Aussetzungszinsen von 6 % pro Jahr verfassungsrechtlich unbedenklich

Die Finanzgerichte halten Aussetzungszinsen von 0,5 % pro Monat bzw. 6 % pro Jahr für verfassungsgemäß. So erkannte zuletzt das Finanzgericht Münster im Urteil vom 8. März 2023 (6 K 2094/22 E) und im Eilbeschluss vom 10. Februar 2023 (3 V 2464/22) bei der genannten Zinshöhe keinen Verstoß gegen das Grundgesetz. Zuvor hatten bereits das Finanzgericht München mit Urteil vom 7. September 2022 (15 K 3 158/22) und das Finanzgericht Düsseldorf mit Beschluss vom 24. Januar 2023 (12 V 1597/22 A) ebenso entschieden.

Eine höchstrichterliche Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit des Aussetzungszinssatzes durch das Bundesverfassungsgericht oder den Bundesfinanzhof ist in nächster Zeit nicht zu erwarten.

Hintergrund

Die Höhe des Aussetzungszinssatzes ist, anders als bei Steuernachforderungen und
-erstattungen, für die der reguläre Zinssatz – infolge des „Zinsbeschlusses“ des Bundesverfassungsgerichts (siehe Mandanteninformation und Beitrag aus 2021) – für Zinszeiträume ab dem 1. Januar 2019 von 0,5 % auf 0,15 % pro Monat reduziert wurde, während der Niedrigzinsphase unverändert geblieben.

Aussetzungszinsen fallen an, wenn gegen einen Steuerbescheid Einspruch oder Klage erhoben wird und soweit der Rechtsbehelf am Ende erfolglos bleibt. Wird eine Steuer durch Bescheid festgesetzt, hat der Steuerpflichtige sie normalerweise zu zahlen. Die Einlegung von Rechtsbehelfen beseitigt diese Zahlungspflicht nicht. Nur wenn der Steuerpflichtige die Aussetzung der Vollziehung beantragt und wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides bestehen oder wenn Härtefälle vorliegen, wird die Zahlungspflicht für die Dauer der Überprüfung des Bescheids ausgesetzt.

Entscheidungen des Finanzgerichts Münster

Das Finanzgericht Münster hat keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit und lehnt es ab, reguläre Zinsen und Aussetzungszinsen automatisch gleich zu beurteilen, weil die Entstehung von Aussetzungszinsen von einem Verhalten des Steuerpflichtigen abhängt. Die Verzinsung und damit auch die Anwendung des Zinssatzes knüpfen an einen Antrag des Steuerpflichtigen an, der nur bei Erfolglosigkeit seines Rechtsbehelfs die Folgen seines selbst gestellten Antrags zu tragen hat. Soweit sein Rechtsbehelf hingegen Erfolg hat, fallen keine Aussetzungszinsen an. Belastet wird damit nur der, dessen Steuerfestsetzung im Ergebnis rechtmäßig war, der dies aber infrage gestellt und sich durch Beantragung der Aussetzung der Vollziehung dem Zinsrisiko ausgesetzt hat.

Zudem liege der Zweck der Aussetzungszinsen im Gegensatz zu regulären Zinsen nicht allein in der Abschöpfung eines Vorteilsausgleichs, sondern die Aussetzungszinsen sollen auch zur Vermeidung unnötiger Prozesse beitragen.

Bedeutung für die Praxis

Im Interesse der Steuerpflichtigen dürfte eine höchstrichterliche Klärung dieser Frage wünschenswert sein. Soweit ersichtlich, ist derzeit aber weder beim Bundesfinanzhof noch beim Bundesverfassungsgericht ein Verfahren anhängig, in dem über die Verfassungsmäßigkeit des gesetzlichen Zinssatzes für Aussetzungszinsen in der Niedrigzinsphase gestritten wird. Somit ist eine baldige höchstrichterliche Entscheidung kaum zu erwarten.

Betroffene sollten deshalb vor einem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung genau prüfen, ob sie das Zinsrisiko eingehen wollen und sollten nicht auf eine baldige Absenkung des Zinssatzes setzen.

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Dies ist ein Beitrag aus unserem Steuer-Newsletter 2/2023. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen oder weitere Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.