Wichtige Änderungen für Arbeitgeber zum 1. August 2022 – Umsetzung der Arbeitsbedingungen-Richtlinie in deutsches Recht

In diesem Dokument werden die wichtigsten Fakten zur Umsetzung der sog. Arbeitsbedingungen-Richtlinie (EU/2019/1152) in Deutschland aufgezeigt. Arbeitgeber müssen handeln und unter anderem ihre Standard-Arbeitsverträge anpassen.

Insgesamt werden die folgenden Themen behandelt:

Spätestens zum 1. August 2022 musste die europäische Richtlinie EU/2019/1152 in deutsches Recht umgesetzt werden. Gleichzeitig wurde die bisherige Richtlinie EWG/91/533 (Nachweisrichtlinie) aufgehoben. Die Umsetzung in deutsches Recht ist pünktlich mit Wirkung zum 1. August 2022 in Kraft getreten.

Die europäische Arbeitsbedingungen-Richtlinie verfolgt das Ziel, die Arbeitsbedingungen aller Arbeitnehmer*innen zu verbessern, indem eine transparente und vorhersehbarere Beschäftigung gefördert und zugleich die Anpassungsfähigkeit des Arbeitsmarktes gewährleistet wird. Zur Erreichung dieses Ziels sieht die Arbeitsbedingungen-Richtlinie im Wesentlichen folgende Maßnahmen vor:

  • Erweiterung der bereits in der Nachweisrichtlinie vorgesehenen Pflicht des Arbeitgebers zur Unterrichtung über die wesentlichen Aspekte des Arbeitsverhältnisses (Unterrichtungs- und Nachweispflichten),
  • Festlegung von Mindestanforderungen an die Arbeitsbedingungen in Bezug auf die Höchstdauer einer Probezeit, Mehrfachbeschäftigung, Mindestvorhersehbarkeit der Arbeit, Ersuchen um einen Übergang zu einer anderen Arbeitsform sowie Pflichtfortbildungen,
  • Einführung von Durchsetzungsbestimmungen zur Sicherstellung der Umsetzung der neuen Anforderungen.

Die gravierendsten Änderungen haben sich im Nachweisgesetz ergeben. Es gilt, zukünftig umfassendere Informationen in den Arbeitsvertrag oder in eine Niederschrift über wesentliche Vertragsbedingungen des Arbeitsverhältnisses/Nachweisblatt aufzunehmen. So müssen beispielsweise nunmehr Regelungen zu Ruhezeiten/Pausenzeiten aufgenommen und ggf. die Dauer der Probezeit angepasst werden. Probleme ergeben sich unter anderem beim Arbeitnehmerbegriff, bei der elektronischen Form sowie dem bei der Kündigung „einzuhaltenden Verfahren“, welches neuerdings in die Niederschrift oder den Arbeitsvertrag aufzunehmen sind.

Die europäischen Mitgliedstaaten – so auch Deutschland –, mussten bis spätestens zum 31. Juli 2022 die Rechts- und Verwaltungsvorschriften umsetzen, die erforderlich sind, um den Vorgaben der Arbeitsbedingungenrichtlinie nachzukommen. Spätestens ab dem 1. August 2022 waren die in der Richtlinie festgelegten Rechte und Pflichten auf alle Arbeitsverhältnisse anzuwenden.

Was müssen Arbeitgeber beachten?

