Verfassungswidrigkeit der Erbschaftsteuer? Bayern macht Ernst

Mit lediglich rd. 11,4 Mrd. € festgesetzter Steuer nimmt die Erbschaft- und Schenkungsteuer einen eher geringen Anteil am Gesamtsteueraufkommen der Bundesrepublik Deutschland ein. Trotz der geringen Bedeutung erfreut sich das Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) stets großer Beliebtheit in der politischen und juristischen Diskussion und gilt seit Jahren als ständiger Vertreter beim Bundesverfassungsgericht.

Das Bundesland Bayern ist Ende 2022 mit seinem Antrag im Bundesrat hinsichtlich der Erhöhung der Freibeträge, Senkung der Steuersätze und einer Regionalisierung der Erbschaft- und Schenkungsteuer gescheitert. Nun hat das Bundesland einen Antrag auf ein Normenkontrollverfahren beim Bundesverfassungsgericht gestellt. Die Hüter der Verfassung sollen abermals über die Vereinbarkeit des geltenden ErbStG mit dem Grundgesetz urteilen.

Hintergrund

Aktuell beträgt der Freibetrag für Ehegatten und Lebenspartner 500.000 €. Kinder erhalten einen Freibetrag in Höhe von 400.000 €. Angesichts der hohen Inflation und der gestiegenen Grundbesitzwerte viel zu wenig – zumindest nach Auffassung des Bundeslandes Bayern.

Mit dem Antrag auf abstrakte Normenkontrolle beim Bundesverfassungsgericht soll mittels einer verfassungsrechtlichen Überprüfung der Weg für eine umfassende Reform der Erbschaft- und Schenkungsteuer geebnet werden. Das Bundesland Bayern ist der Ansicht, dass die im Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz geregelten persönlichen Freibeträge aufgrund der hohen Inflation und der gestiegenen Immobilienpreise nicht mehr zeitgemäß seien. Zudem hätten sich insbesondere die Grundstückswerte bundesweit sehr unterschiedlich entwickelt, sodass Bayern eine Regionalisierung der Erbschaft- und Schenkungsteuer anstrebt; aktuell blieben regionale Verhältnisse und Besonderheiten gänzlich unberücksichtigt.

Die Freibeträge bei der Erbschaftsteuer haben einen großen Teil ihrer Entlastungswirkung eingebüßt, da diese seit fast 15 Jahren unverändert sind

Bei der Ausgestaltung der Freibeträge hat das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber aufgegeben, sich an den Werten durchschnittlicher Einfamilienhäuser zu orientieren. Diese Vorgabe hat der Bundesgesetzgeber zwar mit der Erbschaftsteuerreform im Jahr 2008 berücksichtigt, jedoch wurden die geltenden Freibeträge nicht mehr an die Entwicklung der Wertverhältnisse angepasst. Die Belastungswirkung der Erbschaftsteuer habe sich dadurch – so das Land Bayern – mittlerweile gravierend erhöht, weil die Grundbesitzwerte in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen sind. Auch die zum 1. Januar 2023 in Kraft getretene Reform des Bewertungsrechts hat zu höheren Grundbesitzwerten geführt. Vor diesem Hintergrund haben die erbschaft- und schenkungsteuerlichen Freibeträge erheblich an ihrer Entlastungswirkung verloren.

Bedeutung für die Praxis

Soweit der Antrag auf abstrakte Normenkontrolle beim Bundesverfassungsgericht Erfolg hat, könnte dies nicht nur den Weg für eine Erhöhung der persönlichen Freibeträge und Senkung der Steuersätze ebnen, sondern zu einer erneuten umfassenden Reform des ErbStG führen. Auch mit Blick auf die 2025 anstehenden Bundestagswahlen, sollte die private Vermögensnachfolge nicht aus dem Auge verloren werden. Ob insbesondere die weitreichenden Steuerbefreiungen für Betriebsvermögen auch zukünftig Bestand haben werden, ist mehr als fraglich. Die zeitnahe Prüfung der eigenen Vermögensnachfolge ist empfehlenswert – „Besser wird’s (wohl) nicht“.   

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Autor

Sven-Oliver Stoklassa
Tel.: +49 30 208 88 1296

Dies ist ein Beitrag aus unserem Steuer-Newsletter 4/2023. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen oder weitere Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.