IFRS 15: Weitere Klarstellungen und Erleichterungen verabschiedet

21.10.2016 – Zwei Jahre nach Verabschiedung des neuen Standards zur Erlöserfassung IFRS 15 "Erlöse aus Verträgen mit Kunden" hat der IASB am 12. April 2016 erste Änderungen an diesem Standard verabschiedet. Diese enthalten neben Klarstellungen auch Erleichterungen im Hinblick auf den Übergang auf IFRS 15.

Die Klarstellungen beziehen sich auf folgende Aspekte:

  • Identifizierung von Leistungsverpflichtungen in einem Vertrag
  • Prinzipal-Agenten-Beziehungen
  • Umsatzerlöse aus der Lizenzierung von geistigem Eigentum
  • Erleichterungsvorschriften für den Übergang auf IFRS 15

Die Änderungen an IFRS 15 sind größtenteils das Ergebnis der Diskussionen, die innerhalb der Joint Transition Resource Group (TRG) geführt wurden. Grundlegende Prinzipien des neuen IFRS 15 wurden durch die Klarstellungen, die in erster Linie einige Einzelaspekte betreffen, nicht berührt.

Der Änderungsstandard tritt für Geschäftsjahre in Kraft, die am oder nach dem 1. Januar 2018 beginnen. Dies entspricht dem Zeitpunkt des Inkrafttretens von IFRS 15 selbst. Eine vorzeitige Anwendung ist unter der Voraussetzung einer Übernahme durch die EU zulässig.

Identifizierung von Leistungsverpflichtungen

Die Identifizierung von Leistungsverpflichtungen ist zentraler Bestandteil des Erlösrealisierungsmodells des IFRS 15 (Lesen Sie mehr hierzu in unserer aktuellen Broschüre „Aktionsfelder zu IFRS 15: Sind Sie vorbereitet?“). Mit der Änderung an diesem Standard wird nunmehr klargestellt, dass es bei der Beurteilung der separat identifizierbaren Leistungsverpflichtung auf die Art des Versprechens (nature of promise) ankommt.

Verkauft ein Unternehmen mehrere Güter oder Dienstleistungen mit demselben Vertrag, ist nach IFRS 15 der Vertrag in separate Leistungsverpflichtungen aufzugliedern in Abhängigkeit davon, ob die im Standard definierten Kriterien erfüllt sind. Die Änderungen an IFRS 15 stellen nunmehr klar, wann ein zugesagtes Gut oder eine zugesagte Dienstleistung im Vertragskontext einzeln abgrenzbar („separat identifizierbar“) ist. Gemäß IFRS 15.27 ist dies der Fall, wenn die beiden folgenden Kriterien erfüllt sind:

  • Der Kunde zieht entweder allein oder zusammen mit anderen zur Verfügung stehenden Ressourcen Nutzen aus dem Gut oder der Dienstleistung (IFRS 15.27(a)) und
  • das Gut oder die Dienstleistung ist separat von anderen Vertragszusagen identifizierbar, d. h. dass das Versprechen, ein Gut oder eine Dienstleistung bereitzustellen, im Vertragskontext abgrenzbar ist (IFRS 15.27(b)).

Eine separate Leistungsverpflichtung liegt nur vor, wenn beide Kriterien erfüllt sind. Zur weiteren Klarstellung des Konzepts des Vertragskontextes hat der IASB Paragraph 29 zur Erläuterung von IFRS 15.27(b) überarbeitet.

In IFRS 15.29 werden Kriterien beschrieben bzw. wird negativ abgegrenzt, unter welchen Umständen zwei oder mehr Versprechen zur Bereitstellung von Gütern oder Dienstleistungen nicht separat identifizierbar sind:

  • Das Unternehmen erbringt eine wesentliche Integrationsleistung mit anderen Gütern und Dienstleistungen im Vertrag. Durch diese Bündelung von Leistungen stellen die zugesagten Güter oder Dienstleistungen Inputfaktoren dar, die zu einem kombinierten Output führen, nämlich zu dem vom Kunden bestellten Endprodukt.
  • Es erfolgt eine wesentliche Änderung oder Anpassung der Güter oder Dienstleistungen nach den Wünschen des Kunden.
  • Es besteht eine wesentliche Wechselbeziehung der Güter oder Dienstleistungen im Vertrag, d. h. diese sind stark voneinander abhängig oder miteinander verbunden.

Diese Aufzählung ist nicht abschließend. Die Grundlagen für Schlussfolgerungen (basis for conclusions) geben überdies weiterführende Hilfestellung, was bei der Bereitstellung von Gütern und Dienstleistungen, die im Vertragskontext abgrenzbar sind, zu beachten ist. Das Unternehmen hat dabei zu beurteilen, ob es im Vertragskontext jedes Gut oder jede Dienstleistung separat überträgt (mehrere Leistungsversprechen) oder ob es sich um die Übertragung eines Leistungsbündels (ein Leistungsversprechen) handelt (IFRS 15.BC116J). Darüber hinaus hat das Unternehmen zu beurteilen, ob eine transformative Beziehung zwischen den Vertragselementen besteht. Dabei hat das Unternehmen das Integrationsniveau, Verflechtungen und gegenseitige Abhängigkeiten zwischen den Gütern und Dienstleistungen im Vertragskontext zu berücksichtigen (IFRS 15.BC116K).