In alle neuen Arbeitsverträge sollten die erweiterten Informationen aufgenommen werden, sofern Beschäftigte hierüber nicht durch gesonderte Niederschrift informiert werden. Beschäftigten, deren Arbeitsverhältnisse nach dem 31. Juli 2022 beginnen, ist der Arbeitsvertrag oder die Niederschrift mit erweiterten Angaben spätestens am ersten Tag der Arbeitsleistung auszuhändigen (wobei das Nachweisgesetz hier zwischen Angaben unterscheidet, welche bereits zu Beginn des Arbeitsverhältnisses auszuhändigen sind, solchen, deren Mitteilung spätestens am 7. Kalendertag nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses und denen, die spätestens einen Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses auszuhändigen sind). Ferner müssen auch bereits bestehende Arbeitsverträge (also von Bestands-Beschäftigten) dahingehend überprüft werden, ob sie den neuen erweiterten Informationspflichten genügen. Sollte dies nicht der Fall sein, müssen Arbeitgeber vorbereitet sein: Auf Anträge der Arbeitnehmer*innen hat der Arbeitgeber binnen einer Woche (genauer: am 7. Tag nach Zugang der Aufforderung beim Arbeitgeber) den Mitarbeiter*innen eine Niederschrift über die wesentlichsten Angaben (Nummern 1-10 von § 2 Abs. 1 NachwG) zu überreichen bzw. zu übersenden. Die Niederschrift mit den übrigen Angaben ist spätestens einen Monat nach Zugang der Aufforderung auszuhändigen.

Daher müssen Arbeitgeber die neuen Vorgaben umsetzen. Muster-Arbeitsverträge für neueintretende Mitarbeiter*innen müssen angepasst oder zusätzliche Nachweisblätter entwickelt werden. Für die Bestands-Beschäftigten müssen entsprechende Nachweisblätter vorbereitet werden. Alternativ sind Ergänzungsvereinbarungen mit den Bestands-Beschäftigten abzuschließen.

Mögliche Sanktionen

Der Nachweispflicht nicht nachzukommen, stellt nunmehr eine Ordnungswidrigkeit dar und kann mit einem Bußgeld von bis zu EUR 2.000,00 für jeden Einzelfall geahndet werden.

Überlegungen im Gesetzgebungsverfahren, dass Arbeitgeber erst erfolglos aufgefordert werden müssen, den Mitarbeiter*innen die erforderlichen Informationen zur Verfügung zu stellen, wurden nicht umgesetzt. Ein Bußgeld kann daher von der zuständigen Behörde bereits beim ersten Verstoß verhängt werden.

Die Zuständigkeit für die Kontrolle und Ahndung wurde ebenfalls im Gesetzgebungsverfahren intensiv diskutiert: Die Regierungs-Koalitionen haben sich mit dem Vorschlag durchgesetzt, dass die Gewerbeaufsichtsämter und damit die Länder die Zuständigkeit bzw. Verantwortung erhalten. Vorschläge des Bundesrats (und damit der Länder), dass die Zuständigkeit beim Bund und dort beispielsweise bei der Bundesagentur für Arbeit oder beim Zoll liegen solle, wurden von der Bundesregierung nicht berücksichtigt.

Bußgelder sind nicht nur im Nachweisgesetz vorgesehen, sondern auch in anderen Gesetzen wie zum Beispiel dem Berufsbildungsgesetz und dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (§ 11 Abs. 1 S. 1, § 16 Abs. 1 Nr. 8 AÜG).

Die Nichterteilung aller erforderlichen Informationen hat ggf. auch prozessuale Konsequenzen für den Arbeitgeber hinsichtlich der Beweislage bei einer Auseinandersetzung mit den Mitarbeiter*innen. Die Nachweispflichten dienen nämlich auch der Beweissicherung über die vereinbarten Arbeitsbedingungen. Teilt der Arbeitgeber den Mitarbeiter*innen die relevanten Arbeitsbedingungen nicht ordnungsgemäß mit, so könnte dies – mehr noch als bislang – den  Mitarbeiter*innen in einem Gerichtsprozess beweiserleichternd zugutekommen. Der deutsche Gesetzgeber hat keinen Gebrauch davon gemacht, explizit Beweiserleichterungen oder eine Beweislastumkehr als Sanktionsmaßnahme festzulegen. Dennoch ist davon auszugehen, dass es Arbeitgebern zukünftig in Gerichtsprozessen noch schwerer fallen wird, ihre Rechte durchzusetzen, wenn sie ihren Nachweispflichten nicht ordnungsgemäß nachgekommen sind.

