Einfluss der E-Rechnung auf die Rechnungslegungsprozesse

Eine erweiterte Perspektive zum Einstieg in das Thema

Stetig steigende Compliance-Anforderungen betreffend die (steuerlichen) Rechnungslegungsprozesse führen einerseits zu Effizienz-/Digitalisierungschancen durch Standardsetzung und andererseits ggf. zu Anpassungsaufwand und Risiken aus den sich daraus ergebenen Kontrollmöglichkeiten durch Behörden bei Erklärungsabgabe bzw. in der sich anschließenden Betriebsprüfungssituation: 

Bereits umgesetzt (Auszug): 

  • E-Bilanz 
  • GoBD (Datenbereitstellung für die Betriebsprüfung, Verfahrensdokumentation u. a.) 
  • angemessenes Tax CMS als Schutz vor Verdacht der Steuerhinterziehung 

In Planung/Umsetzung: 

  • E-Rechnung 
  • § 147b AO i. V. m. dem derzeit zur Diskussion stehenden Entwurf zur Buchführungsdatenschnittstellenverordnung (DSFinVBV) 
  • Einführung einer zunächst bis zum Jahr 2029 befristeten Erprobungsregelung zur Gewährung von Prüfungserleichterungen bei vorhandenem Tax CMS (Art. 97 § 38 EGAO) im DAC7-Umsetzungsgesetz vom 20. Dezember 2022 

Die behördlich eingeforderten Daten, Kontrollsysteme und Systembeschreibungen werden ab Verfügbarkeit intensiv mehrstufig verprobt. Die E-Bilanz-Daten und auch Steuerdeklarationsdaten sowie die neuen E-Rechnungen müssen diverse Plausibilitätskontrollhürden überwunden haben, um überhaupt erstellt/übermittelt werden zu können. Danach erfolgen im Veranlagungsverfahren und im Betriebsprüfungsverfahren weitere Abstimm- und Integritätskontrollen. Bei erkannten Auffälligkeiten werden dann Korrekturen und/oder weiter gehende Erläuterungen angefordert, und es kann zu Nachzahlungen aufgrund von Schätzungen oder steuerstrafrechtlichen Vorwürfen, bzw. einer § 14c UStG-Steuer- oder einem Vorsteuerabzugsverbot kommen. 

Dadurch steigt für die Steuerpflichtigen und Berater der Druck, stimmige sowie ordnungsgemäß strukturierte und dokumentierte Daten in ihren Rechnungslegungsprozessen zu erzeugen. Dies ist die Grundvoraussetzung für eine integre Erhebung und Übermittlung von Daten an die Finanzverwaltung. 

Organisationsbedarf

Die Neueinführung der E-Rechnung führt neben dem erwähnten Druck auf Integrität und Abstimmbarkeit in der gesamten (steuerlichen) Rechnungslegung in den Bereichen Ein- und Ausgangsrechnungen zu unterschiedlich erhöhtem Organisationsaufwand.

Während es bei den Eingangs-E-Rechnungenim Vergleich zu den herkömmlichen Papiereingangsrechnungen oder unstrukturierten PDF-Versionen vordergründig nur zu Vereinfachungen bei der Interpretation der Rechnungsdaten kommt (natürlich müssen die Rechnungen mit neuen Diensten oder Tools zumindest empfangen und gelesen werden können), steigt der Druck im Bereich der Ausgangsrechnungen, weil sich manuelle Rechnungserstellungen mit einfachen E-Rechnungs-Lösungen (bisher z. B. mit Office-Produkten erledigt) nur für Geschäftsmodelle mit sehr wenigen Ausgangsrechnungen anbieten.

Für Anwender fortgeschrittener und individuell ausgehandelter EDI-Lösungen würde der alternative Einsatz der E-Rechnung in den meisten Fällen zu deutlichen Rückschritten führen. Aus diesem Grunde müsste man ausgangs- und eingangsseitig zwischen manueller Bearbeitung, mehr oder weniger durchautomatisierter standardisierter E-Rechnungs-Bearbeitung und individuell ausgehandelter High-End-EDI-Bearbeitung unterscheiden.

Um Ausgangsrechnungen automatisiert erstellen zu können (i. d. R. Massendatenverarbeitung), müssen die Daten aus den ERP-Systemen so bereitgestellt werden, dass sie nachvollziehbar in die strukturierten Datenteile der E-Rechnungen eingesetzt werden können. Sofern das eingesetzte ERP-System derartige Schnittstellen nicht bereithält, müssen diese Daten z. B. durch den Einsatz eines BI-Tools aus verschiedenen Datentöpfen gesammelt und aufbereitet werden, bevor sie dann an ein E-Rechnungs-Tool oder einen E-Rechnungs-Dienst übergeben werden können.

Wenn man das Thema Vertraulichkeit einmal etwas zur Seite stellt, bieten sich E-Rechnungs-Portaldienstleister an, weil diese sowohl mit unterschiedlichen E-Rechnungs-Syntaxen als auch mit unterschiedlichen Sende- und Empfangskanälen und sämtlichen Plausibilitätskontrollen mutmaßlich umgehen können. Es kommt also nur darauf an, die Eingangs- und Ausgangsdatenschnittstellen zu diesen Dienstleistern konfigurieren zu können.

