Terminservice- und Versorgungsgesetz: Beschränkung der MVZ-Gründereigenschaften und Erweiterung des Mindestsprechstundenangebots

20.12.2018 – Voraussichtlich zum 1.4.2019 soll das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) in Kraft treten. Der Kabinettsentwurf wurde am 26.9.2018 beschlossen. Neben der Erweiterung der Aufgaben der Terminservicestellen, Regelungen zu unterversorgten Gebieten, der Erweiterung des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung und Regelungen zur elektronischen Patientenakte sowie diversen Klarstellungen beinhaltet der Gesetzentwurf u. a. weitere zulassungsrechtliche Neuregelungen mit weitreichenden Implikationen für stationäre und ambulante Leistungserbringer.

Beschränkung und Erweiterung der MVZ-Gründereigenschaft

MZV-gründungsberechtigt sind seit dem 1.1.2012 lediglich noch zugelassene Ärzte, zugelassene Krankenhäuser, Erbringer nichtärztlicher Dialyseleistungen nach § 126 Abs. 3 SGB V, zugelassene oder ermächtigte gemeinnützige Träger sowie Kommunen. Mit dem TSVG soll auch anerkannten Praxisnetzen nach § 87b Abs. 2 Satz 3 SGB V in unterversorgten oder von Unterversorgung bedrohten Gebieten die Gründereigenschaft zugesprochen werden.

Die Gründung von MVZ durch Erbringer nichtärztlicher Dialyseleistungen nach § 126 Abs. 3 SGB V hingegen soll durch Neufassung von § 95 Abs. 1a SGB V dahingehend eingeschränkt werden, dass diese nur zur Gründung fachbezogener medizinischer Versorgungszentren berechtigt sind. Anders als der Referentenentwurf enthält der Kabinettsentwurf jedoch immerhin eine Regelung zum Bestandschutz, nach der die Zulassung von MVZ, die von Erbringern nichtärztlicher Dialyseleistungen nach § 126 Abs. 3 SGB V gegründet wurden und am Tag der Verkündung des Gesetztes bereits zugelassen sind, unabhängig von ihrem Versorgungsangebot fortgilt. Ziel der zusätzlichen Einschränkung ist gemäß der Entwurfsdokumentation die weitere Begrenzung des Einflusses von Kapitalinvestoren ohne medizinisch- fachlichen Bezug, die nach „Aufkauf entsprechender Leistungserbringer nach der bisherigen gesetzlichen Regelung auch zur Gründung fachfremder medizinischer Versorgungszentren (z. B. auch zahnärztlicher) […] berechtigt waren“.

Aufhorchen ließ im Zuge des laufenden Gesetzgebungsverfahrens zudem jüngst eine Empfehlung des Gesundheitsausschusses des Bundesrates, die zahlreiche teilweise alternativ formulierte weitergehende Einschränkungen vorsah. In seiner Sitzung am 23.11.2018 hat der Bundesrat zumindest einen der vorgeschlagenen inhaltlich weitergehenden Änderungsanträge und eine offen formulierte Bitte für das weitere Gesetzgebungsverfahren beschlossen (BR-Drs 504/18 (B), Anträge Nr. 15 und 16). Die zentrale inhaltliche Einschränkung für künftige MVZ-Gründungen richtet sich nach dem Willen des Bundesrates an von Plankrankenhäusern betriebene MVZ: Vorbehaltlich einer vom betreffenden Landesausschuss festgestellten (zumindest: drohenden) Unterversorgung sollen Krankenhäuser MVZ ausschließlich a) in demjenigen Planungsbereich betreiben dürfen, in dem das Krankenhaus seinen Sitz hat, und b) nur solche Fachgebiete vorhalten dürfen, für die sie einen krankenhausplanerisch festgestellten Versorgungsauftrag besitzen. Damit könnten u. a. im Vorfeld vor allem von der Bundeszahnärztekammer und der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung kritisierte unter Investorenbeteiligung krankenhausgetragene „Zahnarztketten“ weitgehend verhindert werden, da – worauf die genannten Selbstverwaltungsträger selbst hinweisen – „[…] Krankenhäuser mit zahnärztlichen Abteilungen versorgungstechnisch lediglich eine untergeordnete Rolle besetzen“.

Darüber hinaus bittet der Bundesrat um die Aufnahme weiterer geeigneter Regelungen, „um den feststellbaren und für das Versorgungsgeschehen und die Versorgungssicherheit schädlichen Monopolisierungstendenzen in der vertragsärztlichen Versorgung durch Medizinische Versorgungszentren (MVZ) wirksam zu begegnen“. Gemäß ihrer zwischenzeitlich bereits vorliegenden Gegenäußerung wird die Bundesregierung die genannten Vorschläge des Bundesrates „prüfen“. Die endgültige Positionierung der Bunderegierung ist mit Spannung zu erwarten.