Ferner wird teilweise angenommen, dass Mitarbeiter*innen in bestimmten Fällen ihre Arbeitsleistung zurückhalten können, wenn der Arbeitgeber seinen Informations- bzw. Nachweispflichten nicht nachkommt. Dieser Aspekt wird allerdings sehr strittig diskutiert.

Die praktische Relevanz von (theoretisch denkbaren) Schadensersatzpflichten ist vermutlich gering. Dennoch sind sie denkbar. So macht sich ein Arbeitgeber ggf. schadensersatzpflichtig, wenn er es unterlässt, auf die maßgeblichen Kündigungsfristen hinzuweisen. Dies kann dazu führen, dass der Arbeitnehmer so zu stellen ist, wie er stehen würde, wenn er richtig informiert worden wäre.

Probleme dürften sich auch im Bereich der Compliance ergeben, da es immer stärker verbreitet ist, sich im Geschäftsverkehr die Einhaltung aller geltenden Gesetze bestätigen zu lassen (Verpflichtung zu Ethik- und Verhaltenskodex). Dies gilt im Besonderen bei der Teilnahme an öffentlichen Vergabeverfahren. Arbeitgeber haben die erweiterten Informations- bzw. Nachweispflichten daher auch als Teil ihrer Compliance-Management-Systeme zu verstehen. Diese sind auf die neuen gesetzlichen Vorgaben hin zu überprüfen.

Welche Gesetze haben sich geändert?

Im Zuge der Umsetzung der RL 2019/1152 haben sich Änderungen in folgenden Gesetzen ergeben:

  • Nachweisgesetz (NachwG)
  • Berufsbildungsgesetz (BBiG)
  • Handwerksordnung (HandwO)
  • Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG)
  • Seearbeitsgesetz (SeeArbG)
  • Gewerbeordnung (GewO)
  • Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG)
  • PTA-Berufsgesetz, Notfallsanitätergesetz, Anästhesietechnische- und Operationstechnische-Assistenten-Gesetz

Wurde die Richtlinie pünktlich in deutsches Recht umgesetzt?

Die Richtlinie musste bis zum 31. Juli 2022 in nationales Recht umgesetzt werden. Der deutsche Gesetzgeber hat die Richtlinie rechtzeitig in deutsches Recht umgesetzt. Die Änderungen gelten seit dem 1. August 2022.

Was sind die wichtigsten Neuerungen?

Nachweisgesetz

Im Nachweisgesetz wurde der Katalog der wesentlichen Vertragsbedingungen, die aufgenommen werden müssen, deutlich erweitert. Dabei gilt er nunmehr für alle Mitarbeiter*innen – unabhängig von der Art und Dauer ihrer Beschäftigung. Der Empfehlung des Wirtschaftsausschusses des Bundesrates, vorübergehende Aushilfen von höchstens einem Monat auch weiterhin vom Anwendungsbereich auszunehmen, ist der Gesetzgeber nicht gefolgt. Die Anforderungen des Nachweisgesetzes gelten ausnahmslos für sämtliche Arbeitnehmer*innen.

Künftig muss zusätzlich über die vereinbarte Arbeitszeit sowie vereinbarte Ruhepausen und Ruhezeiten informiert werden. Dabei genügt es nicht, einfach nur auf das Arbeitszeitgesetz zu verweisen. Vielmehr ist es erforderlich, dass Regelungen im Arbeitsvertrag (bzw. im Nachweisblatt) aufgenommen werden.

Ferner ist über das bei der Kündigung „einzuhaltende Verfahren zu informieren. Dies umfasst mindestens Angaben zu Schriftformerfordernis, Kündigungsfristen und Fristen zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage. Auch hier ist ein Verweis auf die geltenden gesetzlichen Bestimmungen nicht ausreichend, sodass die entsprechenden Bestimmungen selbst in die Arbeitsverträge oder das Nachweisblatt (bzw. eine Anlage hierzu) übernommen werden müssen. Etwas anderes gilt nur, wenn man auf die gesetzlichen Kündigungsfristen des § 622 BGB verweisen möchte. Hier genügt ein Verweis auf das Gesetz.

