Verklammerung von Stromerzeugungsanlagen nach dem Stromsteuergesetz

Steuerbegünstigungen nach dem Stromsteuergesetz (StromStG) und dem Energiesteuergesetz (EnergieStG) sind häufig an die elektrische Nennleistung der Stromerzeugungsanlage geknüpft.

Entscheidend ist in diesem Zusammenhang regelmäßig, ob die Anlage eine elektrische Nennleistung von mehr als 2 Megawatt (MW) hat oder nicht. Nach der sog. Anlagenverklammerung können mehrere Stromerzeugungseinheiten für die Ermittlung der Anlagengröße als eine Anlage angesehen werden. Zur Frage, wann mehrere Anlagen verklammert werden können, hat das Finanzgericht (FG) Mecklenburg-Vorpommern am 14. Dezember 2022 (3 K 271/21) eine interessante Entscheidung getroffen.

Das FG Mecklenburg-Vorpommern hat entschieden, dass Blockheizkraftwerke (BHKW), die sich zwar nicht am selben Ort, jedoch in kurzer Entfernung zueinander befinden und darüber hinaus keine technischen Verbindungen oder gemeinsamen Steuerungsmöglichkeiten haben, nicht bereits aufgrund ihrer Fernsteuerbarkeit und der damit verbundenen Anlagenverklammerung als eine Stromerzeugungsanlage im Sinne des StromStG anzusehen sind.

Nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b) StromStG ist Strom, der in Anlagen mit einer elektrischen Nennleistung von bis zu 2 MW aus erneuerbaren Energieträgern oder in hocheffizienten Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen erzeugt wird und im räumlichen Zusammenhang selbst verbraucht oder an Letztverbraucher geliefert wird, steuerbefreit. Im zugrunde liegenden Rechtsstreit unterhielt die Klägerin sechs BHKW, für die sie die Befreiung von der Stromsteuer nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b) StromStG beantragte. Die Klägerin belieferte Letztverbraucher im räumlichen Zusammenhang mit den BHKW mit Strom. Die von der Klägerin betriebenen BHKW lagen verteilt über ein Stadtgebiet, die Nennleistung der einzelnen BHKW lag unterhalb des Schwellenwerts der Steuerbefreiung von 2 MW. Im Streitjahr wurden fünf dieser BHKW so umgerüstet, dass sie sich fernsteuern ließen.

Das zuständige Hauptzollamt war der Auffassung, dass die fünf fernsteuerbaren Anlagen nach § 12b Abs. 2 S. 1 StromStV (in der zum Zeitpunkt des Rechtsstreits gültigen Fassung) als eine einzige Anlage zu verklammern seien. Demnach seien mehrere Anlagen, die zum Zwecke der Stromerzeugung zentral gesteuert werden und bei denen der erzeugte Strom zumindest teilweise in ein Versorgungsnetz eingespeist werden soll, für Zwecke der Steuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b) StromStG als eine einzige Anlage zu behandeln. Da die Nennleistung der Stromerzeugungsanlagen über 2 MW liege, käme die Steuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b) StromStG für die Klägerin daher nicht in Betracht.

Das FG Mecklenburg-Vorpommern hat die Voraussetzungen einer Verklammerung der Anlagen nicht als erfüllt angesehen. Gegen eine Verklammerung spreche, dass die Anlagen räumlich einige Kilometer voneinander entfernt seien, also sich nicht etwa in einem Gebäude oder auf einem Betriebsgelände befinden. Weiterhin bestünden keine technischen Verbindungen oder gemeinsamen Steuerungsmöglichkeiten, die trotz der räumlichen Trennung das Vorliegen einer einzelnen Anlage begründen könnten. Eine Fernsteuerbarkeit sei zwar gegeben – diese diene jedoch lediglich dazu, die Stromerzeugung der einzelnen BHKW zu reduzieren. Es läge gerade keine zentrale Steuerung wie beispielsweise bei sog. virtuellen Kraftwerken vor. Bei virtuellen Kraftwerken werden mehrere Stromerzeugungseinheiten, die nicht miteinander verbunden sind, zentral gesteuert, um im Ergebnis die Wirkung eines größeren Kraftwerks zu erzielen. Solche Kraftwerke sollen, unter anderem zur Sicherung des Wettbewerbs, von der Steuerbefreiung ausgenommen sein.

Bedeutung für die Praxis  

Nach der aktuell gültigen Fassung des § 12b Abs. 2 S. 1 StromStV liegt eine zentrale Steuerung von Anlagen insbesondere vor, wenn diese Anlagen nach § 36 EEG fernsteuerbar sind. Die Fernsteuerbarkeit nach dem EEG ist Voraussetzung für den Erhalt einer Marktprämie. Hierzu stellte das FG Mecklenburg-Vorpommern fest, dass die Stromsteuerbefreiung nicht immer dann ausgeschlossen werden könne, wenn die Voraussetzungen der EEG-Marktprämie erfüllt sind. Diese Begünstigungen nach dem EEG und dem StromStG könnten vielmehr nebeneinander bestehen.

Insofern sollten bei einer vom Hauptzollamt geforderten Anlagenverklammerung auch nach aktueller Rechtslage stets die im Einzelfall vorliegenden Umstände, etwaige gemeinsame Steuerungsmöglichkeiten sowie technische Verbindungen zwischen den Anlagen geprüft werden. Die Prüfung, ob eine Anlagenverklammerung vorzunehmen ist, muss also immer unter Berücksichtigung der Gegebenheiten des Einzelfalls erfolgen.

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