Einschränkung der Nachbesetzbarkeit von Arztstellen

Das bislang unbeschränkt bestehende Nachbesetzungsrecht von mit angestellten Ärzten besetzten Arztstellen auf Antrag des MVZ bzw. Arztes, dem diese Arztstellen zugeordnet sind, soll unter den Ablehnungsvorbehalt der Zulassungsgremien gestellt werden, die den Nachbesetzungsantrag innerhalb von drei Monaten ablehnen können sollen, „wenn eine Nachbesetzung aus Gründen der vertragsärztlichen Versorgung nicht erforderlich ist.“ Laut Entwurfsbegründung soll dies dann nicht erforderlich sein, wenn eine Nachbesetzung wegen einer ausreichenden Versorgung in dem Planungsbereich nicht erforderlich ist. Bestehende Strukturen (z. B. Versorgungsangebote, Vergütungsvolumina) würden damit durch einen zusätzlichen Unsicherheitsfaktor „destabilisiert“ und die Realisierungsmöglichkeit getätigter Investitionen potenziell in Frage gestellt.

Zulassungsrechtliche Klarstellungen

Die sich durch divergierende Rechtsprechung ergebende Unsicherheit zur Frage, ob sich bei Verzicht von Vertragsärzten in gesperrten Planungsbereichen auf ihre Zulassung zugunsten einer Anstellung in einem MVZ bzw. bei einem Vertragsarzt der Vertragsarztsitz des verzichtenden Arztes in demselben Planungsbereich befinden muss, in dem auch das anstellende MVZ bzw. der anstellende Vertragsarzt seinen Sitz hat (so LSG Bayern, Urt. v. 16.1.2013 – L 12 KA 77/12; ablehnend SG Dresden, Beschl. v. 28.1.2015 – S 18 KA 253/14 ER) soll durch Neufassung von § 103 Abs. 4a und 4b SGB V dahingehend aufgelöst werden, dass die Tätigkeit in einem anderen Planungsbereich unschädlich ist.

Das Bundesverfassungsgericht hatte die in der (untergesetzlichen) Ärzte-Zulassungsverordnung enthaltene Vorschrift, wonach die erteilte Zulassung wiederrufen werden konnte, wenn der Praxisbetrieb nicht innerhalb von drei Monaten ab Zustellung des Zulassungsbescheides aufgenommen wird, für nichtig erklärt, weil es für diese Regelung an einer entsprechenden gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage fehle (Beschluss vom 26.9.2016 – 1 BvR 1326/15). Der Gesetzgeber möchte an der Regelung materiell festhalten und will die erwähnte Rechtsfolge nun direkt in § 95 Abs. 7 SGB V verankern.

Schließlich soll künftig neben der Reduktion des Versorgungsauftrages auf die Hälfte auch die Reduktion auf drei Viertel möglich sein.

Erweiterung des Mindestsprechstundenangebots

Bislang sind Vertragsärzte verpflichtet, im Rahmen einer vollzeitigen vertragsärztlichen Tätigkeit für 20 Sprechstunden wöchentlich zur Verfügung zu stehen (§ 17 Abs. 1a Satz 1 BMV-Ä). Die Mindestsprechstundenzahl soll nun direkt in der Ärzte-ZV geregelt und durch Änderung von § 19a Ärzte-ZV auf 25 erhöht werden. Auf diese Weise sollen Wartezeiten auf Arzttermine verkürzt werden.

Völlig offen bleibt dabei aber, wie sich diese Erweiterung des Mindestsprechstundenangebots auf Kooperationen zwischen Vertragsärzten und Krankenhäusern auswirkt. Gemäß § 20 Abs. 1 Ärzte-ZV steht ein Beschäftigungsverhältnis oder eine andere nicht ehrenamtliche Tätigkeit der Eignung für die Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit entgegen, wenn der Arzt unter Berücksichtigung der Dauer und zeitlichen Lage der anderweitigen Tätigkeit den Versicherten nicht in dem seinem Versorgungsauftrag entsprechenden Umfang persönlich zur Verfügung steht und insbesondere nicht in der Lage ist, Sprechstunden zu den in der vertragsärztlichen Versorgung üblichen Zeiten anzubieten. Zwar ist die Tätigkeit in oder die Zusammenarbeit mit einem zugelassenen Krankenhaus nach § 108 SGB V oder einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung nach § 111 SGB XI mit der Tätigkeit des Vertragsarztes gemäß § 20 Abs. 2 Ärzte-ZV vereinbar. Ob ein Vertragsarzt nach der Erweiterung des Mindestsprechstundenangebots jedoch weiterhin mit nach der Rechtsprechung bisher zulässigen 13 Stunden wöchentlich in einem Krankenhaus tätig sein kann, bleibt abzuwarten.

Fazit

Wenn auch das letzte Wort zum Umfang der geplanten Änderungen noch nicht gesprochen ist, so stehen doch nicht unerhebliche Änderungen bevor. Wir beraten Sie gerne dabei, die Auswirkungen des Gesetzes einzuschätzen und wenn nötig abzufedern, und zwar sowohl im Zusammenhang mit allen rechtlichen und steuerlichen Fragen zu Gründung und Betrieb von MVZ als auch im Hinblick auf bestehende oder angedachte (sektorenübergreifende) Kooperationen.

Autoren

Norman Langhoff, LL.M.
Tel: +49 30 208 88-1430
norman.langhoff@mazars.de

Dr. Moritz Ulrich, M. mel
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moritz.ulrich@mazars.de

Dies ist ein Beitrag aus unserem Health-Care-Newsletter 2-2018. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen  Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.