Außerdem müssen Angaben zur Dauer der Probezeit sowie der Möglichkeit der Anordnung von Überstunden und deren Voraussetzungen ergänzt werden.

Neu ist auch, dass die wesentlichen Vertragsbedingungen den Mitarbeiter*innen in Form einer Niederschrift nunmehr grundsätzlich innerhalb einer Woche ab Beginn des Arbeitsverhältnisses zur Verfügung zu stellen sind (wobei für einzelne Angaben eine spätere Aushändigung genügen soll); Änderungen über wesentliche Vertragsbedingungen sind spätestens an dem Tag mitzuteilen, an dem sie wirksam werden. Auch für bereits bestehende Arbeitsverhältnisse ist den Mitarbeiter*innen auf ihr Verlangen hin eine Niederschrift vorzulegen.

Mitarbeiter*innen, die ihre Arbeitsleistung länger als vier aufeinanderfolgende Wochen außerhalb der Bundesrepublik Deutschland zu erbringen haben, hat der Arbeitgeber eine Niederschrift auszuhändigen mit allen wesentlichen Informationen, insbesondere dem Land, in dem die Arbeit geleistet werden soll und der Währung, in der die Entlohnung erfolgt. Bei Auslandsaufenthalten, die unter die Entsenderichtlinie fallen, sind zusätzlich Angaben über die Entlohnung zu machen, sowie ein Link zu einer offiziellen nationalen Website nach der „IMI-Verordnung” anzugeben.

Es bestehen nach wie vor Unklarheiten, wie mit einzelnen Regelungspunkten konkret umzugehen ist. Die Praxis hat erste "Best-Practice-Ansätze" herausgearbeitet. Es bleiben aber Unsicherheiten, so dass offene Fragen erst in der Zukunft vor den Gerichten geklärt werden. Bis dahin tragen die Arbeitgeber das Risiko, in zu geringem Umfang informiert zu haben.

Berufsbildungsgesetz

Die erforderlichen Informationen für Auszubildende müssen um bestimmte Pflichtangaben, bspw. persönliche Angaben des Auszubildenden sowie Regelungen zu Überstunden, erweitert werden. Sollte die Vergütung aus verschiedenen Bestandteilen zusammengesetzt sein, ist neben Zahlung und Höhe der Vergütung auch über die Zusammensetzung der Vergütung zu informieren.

Außerdem muss der Arbeitgeber künftig über Ausbildungsmaßnahmen außerhalb der Ausbildungsstätte informieren. Dies ist immer dann problematisch, wenn bestimmte Orte (beispielsweise Baustellen) zum Zeitpunkt des Abschlusses des Ausbildungsvertrages noch nicht bekannt sind.

Kommt der Arbeitgeber diesen Pflichten nicht nach, stellt dies nunmehr ebenfalls eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einem Bußgeld von bis zu EUR 2.000 geahndet werden kann.

Es wurde darüber diskutiert, ob, wie beim Nachweisgesetz, eine Frist eingeführt werden sollte, innerhalb derer die Arbeitgeber auf Verlangen der bereits vor dem 1. August 2022 tätigen Auszubildenden über Neuerungen zu unterrichten haben. Dem ist der Gesetzgeber nicht nachgekommen. § 11 BBiG bleibt unverändert.

Arbeitnehmerüberlassungsgesetz

Den Beschäftigten (Leiharbeitnehmer) sind künftig vor jeder Überlassung die Daten des Entleihers (Name und Anschrift) in Textform mitzuteilen.

Um den Leiharbeitnehmern den Übergang in ein dauerhaftes Beschäftigungsverhältnis zu ermöglichen, hat der Entleiher einem Leiharbeitnehmer, der ihm seit mindestens sechs Monaten überlassen ist und der ihm in Textform den Wunsch nach dem Abschuss eines Arbeitsvertrages angezeigt hat, innerhalb eines Monats nach Zugang der Anzeige eine begründete Antwort in Textform mitzuteilen. Dies gilt nicht, wenn der Leiharbeitnehmer den Wunsch in den letzten zwölf Monaten bereits einmal geäußert hat. Unklar ist, wie detailliert eine „begründete Antwort” sein muss. Auf Leiharbeitgeber wird daher auf jeden Fall ein höherer bürokratischer Aufwand zukommen.

