Geplante Krankenhausreform – eine Darstellung der Reaktionen zur beabsichtigten Neuaufstellung der Krankenhausfinanzierung

Die geplante Krankenhausreform soll die Qualität der medizinischen Versorgung flächendeckend verbessern und die finanzielle Situation der Krankenhäuser stabilisieren. Ein zentraler Aspekt der Reform ist die teilweise Umstellung der Krankenhausfinanzierung auf Vorhalteleistungen, die an Versorgungsstufen (Level) und Leistungsgruppen gekoppelt ist.

Über die Einzelheiten hierzu hat mein Kollege Dr. Moritz Ulrich im Newsletter Healthcare 1/2023 ausführlich berichtet. Im Folgenden werden die Reaktionen beteiligter Akteure auf die am 6. Dezember 2022 von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach vorgestellten Reformvorschläge dargestellt, die insbesondere im Hinblick auf die Finanzierung der Reform sowie die bestehenden Bund-Länder-Kompetenzen nicht mit Kritik gespart haben.

Reaktionen der Länder

Bayern (d. h. die Bayerische Staatsregierung, die Landkreise und Städte sowie die Bayerische Krankenhausgesellschaft) warnte u. a. vor „verheerenden Folgen“ bzw. einer „Schneise der Verwüstung“ für die heimische Krankenhauslandschaft, sollten die angekündigten Reformen des Bundes umgesetzt werden. Der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek betonte, dass sich das Land nicht grundsätzlich gegen eine Reform sperre. Gleichwohl seien die Vorschläge, bei denen es sich nach Ansicht von Roland Engehausen (Geschäftsführer der Bayerischen Krankenhausgesellschaft) allenfalls um eine „Ideensammlung“ handeln könne, nicht umsetzbar. 40 Prozent aller Geburtshilfestationen in Bayern würden der Reform zum Opfer fallen, nur 42 große Kliniken könnten nach den vorliegenden Vorschlägen eine Vollversorgung anbieten. Klaus Holetschek, aber auch Hamburgs Gesundheitssenatorin Melanie Schlotzhauer forderten daher Öffnungsklauseln, die es den einzelnen Bundesländern ermöglichten, bei der Einstufung der Kliniken und der Zahlung der Vorhaltepauschalen von den bundesweiten Vorgaben abzuweichen.

Ähnlich argumentierte der niedersächsische Gesundheitsminister Andreas Philippi, dass insbesondere den Bedürfnissen der Flächenländer durch Abweichungsmöglichkeiten von den vorgesehenen Versorgungsstufen und Leistungsgruppen Rechnung getragen werden müsse. Zudem stellte er klar, dass mit der Krankenhausreform in Niedersachsen keine Krankenhäuser geschlossen werden sollen und bereits in diesem Jahr erste Umwandlungen in regionale Gesundheitszentren mit ca. 20 Betten geplant seien, die den stationären und ambulanten Bereich verknüpfen.

Auch der nordrhein-westfälische Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann kritisierte die Reformpläne des Bundes. Unter Verweis auf den eigenen „Krankenhausplan 2022“ (vgl. Newsletter 2/2020, 2/2021 und 1/2023) betonte er, dass die Krankenhausfinanzierung Ländersache bleiben müsse. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach warnte unterdessen vor einem Alleingang Nordrhein-Westfalens bei der bereits eingeleiteten Krankenhausreform im bevölkerungsreichsten Bundesland und drohte damit, dass die Reform „keine Geldströme“ auslösen werde.

Die schleswig-holsteinische Gesundheits- und Justizministerin Kerstin von der Decken kritisierte ebenfalls, dass die geplanten Reformpläne des Bundes in die Krankenhausplanung der Länder eingreifen und zu erheblichen Kostenfolgen führen würden. Ein von den drei Ländern Bayern, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten des Prof. Dr. Wollenschläger vom 17. April 2023 kommt zu dem Ergebnis, dass das Grundgesetz weder für das Krankenhauswesen im Allgemeinen noch für die Krankenhausplanung im Besonderen eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes vorsehe. Den Ländern müsse auch nach der Reform ein erheblicher eigenständiger Gestaltungsspielraum für die Krankenhäuser verbleiben. Von der Decken betonte ebenso wie Bayern und NRW, dass das Reformvorhaben des Bundes nach dem Gutachten nicht gescheitert sei, und stellte klar, dass die Reform nicht torpediert werden dürfe, sondern nur verfassungskonform ausgestaltet werden müsse.