Zur Erläuterung der Abgrenzbarkeit hat der IASB in den Illustrative Examples zu IFRS 15 die Beispiele 10 und 11 um weitere Fälle ergänzt. Die neu eingefügten bzw. ergänzten Beispiele betreffen

  • Beispiel 10 B: wesentliche Integrationsleistungen bei mehreren Komponenten
    (z. B. die Lieferung eines hoch spezialisierten und komplexen Produkts),
  • Beispiel 11 C: eigenständig abgrenzbare Zusagen bei Integrationsleistungen
    (z. B. bei der Veräußerung von Softwarelizenz, -installation, -update und technischem Support),
  • Beispiel 11 D: vertragliche Einschränkungen
    (z. B. führt der Erwerb von IT-Equipment und die Verpflichtung des Kunden zur Abnahme der damit verbundenen Installation durch den Auftragnehmer nicht zu einer Zusammenfassung der Leistungen),
  • Beispiel 11 E: Verbrauchsgüter
    (z. B. stellt die Zurverfügungstellung von Verbrauchsgütern und zugehörigen Geräten – bspw. Drucker und spezialisierte Kartuschen zur Verwendung der Verbrauchsgüter – eine separate Leistungsverpflichtung dar, sofern die Verbrauchsgüter auch separat veräußert werden können).

Prinzipal-Agent-Beziehungen

Ist bei einer Lieferung von Waren bzw. der Erbringung von Dienstleistungen eine dritte Partei beteiligt, hat ein Unternehmen zu prüfen, ob es bei diesem Geschäftsvorfall als Prinzipal (Auftraggeber) oder als Agent (Vermittler) handelt. Diese Feststellung entscheidet darüber, ob das Unternehmen Umsatzerlöse brutto (Prinzipal) oder lediglich in Form einer Provision (Agent) und daher netto ausweist. Hat ein Unternehmen die Kontrolle über die Güter oder Dienstleistungen vor deren Übertragung an den Kunden, ist es als Prinzipal tätig. Um die Beurteilung der Beherrschung klarzustellen, hat der IASB die in den Anwendungsleitlinien genannten Beispiele geändert und zwei neue Beispiele hinzugefügt (IFRS 15.B34 bis IFRS 15.B38). Nach dem neu hinzugefügten IFRS 15.B35A kommt es im Fall der Beteiligung von Dritten bei der Bereitstellung von Gütern oder Dienstleistungen für eine Einstufung als Prinzipal darauf an, dass das Unternehmen

  • die Kontrolle über das Gut vor Übertragung an den Kunden innehat,
  • die Kontrolle über das Recht an einer von einer dritten Partei ausgeführten Dienstleistung innehat, was dem Unternehmen die Möglichkeit verschafft, der dritten Partei Anweisungen bei der Erfüllung der Dienstleistung zu geben, oder
  • das Gut oder die Dienstleistung des Dritten zusammen mit eigenen Gütern oder Dienstleistungen des Unternehmens kombiniert und die eigenen Unternehmensleistungen wesentlich sind.

Bei einem Vertrag mit mehreren unterscheidbaren Gütern oder Dienstleistungen kann ein Unternehmen für einige Güter Prinzipal und für andere wiederum Agent sein.

Um den Beherrschungsbegriff aus Sicht des Prinzipals besser interpretieren zu können, wurde das Vorliegen der Beherrschung durch die in IFRS 15.B37 genannten Indikatoren klarer gefasst und mit Erläuterungen versehen. Drei Indikatoren helfen bei der Abgrenzung zwischen Prinzipal und Agent. Ein Unternehmen ist Prinzipal, wenn es

  • die primäre Verantwortung für die Bereitstellung eines spezifischen Gutes oder einer spezifischen Dienstleistung trägt, d. h., das Unternehmen ist zur Sicherstellung der ordnungsmäßigen Übertragung in Übereinstimmung mit den Anforderungen des Kunden verpflichtet.
  • das Vorratsrisiko trägt. Dies liegt beispielsweise immer dann vor, wenn der Kunde ein Rückgaberecht hat oder das Unternehmen das Risiko des zufälligen Untergangs und des Absatzes trägt.
  • die Preissetzungshoheit für ein spezifischen Gut oder eine spezifische Dienstleistung innehat.

In seinem Änderungsentwurf hat der IASB weitere Beispiele zu Prinzipal-Agenten- Beziehungen aufgenommen und bestehende geändert.