Kommt der Entleiher dieser Pflicht nicht nach, dann treffen ihn jedoch keine Sanktionen.

Gewerbeordnung

Muss der Arbeitgeber den Mitarbeiter*innen Pflichtfortbildungen anbieten, haben diese für die Mitarbeiter*innen kostenlos zu erfolgen und als Arbeitszeit angerechnet zu werden.

Teilzeit- und Befristungsgesetz

Wunsch nach Veränderung der Arbeitszeit

Mitarbeiter*innen, deren Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate bestanden hat, können dem Arbeitgeber den Wunsch nach Veränderung von Dauer und/oder Lage der Arbeitszeit anzeigen und müssen sodann innerhalb eines Monats eine begründete Antwort in Textform erhalten. Hat der Arbeitgeber innerhalb der letzten zwölf Monate bereits eine begründete Antwort in Textform erteilt, ist für die Antwort in Folgefällen eine mündliche Erklärung ausreichend.

Übergang in unbefristetes Arbeitsverhältnis

Gleiches gilt für den Wunsch der befristet Beschäftigten nach einem auf unbestimmte Zeit geschlossenen Arbeitsvertrag. Hierdurch soll den befristet Beschäftigten der Übergang in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis erleichtert werden. Der Arbeitgeber soll sich erklären, ob der Übergang in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis möglich ist.

Es gibt keine zahlenmäßige Beschränkung für die Häufigkeit der Äußerung dieser Wünsche. Kommt der Arbeitgeber seiner Pflicht nicht nach, hat dies jedoch keine Konsequenzen.

Abrufarbeit: Zeiten für die Erbringung von Arbeitsleistungen

Bei der Arbeit auf Abruf wird der Arbeitgeber zukünftig verpflichtet, zusätzlich einen Zeitrahmen (Referenzstunden und -tage) für die Mitarbeiter*innen festzulegen, in dem auf seine Aufforderung hin Arbeit stattfinden kann. Kommt der Arbeitgeber dem nicht nach (legt er also keine entsprechenden „Abruffenster“ fest), können die Mitarbeiter*innen die Arbeitsleistung verweigern. Der Lohnanspruch der Mitarbeiter*innen bleibt dennoch bestehen.

Probezeit

Bei befristeten Arbeitsverhältnissen muss eine vereinbarte Probezeit nunmehr im Verhältnis” zur Dauer und Art der Tätigkeit stehen. Auch hier ist unklar, wann die Länge einer Probezeit verhältnismäßig ist. Der Wirtschaftsausschuss des Bundesrats hatte sich dafür ausgesprochen, klarzustellen, dass bei Arbeitsverhältnissen von weniger als zwölf Monaten eine Probezeit von bis zur Hälfte der geplanten Dauer des Arbeitsverhältnisses verhältnismäßig ist. Dies wurde nicht vom Gesetzgeber übernommen, sodass auf die Konkretisierung durch die Rechtsprechung gewartet werden muss. Bis dahin tragen die Arbeitgeber das Risiko der Unverhältnismäßigkeit der Länge einer vereinbarten Probezeit. Ist eine Probezeit ihrer Länge nach nicht verhältnismäßig, ist die Vereinbarung dieser Probezeit unwirksam.