Darüber hinaus wiesen zahlreiche Bundesländer darauf hin, dass nicht nur eine Umverteilung, sondern auch zusätzliche Mittel dringend erforderlich seien, um einerseits die Begleitkosten der Strukturreform abzudecken und andererseits die akuten Finanzprobleme der Krankenhäuser zu lösen.

Reaktion der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), der gesetzlichen Krankenkassen/- verbände, des Sozialverbandes VDK und des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA)

Nach Auffassung der DKG gehen die Pläne der Expertenkommission von einer „falschen Grundprämisse“ aus, da die Reform lediglich eine Umverteilung der bisherigen Finanzierungsmittel vorsehe. Das Erlösvolumen der Krankenhäuser müsse zu Beginn der Finanzierungsreform „sachgerecht und vollständig ausfinanziert“ sein. Konkret bedeute dies, dass die Betriebs- und Investitionskosten inflationsbereinigt um mindestens 15 bzw. 4 Mrd. € jährlich anzuheben seien. Darüber hinaus kommt eine von der DKG in Auftrag gegebene sogenannte Auswirkungsanalyse vom 13. Februar 2023 zu dem Ergebnis, dass von den rund 1.700 Krankenhausstandorten nach dem Modell des Bundes ca. 150 der Stufe III, ca. 82 der Stufe II und ca. 834 der Stufe In (Stufe Ii: 416; ohne Zuordnung: 215) zuzuordnen seien. Ein Großteil der heutigen Kliniken der Grund- und Regelversorgung mit ausgewählten Spezialisierungen könnte die nächsthöhere Stufe nicht erreichen und müsste ihre Spezialisierung aufgeben. Aufgrund der weitreichenden Konsequenzen für einzelne Krankenhausstandorte durch die geplante Neuordnung der Krankenhausfinanzierung, verbunden mit der Gefahr des Verlustes des Versorgungsauftrages oder/und weitreichender Umstrukturierungen, hat die DKG einen eigenen Reformvorschlag zur zukünftigen Krankenhausfinanzierung vorgelegt. Dieser sieht u. a. bundeseinheitliche Leistungsgruppen für die Krankenhausplanung (ohne Bindung an Level) vor, weiterhin ein länderübergreifendes Konzept zur Einstufung der Krankenhäuser, die Einrichtung eines Strukturfonds und Einführung einer Vorhaltefinanzierung, eine Offensive für die ambulante klinische Versorgung sowie den Ausbau von Medizinisch-Pflegerischen Versorgungszentren. Die Finanzierung des eigenen Reformvorschlages soll nach Auffassung der DKG durch eine Beteiligung von Bund, Ländern und der gesetzlichen Krankenversicherung sichergestellt werden.

Die Verbände der Krankenkassen (u. a. GKV-Spitzenverband und AOK-Bundesverband) betonten, dass es nicht darum gehe, die derzeitige Situation der Krankenhäuser nur geringfügig zu verändern, sondern die Versorgung grundsätzlich bedarfsgerecht und qualitätsgesichert auszurichten sowie die Krankenhausversorgung zukunftsfest zu machen. Die alleinige Forderung der Krankenhäuser nach weiteren Milliardenhilfen sei keine Lösung. Die Frage der Finanzierung müsse zwingend mit der Frage der Strukturveränderungen verknüpft werden. Sicherzustellen sei, dass nur bedarfsgerechte Strukturen aus Beitragsmitteln finanziert werden. In diesem Sinne böten die Krankenkassen ihre Unterstützung im Reformprozess an. Andreas Storm, Vorstandsvorsitzender der DAK-Gesundheit, rechnet für die geplante Krankenhausreform mit Kosten von bis zu 100 Mrd. € in den nächsten zehn Jahren und forderte dafür einen Sonderfonds. Der BKK Dachverband kritisierte, dass bei der geplanten Krankenhausreform die Frage der Investitionsfinanzierung nicht ausreichend berücksichtigt worden und eine Beteiligung der gesetzlichen Krankenkassen mit direkten Mitwirkungsrechten an der Reform notwendig sei. Für die Techniker Krankenkasse ist zudem nicht nachvollziehbar, dass die geplante Vergütung der Level-Ii-Krankenhäuser zukünftig ausschließlich über tagesbezogene Pauschalen erfolgen soll. Für den Sozialverband VdK seien die Reformpläne zwar ein „Schritt in die richtige Richtung“, die Fallpauschalen müssten aber vollständig abgeschafft und zu einem System zurückgekehrt werden, das sich an den tatsächlichen Kosten einer angemessenen Versorgung ohne Gewinnorientierung orientiere. Der Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), Josef Hecken, warnte vor einer Kostenexplosion zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung durch die geplante Reform. Um diese nicht zu konterkarieren, dürfe es nicht zu viele Ausnahmeregelungen für die Länder geben. Der G-BA sei besser geeignet, die künftigen Strukturvorgaben für die Krankenhäuser zu erarbeiten.

