverhalte: die Abrechnung des Leistungsempfängers über eine von ihm bezogene Leistung und das „Gutschreiben“ von Entgelten durch den Leistenden aufgrund von Mängeln, Retouren und dergleichen. Hier ist weiterhin Vorsicht geboten und auf eine eindeutige Unterscheidung zu achten, damit es nicht zu Verwechslungen kommt. Eine Gutschrift im Sinne einer „self-billing invoice“ kann jedenfalls nach Auffassung des BMF auch dann zu einer § 14c-Steuer des nicht widersprechenden Gutschriftempfängers führen, auch wenn die Beträge mit einem Minuszeichen versehen sind. Empfänger von Gutschriften sollten diese sorgfältig prüfen und bei Fehlern widersprechen. Im Streitfall eröffnet das BFH-Urteil weiteren Argumentationsspielraum, Dokumente außerhalb der Rechnung ergänzend heranzuziehen, die die Leistungsverhältnisse belegen.

Stand: 11.05.2023

Autorin

Nadia Schulte
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