Ferner ist wichtig zu berücksichtigen, dass mit den neuen Anforderungen an die Länge der Probezeit bei befristeten Arbeitsverhältnissen nicht eine Änderung der sog. Wartezeit gem. § 1 Abs. 1 KSchG verbunden wird. Auch wenn die EU-Richtlinie eine andere Auslegung des Begriffs „Probezeit“ zulassen könnte, so geht der deutsche Gesetzgeber bewusst nur eine Änderung von § 15 TzBfG, nicht aber eine Änderung des § 1 KSchG an. Damit wird es zukünftig bei Befristungen von weniger als 12 Monaten Dauer zu der Situation kommen, dass eine vereinbarte Probezeit bereits abgelaufen ist, nicht aber die Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG. Damit wird es zukünftig auch Zeitfenster in den ersten sechs Monaten eines Arbeitsverhältnisses geben, in denen zwar die normale Kündigungsfrist (außerhalb einer Probezeit) zu berücksichtigen ist, aber der materielle Schutz des Kündigungsschutzgesetzes noch nicht greift. Hierauf müssen sich Arbeitgeber bewusst einstellen und ggf. ihre Arbeitsvertragsgestaltung entsprechend ausrichten.

Welche wichtigen Anwendungsfragen sind zu beachten?

Arbeitnehmerbegriff

Die Richtlinie legt Mindestrechte fest, die für alle Mitarbeiter*innen in der EU gelten, welche einen Arbeitsvertrag haben oder in einem Arbeitsverhältnis stehen, wobei die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu berücksichtigen ist.

Dies kann im Einzelfall zu Anwendungsschwierigkeiten führen, da der europäische Arbeitnehmerbegriff weiter ist als der nationale (deutsche).

Deutschland hat im Rahmen des Richtlinienverfahrens deutlich gemacht, dass es auf den nationalen Arbeitnehmerbegriff abstellen werde. Da dieser enger als der der Richtlinie wäre, würde dies dazu führen, dass der Anwendungsbereich ggf. entsprechend der Richtlinie unionsrechtskonform auszulegen wäre. Dies führt wiederum zu Anwendungsschwierigkeiten.

Es ist daher in jedem Einzelfall zu prüfen, ob die Arbeitgeber weitere Mitarbeitergruppen (z.B. Geschäftsführer*innen) miteinbeziehen wollen oder einen engeren nationalen Arbeitnehmerbegriff anwenden (welcher bestimmte Mitarbeitergruppen nicht umfasst).

Elektronische Form

Während die Richtlinie sowohl Papierform (d.h. echte Schriftform) als auch elektronische Form ausdrücklich zulässt, um Mitarbeiter*innen die erforderlichen Informationen zur Verfügung zu stellen, bleibt der deutsche Gesetzgeber dahinter zurück, indem die elektronische Form nach wie vor explizit ausgeschlossen ist.

Da dies gerade vor dem Hintergrund zunehmender Digitalisierung schwer nachvollziehbar ist, war eine intensive Diskussion um die echte Schriftform entbrannt. Die Regierungs-Koalitionen haben sich jedoch für die echte Schriftform entschieden. Die sog. Textform genügt nicht. Ferner ist die elektronische Form nach wie vor ausgeschlossen. Eine qualifizierte elektronische Signatur gem. § 126a BGB kann die echte Schriftform daher nicht ersetzen. Es muss daher nach wie vor echtes Papier mit echten Unterschriften benutzt werden.

„Einzuhaltendes Verfahren“ bei Kündigung

Der deutsche Gesetzgeber geht einen Schritt weiter als die Richtlinie und verlangt für eine vollständige Unterrichtung über das bei einer Kündigung „einzuhaltende Verfahren“ neben einer Unterrichtung über die jeweils einzuhaltenden Kündigungsfristen zusätzlich auch mindestens eine Unterrichtung über die Einhaltung des Schriftformerfordernisses sowie die Information über die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage nach § 4 KSchG. Hier bestehen Unsicherheiten hinsichtlich der Frage, wie detailliert die Unterrichtungen im Einzelfall sein müssen. Ein Verweis auf die geltenden gesetzlichen Bestimmungen (d.h. beispielsweise nach § 622 BGB) ist nicht ausreichend. Es spricht viel dafür, dass die entsprechenden Regelungen in den Arbeitsvertrag aufgenommen werden müssen (bspw. in einer Anlage zum Arbeitsvertrag). Arbeitgeber tun gut daran, im Zweifel eine Anlage zum Muster-Arbeitsvertrag zu erstellen, welche Auskunft über das einzuhaltende Verfahren nebst Fristen gibt.