Umsatzerlöse aus der Lizenzierung von geistigem Eigentum

Für die Umsatzrealisierung von Lizenzerträgen ist die Art der Lizenz entscheidend. Nach IFRS 15.B56 wird unterschieden, ob eine Lizenz das Recht auf Zugang zum geistigen Eigentum des Unternehmens einräumt, wie es über den Zeitraum der Lizenz (zeitraumbezogene Erfassung) oder wie es zum Zeitpunkt der Vergabe der Lizenz (zeitpunktbezogene Erfassung) besteht. Nach IFRS 15.B58 ist Voraussetzung für die zeitraumbezogene Realisierung, dass das Unternehmen entweder verpflichtet ist oder der Kunde erwarten kann, dass Aktivitäten zur wesentlichen Beeinflussung oder Veränderung des geistigen Eigentums vorgenommen werden. Diese Veränderung muss wesentlich, nicht jedoch rechtlich verpflichtend sein. Eine faktische Verpflichtung aus der Erwartungshaltung des Kunden ist ausreichend.

Der IASB stellt hinsichtlich der zeitraumbezogenen Realisierung von Lizenzerträgen nunmehr klar, wann Aktivitäten eines Unternehmens maßgebliche Auswirkungen auf das geistige Eigentum haben. Besitzt das geistige Eigentum, an dem ein Kunde Rechte hat, eine wesentliche eigenständige Funktionalität und zieht der Kunde aus dieser Funktionalität einen wesentlichen Nutzen (IFRS 15.B59A (a)), haben die Aktivitäten des Unternehmens nur dann wesentliche Auswirkungen auf das geistige Eigentum, wenn sie die Funktionalität signifikant ändern.

Eine wesentliche Auswirkung auf das geistige Eigentum ist ebenfalls dann zu unterstellen, wenn das Unternehmen durch seine Aktivitäten eine Aufrechterhaltung der Nutzenziehung ermöglicht (z. B. Markenpflege gem. IFRS 15.B59A (b)).

Mit den neu hinzugefügten IFRS 15.B63A und IFRS 15.B63B hat der IASB eine Erweiterung der Leitlinien zu umsatz- oder nutzungsbasierten Lizenzentgelten und der damit verbundenen Umsatzbegrenzung in den Standard aufgenommen. Gemäß der Ausnahmevorschrift in IFRS 15.B63 ist der Umsatz aus umsatz- oder nutzungsbasierten Lizenzentgelten für geistiges Eigentum erst zum späteren der beiden folgenden Zeitpunkte zu erfassen:

  • tatsächlicher Verkauf (umsatzbasierte Lizenzentgelte) bzw. erfolgte Nutzung (nutzungsbasierte Lizenzentgelte) durch den Lizenznehmer
  • Erfüllung der Leistungsverpflichtung, der alle oder ein Teil der umsatz- oder nutzungsbasierten Lizenzgebühren zugeordnet wurden

Diese Ausnahmevorschrift findet nur dann Anwendung, wenn sich die Lizenzentgelte ausschließlich (oder im Wesentlichen) auf die Nutzung geistigen Eigentums beziehen. Umsatz- und nutzungsabhängige Lizenzentgelte sollen einheitlich nach dieser Ausnahmevorschrift – sofern diese einschlägig ist – erfasst werden. Andernfalls gelten die Vorschriften für variable Vergütungen.

Erleichterungsvorschriften für den Übergang auf IFRS 15

Bei der Umsetzung von IFRS 15 haben Unternehmen ein Wahlrecht zwischen der vollständig retrospektiven Anwendung und einer modifiziert retrospektiven Anwendung. Die Klarstellungen an IFRS 15 sehen jetzt zwei weitere praktische Erleichterungen für erfüllte Verträge und Vertragsänderungen vor.

Bei Anwendung der vollständig retrospektiven Methode können Verträge, die zu Beginn der frühesten dargestellten Periode erfüllt waren, unberücksichtigt bleiben. Unternehmen können zudem bei der Identifizierung erfüllter und nicht erfüllter Leistungsverpflichtungen in einem Vertrag, der vor der frühesten dargestellten Periode geändert wurde, sowie bei der Bestimmung des Transaktionspreises nachträglich bessere Erkenntnisse rückwirkend nutzen. Bei Vertragsänderungen, die vor der frühesten dargestellten Vergleichsperiode vorgenommen wurden, ist es nunmehr ausreichend, dass lediglich der aggregierte Effekt der Änderungen bis zu diesem Zeitpunkt berücksichtigt wird. Eine retrospektive Anpassung ist dann nicht erforderlich.

Die Erleichterung bezüglich Vertragsänderungen kann auch von Unternehmen in Anspruch genommen werden, die die modifiziert retrospektive Methode bei der Umsetzung von IFRS 15 wählen.

Dies ist ein Beitrag aus unserem IFRS-Newsletter 2/2016. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.