BFH: Beendigung der Selbstnutzung des Familienheims – kein grundsätzlicher Wegfall der Erbschaftsteuerbefreiung

Mit Urteil vom 1. Dezember 2021 (Az. II R 1/21) hat der BFH entschieden, dass der*die Erwerber*in eines nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG erbschaftsteuerrechtlich begünstigten Eigenheims aus zwingenden Gründen an dessen Nutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert ist, wenn die Selbstnutzung objektiv unmöglich oder aus objektiven Gründen unzumutbar ist. Hierzu können auch gesundheitliche Beeinträchtigungen zählen.

Sachverhalt

Im Streitfall ist die Klägerin im Wege des Erbfalls zunächst Eigentümerin des mit ihrem verstorbenen Ehemann bewohnten Einfamilienhauses geworden und hat die Steuerbefreiung für das Familienheim nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG in Anspruch genommen. Nach knapp zwei Jahren veräußerte sie das Haus und zog in eine Eigentumswohnung. Das beklagte Finanzamt gewährte die Steuerbefreiung zunächst unter dem Vorbehalt der Nachprüfung, lehnte diese aber wegen Aufgabe der Selbstnutzung sodann ab. Die Klägerin berief sich im Rahmen des Einspruchs erfolglos darauf, dass der Tod ihres Ehemannes eine bereits bestandene Depression verschlechtert habe und der Entschluss, auszuziehen und das Haus zu veräußern, auf ärztlichem Rat beruhe. Das Finanzgericht wies die Klage erstinstanzlich ab, da keine zwingenden Gründe für die Aufgabe der Selbstnutzung vorgelegt haben.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Der BFH hat das erstinstanzliche Urteil nunmehr aufgehoben und die Sache an das Finanzgericht zurückverwiesen. Die Steuerbefreiung gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG setze voraus, dass der*die Erbe*Erbin für zehn Jahre das geerbte Familienheim selbst nutzt, es sei denn, er ist aus „zwingenden Gründen“ daran gehindert. Das Merkmal „zwingend“ erfasse dabei zum einen die objektive Unmöglichkeit der Selbstnutzung des Eigenheims. Zwingende Gründe seien aber nicht auf diese Fälle beschränkt. Erforderlich, aber auch ausreichend sei daher, wenn dem*der Erwerber*in aus objektiven Gründen die Selbstnutzung des Familienheims nicht mehr zuzumuten ist. Dies sei Gegenstand der tatsächlichen Würdigung durch das Finanzgericht. Maßgeblich ist die Gesamtwürdigung aller Tatsachen, wobei auch eine Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes durch weiteren Verbleib im Eigenheim zu einer Unzumutbarkeit eines Verbleibens führen könne.

Im Ergebnis hat der BFH die Vorentscheidung aufgehoben und an das Finanzgericht zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Das Finanzgericht habe im zweiten Rechtsgang, ggf. mithilfe ärztlicher Begutachtung, die geltend gemachte Erkrankung einschließlich Schwere und Verlauf zu prüfen.

Bedeutung für die Praxis

Die BFH-Entscheidung reiht sich in die Rechtsprechung des BFH in der jüngeren Vergangenheit zum Familienheim i. S. d. § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG ein: Die Selbstnutzung des Eigenheims muss für die Gewährung der Steuerbefreiung sowohl im Rahmen des Buchst. c) als auch im Rahmen des Buchst. b) des § 13 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG aus objektiven Gründen unmöglich oder unzumutbar geworden sein. Hiervon abzugrenzen sind rein persönliche oder wirtschaftliche Zweckmäßigkeitserwägungen. Im Ergebnis bleibt es bei einer Einzelfallbetrachtung, die durch das zuständige Finanzamt vorgenommen werden muss.

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Autorin

Dr. Kristina Frankus
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Dies ist ein Beitrag aus unserem Steuer-Newsletter 3/2022. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen oder weitere Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.