BFH nimmt zur ertragsteuerlichen Anerkennung von Nießbrauchsgestaltungen an GmbH-Anteilen Stellung und zeigt Fallstricke auf

Übertragungen von GmbH-Anteilen unter Vorbehalt eines Nießbrauchrechts erfreuen sich in der Gestaltungspraxis großer Beliebtheit und stellen ein vielseits genutztes Instrument im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge dar. Bei der oftmals erbschaft- und schenkungsteuerlich motivierten Gestaltung dürfen jedoch auch die ertragsteuerlichen Maßgaben nicht aus den Augen verloren werden.

Mit Urteil vom 14. Februar 2022 – VIII R 29/18 hat sich der BFH zu den ertragsteuerlichen Anforderungen einer Nießbrauchsgestaltung an Kapitalgesellschaftsanteilen positioniert. Danach sind die vorbehaltenen Einkünfte nur dann dem Nießbrauchsberechtigten steuerlich zuzurechnen, wenn ihm die Dispositionsbefugnis über die Einkunftsquelle eingeräumt ist und seine Rechtsposition über das bloße Empfangen der Einkünfte hinausgeht. Anderenfalls sind die Kapitaleinkünfte weiterhin dem Anteilseigner zuzurechnen und es drohen verdeckte Gewinnausschüttungen.

Sachverhalt

Die Klägerin hielt im Jahr 2004 jeweils 50 % der Geschäftsanteile an der A-GmbH, der B-GmbH und der C-GmbH in ihrem Privatvermögen. Die übrigen Geschäftsanteile hielt eine weitere natürliche Person X. Mit notariellem Vertrag bestellten die Klägerin und X an ihren Gesellschaftsanteilen der C-GmbH unentgeltlich einen 80%igen Quotennießbrauch zugunsten der A-GmbH. Mitverwaltungsrechte, insbesondere Stimmrechte, wurden nicht mitübertragen. Zudem wurden die nießbrauchsbelasteten Anteile an der C-GmbH in die B-GmbH eingebracht. Im Anschluss erfolgten auf Grundlage des Nießbrauchsrechts mehrere Ausschüttungen der C-GmbH unmittelbar an die A-GmbH.

Das Finanzamt erkannte den vorbehaltenen Nießbrauch zugunsten der A-GmbH mangels entsprechender Dispositionsbefugnis ertragsteuerlich nicht an und qualifizierte die Ausschüttungen an die A-GmbH als verdeckte Gewinnausschüttungen. Die hiergegen erhobene Klage blieb erfolglos. Der BFH bestätigte nun die Entscheidung des Hessischen FG, dass der Nießbrauch mangels Übertragung von Mitverwaltungsrechten steuerlich nicht anzuerkennen sei.

Hintergrund

Einkünfte sind demjenigen zuzurechnen, der den Tatbestand der Erzielung der Einkünfte erzielt. Einkünfte aus Kapitalvermögen sind grundsätzlich dem zivilrechtlichen Anteilseigner zuzurechnen. Eine hiervon abweichende Zurechnung kann erfolgen, wenn das zivilrechtliche Eigentum vom wirtschaftlichen Eigentum verdrängt wird.

Nach diesen Maßgaben ist dem Nießbraucher die Ausschüttung einkommensteuerlich nur dann zuzurechnen, wenn ihm die Dispositionsbefugnis über die Einkunftsquelle eingeräumt ist und er durch Mitverwaltungsrechte – insbesondere Stimmrechte oder durch Einräumung einer Stimmrechtsvollmacht – eine Rechtsposition innehat, mit der er „wie ein Gesellschafter“ Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft nehmen kann. Lediglich das bloße Empfangen der Einkünfte ist nicht ausreichend.     

Bedeutung für die Praxis

Die Entscheidung des BFH ist für die Gestaltungspraxis von großer Bedeutung und skizziert die ertragsteuerlichen Maßgaben für Übertragungen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge. Die steuerlichen Prämissen lassen sich beispielsweise auch auf die Übertragung von Wertpapierdepots unter Nießbrauchsvorbehalt übertragen. Inwieweit die Übertragung von Verwaltungsrechten auf den Nießbrauchsberechtigten zulässig ist, ist zivilrechtlich umstritten und noch nicht abschließend geklärt. Aus Vorsichtsgründen empfiehlt sich dennoch die entsprechende Übertragung von Stimmrechten nebst Einsatz weitreichender Stimmrechtsvollmachten zur Absicherung, um eine Zurechnung der Kapitalerträge beim Nießbrauchsberechtigten sicherzustellen.

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