Das Format der E-Rechnung

Eine elektronische Rechnung (§ 14 Abs. 1 Satz 3 UStG-E) ist eine Rechnung, die in einem strukturierten elektronischen Format ausgestellt, übermittelt und empfangen wird und eine elektronische Verarbeitung ermöglicht. Das strukturierte elektronische Format muss der CEN-Norm EN 16931 (europäische Norm für die elektronische Rechnungsstellung) und nationalen Präzisierungen in Form einer Core Invoice Usage Specification (CIUS) entsprechen. Die deutsche CIUS wird durch die XRechnung definiert.

Das alternative hybride ZUGFeRD-Format ist ab Version 2.0.1 (Kombination aus PDF-Dokument und XML-Datei) mit der CEN-Norm und eben auch der deutschen CIUS konform. Bei ZUGFeRD soll verfahrenstechnisch sichergestellt werden, dass das PDF-Abbild identisch mit den strukturierten Daten ist. Dieses ZUGFeRD-Format soll im Grundsatz sowohl von PDF- als auch von XML-Verwendern genutzt werden, mit dann eben unterschiedlichen Verarbeitungs- und Validierungsprozessen.

Die Finanzverwaltung hat mit Schreiben vom 2. Oktober 2023 an die Verbände bestätigt, dass bei hybriden Rechnungsformaten künftig (entgegen Abschn. 14.4 Abs. 3 Satz 4 UStAE in der aktuellen Fassung)  der strukturierte Teil der führende sein soll.

Nach dem Wachstumschancengesetz in der Fassung des Finanzausschusses vom 17. November 2023, die in Bezug auf die E-Rechnung auch nicht von Änderungsempfehlungen des Vermittlungsausschusses betroffen ist, soll es auch möglich sein, dass Rechnungsaussteller und -empfänger ein anderes strukturiertes elektronisches Format vereinbaren. Dieses muss mit dem Format nach der CEN-Norm EN 16931 interoperabel sein oder es muss möglich sein, die erforderlichen Angaben richtig und vollständig in dieses Format zu extrahieren.

Der strukturierte Teil enthält verschiedene Felder, die nach unterschiedlichen Aspekten wie z. B. Rechnungskopf und Rechnungszeilen sowie Stamm- oder Bewegungsdaten organisiert sind. Einige Felder werden als Pflichtfelder gekennzeichnet, mit unterschiedlichen Ausprägungen. Einige Felder erlauben z. B. durch Format- oder Wertvorgaben nur bestimmte Eingaben.

Durch entsprechende Vorfragen, die nicht Bestandteil der E-Rechnung sind, werden bestimmte Bereiche kontextsensitiv aktiviert oder deaktiviert, was durch die jeweilige Erfassungslösung abgefangen werden sollte oder spätestens bei den Plausibilitätskontrollen vor Versendung bzw. beim Empfang auffallen sollte. Rechnungsempfänger können bei entsprechend geregelten AGB die Annahme bzw. Verarbeitung verweigern, bis eine im jeweiligen Kontext fehlerfreie Rechnung vorliegt.

Aufbau und Inhalt werden mehrstufig durch Syntaxschema, Geschäftsregeln aus der europäischen Norm EN 16931 und der nationalen CIUS vorgegeben.

Eine kursorische Durchsicht der Pflichtfelder der XRechnung (entnommen aus den Unterlagen der Zentralen Rechnungseingangsplattform des Bundes [ZRE Bund]) hat für uns ergeben, dass diese nicht alle Anforderungen aus dem UStG und auch nicht alle handelsrechtlichen Angabepflichten auf Geschäftsbriefen abdecken. Ob die Befüllung der Pflicht- und Kannfelder im konkreten Sachverhalt stimmig und compliant ist, kann teilweise aus der Rechnung mit weiter gehenden Logiken über die Pflichtfeldkontrollen (insbesondere die Geschäftsregeln) hinaus und teilweise nur unter Hinzuziehung weiterer Informationen (Bestellungen, Lieferscheine …) ermittelt werden. Spätestens zum Zeitpunkt der Betriebsprüfung hat die Finanzverwaltung dann solche Informationen zu Verprobungszwecken zur Hand.

Entwicklung – Auswirkungen für Unternehmen und Berater

Die aktuelle XRechnung wurde ursprünglich als Standard zur Abwicklung von B2G-Transaktionen (Business to Government) entwickelt. Jetzt soll sie als maßgebliche nationale CIUS auch auf B2B-Fälle bei innerdeutschen Umsätzen angewendet werden.

Wir gehen davon aus, dass ähnlich wie bei der E-Bilanz kontinuierlich auf verschiedenen Ebenen (z. B. Gesetze, Syntaxen, Portalanbietervorgaben, Branchenstandards …) gelernt und nachgesteuert wird. Unternehmen und Berater sowie deren Tool- und Rechnungsportaldienstleister müssen sich darauf einstellen, die etablierten Strukturen regelmäßig auf den Prüfstand stellen und ggf. Anpassungen vornehmen.

In einer idealen Welt (begrenzte Komplexität und ausreichende Mittel, Zeit und Know-how) und bei entsprechenden Skaleneffekten aufgrund der zu bearbeitenden Datenmengen kann die Einführung der E-Rechnung durchaus zu effizienteren und effektiveren Rechnungslegungsprozessen führen.

Ein Vollautomatisierungsansatz wird deshalb einschneidende Veränderungen in den eingesetzten Rechnungslegungsprozessen, -anwendungen und -dienstleistungen zur Folge haben. Die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, Portaldienstleistern und Beratern muss mutmaßlich ebenfalls komplett neu organisiert werden, vor allem im KMU-Umfeld.

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Dies ist ein Beitrag aus unserem Steuer-Newsletter 1/2024. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen oder weitere Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.