„Alles oder nichts!“ – Vorsicht beim Antrag auf erbschaftsteuerliche Vollverschonung für betriebliches Vermögen

Mit seinem Urteil vom 27. Oktober 2022 hat das FG Münster (3 K 3624/20 Erb) klargestellt, dass nach Beantragung der erbschaftsteuerlichen Optionsverschonung kein „Rückfall“ zur Regelverschonung möglich ist, wenn die Voraussetzungen für die Optionsverschonung nicht erfüllt sind (sog. „Optionsfalle“).

Hintergrund

Für die Übertragung von betrieblichem Vermögen im Rahmen von Erbschaften und Schenkungen existieren weitreichende Verschonungsregelungen (sog. Regel- und Optionsverschonung).

Im Rahmen der sog. Regelverschonung wird begünstigtes Vermögen bis zu einem Schwellenwert von 26 Mio. € in Höhe von 85 Prozent von der Erbschaft- oder Schenkungsteuer befreit. Im Gegensatz zur Regelverschonung muss die sog. Optionsverschonung vom Steuerpflichtigen aktiv und unwiderruflich beantragt werden. Bei Gewährung der Optionsverschonung kann das begünstigte Unternehmensvermögen vollumfänglich von der Erbschaft- oder Schenkungsteuer befreit werden. Allerdings gelten für die Optionsverschonung strenge Voraussetzungen, sodass beispielsweise das zulässige Verwaltungsvermögen (z. B. fremdvermieteter Grundbesitz) höchstens 20 Prozent betragen darf.

Urteil des FG Münster

In dem vom FG Münster zu entscheidenden Fall übertrug der Vater neben Gesellschaftsanteilen an einer OHG auch Grundbesitz schenkweise auf seinen Sohn. Der Grundbesitz stellte sich im Nachgang als einen erbschaftsteuerlich begünstigten Betrieb der Land- und Forstwirtschaft dar. Bereits in der Schenkungsteuererklärung wurde für den gesamten Erwerb des begünstigten Vermögens unwiderruflich die Optionsverschonung beantragt. Während das Finanzamt in vollem Umfang die Optionsverschonung für das land- und forstwirtschaftliche Vermögen gewährte, wurde für die Anteile an der OHG keine Steuerbefreiung anerkannt, da die Vermögensverwaltungsquote über 20 Prozent betrug und damit die Voraussetzungen für eine Vollverschonung nicht gegeben waren. Hiergegen richtete sich die Klage des Klägers, nach dem zumindest die 85-prozentige Regelverschonung zu gewähren wäre.  

Dem hat das FG Münster eine Absage erteilt und die Auffassung der Finanzverwaltung bestätigt. Aufgrund des wirksamen und unwiderruflichen Antrags auf Optionsverschonung kommt ein Rückfall auf die Regelverschonung nicht in Betracht. Dies soll selbst dann gelten, wenn die Voraussetzungen für eine Regelverschonung dem Grunde nach vorliegen. Die Schenkung der OHG-Anteile unterlag demnach der vollständigen Besteuerung.     

Bedeutung für die Praxis

Die Entscheidung reiht sich gnadenlos in die jüngere, verschärfte Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu den erbschaftsteuerlichen Steuerbefreiungen für betriebliches Vermögen ein. Inwieweit dies mit dem Sinn und Zweck des erbschaftsteuerlichen Verschonungsregimes in Einklang zu bringen ist, ist aus Sicht der Steuerpflichtigen mehr als zweifelhaft. Die Finanzverwaltung hat ihre oben dargestellte Auffassung nunmehr auch in ihren jüngsten Gleichlautenden Erlassen vom 22. Dezember 2023 länderübergreifend bekräftigt.

Insgesamt ist ein Antrag auf Vollverschonung im Vorfeld stets umfassend zu prüfen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der entsprechende Antrag auf Optionsverschonung nach neuer Ansicht des BFH und der Finanzverwaltung für jede wirtschaftliche Einheit separat gestellt werden kann. Es empfiehlt sich dabei, die Feststellung des schädlichen Verwaltungsvermögens zunächst abzuwarten und einen entsprechenden Optionsantrag bis zur materiellen Bestandskraft ggf. nachzuschieben. Das Revisionsverfahren ist vor dem BFH anhängig (II R 19/23). Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten.

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