FG Schleswig-Holstein zur Freistellung eines Übernahmegewinns bei grenzüberschreitender Verschmelzung

In seinem Urteil vom 24. März 2022 (1 K 181/19) hat das FG Schleswig-Holstein die Auffassung vertreten, dass es bei einer grenzüberschreitenden innergemeinschaftlichen Aufwärtsverschmelzung von Tochter-Kapitalgesellschaften auf ihre inländische Mutter-Kapitalgesellschaft mit der Fusionsrichtlinie vereinbar sei, 5 % des Übernahmegewinns als nicht abziehbare Betriebsausgaben anzusetzen und den Übernahmegewinn damit im Ergebnis nur zu 95 % steuerfrei zu stellen. Die tatsächlich angefallenen Transaktionskosten sollen den steuerfreien Übernahmegewinn mindern.

Hintergrund

Bei einer Verschmelzung von Körperschaften bleibt ein sich aus der Übernahme ergebender Gewinn oder Verlust abzüglich der Kosten für den Vermögensübergang bei der übernehmenden Körperschaft nach § 12 Abs. 2 UmwStG außer Ansatz. Es ist jedoch § 8b KStG anzuwenden, soweit der Gewinn (abzüglich der anteilig darauf entfallenden Kosten für den Vermögensübergang) dem Anteil der übernehmenden Körperschaft an der übertragenden Körperschaft entspricht. Im Fall einer Aufwärtsverschmelzung gelten danach 5 % vom Übernahmegewinn pauschal als nicht abziehbare Betriebsausgaben.

Die Fusionsrichtlinie soll es Unternehmen grds. ermöglichen, gezielte Umstrukturierungen steuerneutral vorzunehmen, um den Herausforderungen des gemeinsamen Marktes gerecht zu werden. Nach dem Zweck der Fusionsrichtlinie sollen grenzüberschreitende Fusionen im Vergleich zu entsprechenden Fusionen bei Gesellschaften desselben Mitgliedstaats nicht durch Beschränkungen aufgrund von steuerlichen Vorschriften der EU-Mitgliedstaaten behindert werden.

Sachverhalt

Die Klägerin, eine inländische GmbH, war Alleingesellschafterin von mehreren EU-Tochter-Kapitalgesellschaften. Diese wurden jeweils im Wege der grenzüberschreitenden Verschmelzung zu Buchwerten auf die Klägerin verschmolzen („Upstream-Merger“).

Während die Klägerin der Auffassung war, dass die Übernahmegewinne nach der Fusionsrichtlinie vollständig steuerfrei zu stellen seien, bezog das Finanzamt entsprechend den Vorgaben des deutschen Umwandlungssteuerrechts die Transaktionskosten in die Ermittlung der Übernahmegewinne ein und behandelte diese zu 5 % als nicht abziehbare Betriebsausgaben. Dagegen wandte sich die Klägerin.

Entscheidung

Das FG Schleswig-Holstein wies die Klage als unbegründet zurück, da die durch die Aufwärtsverschmelzungen entstandenen Kosten der Vermögensübergänge die steuerfrei zu stellenden Übernahmegewinne mindern und pauschal 5 % der positiven Übernahmeergebnisse als nicht abziehbare Betriebsausgaben dem steuerlichen Gewinn außerbilanziell wieder hinzuzurechnen seien. Dieses Ergebnis nach dem deutschem Umwandlungssteuerrecht sei auch mit den Regelungen der Fusionsrichtlinie vereinbar.

Nach den Vorstellungen des Richtliniengebers seien Übernahmegewinne durch Fusionen wertungsmäßig mit Gewinnausschüttungen vergleichbar. Zwar sehe die Fusionsrichtlinie, anders als die Mutter-Tochter-Richtlinie, nach dem Wortlaut keine Öffnungsklausel vor, wonach von den Mitgliedsstaaten ein pauschales Abzugsverbot von Kosten im Zusammenhang mit der Beteiligung vorgesehen werden könne. Dies führe jedoch nicht dazu, dass eine vergleichbare Regelung der Mitgliedstaaten im Anwendungsbereich der Fusionsrichtlinie als unzulässig anzusehen sei. Übernahmegewinne sollten daher grundsätzlich im gleichen Umfang steuerbefreit werden wie Gewinnausschüttungen i. S. d. Mutter-Tochter-Richtlinie. Die tatsächlich entstandenen Kosten der Vermögensübergänge seien bei der Ermittlung der steuerfrei zu stellenden Übernahmegewinne zu berücksichtigen.

Die Revision gegen das Urteil ist anhängig unter BFH I R 17/22.

Bedeutung für die Praxis

Die Frage, ob die nationalen Regelungen des deutschen Umwandlungssteuergesetzes zur umfassenden Anwendung von § 8b KStG mit den unionsrechtlichen Vorgaben vereinbar sind, war gerichtlich – soweit ersichtlich – bislang nicht entschieden worden Es bleibt abzuwarten, ob der BFH die Sichtweise des Finanzgerichts teilen wird. Vergleichbare Sachverhalte sollten daher verfahrensrechtlich offengehalten werden.

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Autor

Eike Christian Horsch
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Dies ist ein Beitrag aus unserem Steuer-Newsletter 3/2022. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen oder weitere Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.