Reaktion der Krankenhausbetreiber

Die Diakonie Deutschland und der Deutsche Evangelische Krankenhausverband bewerteten das Reformkonzept der Bundesregierung als gute Grundlage für die Weiterentwicklung des Gesundheitswesens. Dagegen bezeichnete Thomas Lemke, Vorstandsvorsitzender der Sana Kliniken AG und Vizepräsident der DKG, die Reformpläne als „vollkommen lebensfremd“. Zwar verschließe auch er sich einer Reform nicht, doch müssten alle Akteure, also Bund, Länder, Selbstverwaltung und Leistungserbringer, einbezogen werden. Zudem müsse bei der Finanzierung „Ehrlichkeit“ einkehren. Ein Umbau der Krankenhausversorgung und -finanzierung erfordere Ressourcen, zudem sei die Finanzierung des Reformvorhabens zu klären. Der Bundesverband Deutscher Privatkliniken (BDPK) geht davon aus, dass bei unveränderter Umsetzung der Reform bis zu einem Drittel vor allem kleinerer Krankenhäuser schließen müssten. Wesentlicher Reformansatz sollte aus Sicht des BDPK die ambulante Öffnung der Krankenhäuser und die Umwandlung nicht mehr bedarfsnotwendiger Krankenhäuser in ambulante Versorgungszentren sein. Entscheidend sei darüber hinaus, dass bei der Festlegung der vorgesehenen Versorgungsstufen die in Deutschland vorhandenen Fachkliniken berücksichtigt werden.

Aktueller Stand

Nach anhaltender Kritik hat Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Lauterbach am 23. März 2023 nach der Sitzung der „Bund-Länder-Gruppe zur Krankenhausreform“ eingelenkt und eine flexiblere Einteilung der Krankenhäuser in verschiedene Leistungsstufen, insbesondere in ländlichen Regionen, in Aussicht gestellt. In einem sog. „Diskussionsentwurf“ vom 5. Mai 2023 hat das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) nun vier sog. Folgenabschätzungen zur Krankenhausreform angekündigt. Im Rahmen der ersten Simulation werden die somatischen Leistungsgruppen des Krankenhausplans Nordrhein-Westfalen den drei von der Regierungskommission erarbeiteten Level zugeordnet. Diese Zuordnung, die sich am Notfallstufenkonzept des G-BA orientiert, ist laut BMG ein „Arbeitsinstrument“. Ziel sei es auch, eine flächendeckende Versorgung mit Geburten sicherzustellen, weshalb die Geburtshilfe als Leistungsgruppe grundsätzlich auch den Krankenhäusern zugeordnet werden könne, die nach der Reform zu den Grundversorgern (Level Ii) gehören. Darüber hinaus beabsichtigt das BMG die NRW-Leistungsgruppen allen Krankenhäusern in Deutschland auf der Basis der von ihnen derzeit erbrachten Leistungen zuzuordnen. Die Simulation soll aufzeigen, welche Krankenhäuser bereits heute die Qualitätskriterien der jeweiligen somatischen Leistungsgruppen erfüllen und somit die Leistungsgruppen erbringen könnten. Zudem soll ermittelt werden, welche Krankenhäuser aufgrund fehlender Strukturen bestimmte Leistungsgruppen nicht mehr erbringen könnten und welche Kliniken die Anforderungen der einzelnen Leistungsgruppen erfüllen würden, ohne dass diese unter Berücksichtigung der zugeordneten Level zu ihrem potenziellen Leistungsangebot passen. Schließlich soll für Fachkliniken (worunter auch berufsgenossenschaftliche Kliniken und Bundeswehrkrankenhäuser fallen), die für die Versorgung in „erheblichem Maße“ relevant sind, ein eigenes Level eingeführt werden. Es bleibt abzuwarten, ob der Bundesgesundheitsminister – wie angekündigt – am 23. Mai 2023 weitere neue Vorschläge zur Krankenhausreform vorlegt und damit die Bedenken der beteiligten Akteure (insbesondere der Länder) vollständig ausräumen kann.

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Autor

Alexander Greiff
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Dies ist ein Beitrag aus unserem Healthcare-Newsletter 2-2023. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.