Ruhepausen und Ruhezeiten

Die Richtlinie sieht vor, dass Beschäftigte über die Länge ihres „Standard“-Arbeitstages bzw. ihrer „Standard“-Arbeitswoche zu unterrichten sind.

Der deutsche Gesetzgeber geht darüber hinaus, indem er vorschreibt, dass die Mitarbeiter*innen auch über ihre Ruhepausen und Ruhezeiten sowie (bei Arbeit im Schichtsystem) den Schichtrhythmus zu informieren sind.

Unklar ist, ob und wie dezidiert der Arbeitgeber Regelungen des Arbeitszeitgesetzes wiederzugeben hat oder ob nur das Arbeitszeitsystem des jeweiligen Betriebes erläutert werden muss. Auch hier empfehlen wir, grundlegende Informationen zu Ruhepausen und Ruhezeiten darzustellen.

In jedem Fall ist also auch hierauf zu achten.

Arbeitgeber müssen handeln

Trotz verbleibender Unklarheiten: Klar ist, Arbeitgeber müssen die neuen Vorgaben umsetzen und ihre Standard-Arbeitsverträge anpassen oder Nachweisblätter entwickeln. Neu eintretende Mitarbeiter*innen werden umfangreiche Angaben in ihrem Arbeitsvertrag oder einem Nachweisblatt wiederfinden müssen, welche den neuen Vorgaben entsprechen. Aber auch bei den Bestands-Mitarbeiter*innen müssen die Arbeitgeber tätig werden: Arbeitgeber sollten ein Standard-Informationsschreiben/Nachweisblatt entwerfen, welches (in Ergänzung zum bestehenden Arbeitsvertrag) zumindest die gesetzlichen Neuerungen berücksichtigt und die Bestands-Beschäftigten „nach-informiert“. Hierbei haben die Arbeitgeber zu prüfen, ob sich für unterschiedliche Mitarbeitergruppen unterschiedliche Fassungen anbieten. Ferner sollten gerade die Arbeitsverträge der länger beschäftigten Mitarbeiter*innen überprüft werden: Sollte sich herausstellen, dass diese Arbeitsverträge – über die jüngsten Gesetzesänderungen hinaus – nicht den erforderlichen Standards entsprechen, so raten wir zum Abschluss von neuen Arbeitsverträgen bzw. Ergänzungsvereinbarungen. Arbeitgeber können dann ihr Bedürfnis, AGB-konforme Arbeitsverträge umzusetzen, mit den jüngsten Gesetzesvorgaben verbinden.

Schlussendlich dürfen Arbeitgeber nicht vergessen, dass es in der Personalabteilung zukünftig schlicht mehr zu organisieren und zu beachten gilt. Abstimmungs- und Organisationsprozesse müssen ggf. adjustiert und nachgebessert werden. HR-Mitarbeiter*innen sind ggf. hinsichtlich der neuen Anforderungen nachzuschulen.

Auch wenn die Neuerungen zu mehr Bürokratie führen, so müssen Arbeitgeber ein hohes Interesse an „HR Compliance“ und reibungslosen Prozessen haben. Es gibt also viel zu tun. Wir als Mazars unterstützen Sie hierbei gerne. Lassen Sie uns besprechen, ob Ihre Personalabteilung und Ihre Prozesse fit für die neuen Anforderungen sind. Auch bei der Neuausrichtung Ihrer Standard-Vertragsunterlagen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.

Checkliste für Arbeitgeber:

Überarbeitung Muster-Arbeitsverträge für neueintretende Beschäftigte

Durchsicht Arbeitsverträge der Bestands-Beschäftigten

Erstellung Informationsschreiben für Bestands-Beschäftigten

Schulung und Prozessanpassungen von HR bezogen auf neue Anforderungen

Überprüfung und Anpassung von HR-Compliance-Management-Anforderungen (HR CRM)