Erfüllung des gesetzlichen Mindestlohns – Berücksichtigung von Sonderzahlungen

Nach Einführung des gesetzlichen Mindestlohns im Januar 2015 hat jetzt erstmals das Bundesarbeitsgericht (BAG) zur Mindestlohnwirksamkeit von (monatlich geleisteten) Sonderzahlungen geurteilt. In seiner Entscheidung vom 25.05.2016 (Gz. 5 AZR 135/16) hatte das BAG darüber zu befinden, ob Sonderzuwendungen (Urlaubsgeld/Weihnachtsgeld) auf den Mindestlohn nach dem Mindestlohngesetz (MiLoG) anrechenbar sind. Bisher ist lediglich die Pressemitteilung veröffentlicht.

Sachverhalt

Der Arbeitgeber, eine Krankenhaus-Servicegesellschaft, zahlte seinen Arbeitnehmern in der Vergangenheit aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung im Mai des laufenden Jahres Urlaubsgeld und mit dem Novembergehalt ein Weihnachtsgeld. Auf Grundlage einer im Dezember 2014 mit dem Betriebsrat geschlossenen Betriebsvereinbarung erfolgte die Auszahlung der Jahressonderzahlungen seit Januar 2015 allmonatlich zu je 1⁄12 des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes.

Das BAG hatte letztinstanzlich zu entscheiden, ob den monatlich geleisteten Sonderzahlungen Erfüllungswirkung in Bezug auf den Mindestlohnanspruch der Arbeitnehmer zukommt.

Entscheidung

Das BAG hat dies bejaht und bestätigt damit im Ergebnis die Auffassung der Vorinstanz (Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12.01.2016 – 19 Sa 1851/15), dass Sonderzahlungen auf den Mindestlohnanspruch anrechenbar sein können.

Nach den Ausführungen des Landesarbeitsgerichtes (LAG) Berlin-Brandenburg ist für die Beurteilung der Zweck der Sonderzahlung entscheidend. Wenn diese – wie der Mindestlohn – die erbrachte normale Arbeitsleistung des Arbeitnehmers vergütet („funktionale Gleichwertigkeit“), erfüllt auch die Sonderzahlung Mindestlohnansprüche der Arbeitnehmer.

Das LAG Berlin-Brandenburg hatte umfassend geprüft, welchen Zweck der Arbeitgeber mit den Sonderzahlungen verfolgt. Der Bezeichnung der Sonderzahlung als Urlaubs-/Weihnachtsgeld maß es hier keine entscheidende Bedeutung bei. Vielmehr sei anhand der Leistungsvoraussetzungen zu ermessen, ob mit der Sonderzahlung anderweitige Zwecke verfolgt werden (z. B. Betriebstreue bei Wartezeiten oder Rückzahlungsverpflichtungen für den Fall, dass ein bestimmter Zeitpunkt des Fortbestands des Arbeitsverhältnisses nicht erreicht wird). Beim Urlaubsgeld sei unter anderem zu berücksichtigen, ob es von den Regelungen zum Urlaub abhängig ist (so z. B. wenn an die tatsächliche Urlaubsnahme geknüpft). Dann sei es keine weitere Gegenleistung für die erbrachte normale Arbeitsleistung, sondern auf die Wiederherstellung und den Erhalt der Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers gerichtet und in diesem Fall nicht auf den Mindestlohn anrechenbar.

Ist die Verpflichtung zur Leistung der Sonderzahlung tatsächlich nicht an weitere Voraussetzungen geknüpft als an die Dauer des Bestands des Arbeitsvertrages im jeweiligen Jahr und die Vergütungspflicht des Arbeitgebers, stellt dies eine „saisonale Sonderleistung“ dar, welche – vorbehaltlos und unwiderruflich geleistet – grundsätzlich auf den Mindestlohn anrechenbar ist.

Fazit

Ob das Bundesarbeitsgericht auch argumentativ den Ausführungen der Vorinstanz folgt, bleibt bis zum Vorliegen der Urteilsbegründung abzuwarten, ist aber wahrscheinlich.

Damit werden Sonderzahlungen – bei entsprechender Ausgestaltung – Mindestlohnansprüche der Arbeitnehmer erfüllen können.

Neben der Mindestlohnwirksamkeit der Sonderzahlungen gibt der vorliegende Rechtsstreit auch Anlass für Ausführungen zur Möglichkeit der Änderung individualarbeitsvertraglicher Regelungen zur Fälligkeit von Sonderzahlungen durch Betriebsvereinbarung sowie zur Berechnungsgrundlage für Zuschläge (Mindestlohn oder ggf. geringerer vertraglich vereinbarter Stundenlohn). Auch hier scheint das BAG – soweit aus der Pressemitteilung ersichtlich – der differenzierenden Auffassung des LAG Berlin-Brandenburg zu folgen, wonach Berechnungsgrundlage für Nachtarbeitszuschläge (mindestens) der gesetzliche Mindestlohn ist, für Sonn-, Feiertags- und Überstundenzuschläge aber auch ein geringerer vertraglich vereinbarter Stundenlohn zugrunde gelegt werden könne. Auch insofern bleibt die Begründung des Urteils des BAG abzuwarten.

Dies ist ein Beitrag aus unserem Health-Care-Newsletter 1-2016. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.