Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise – lang erwartete Klarstellung oder fortgesetzte Unsicherheit?

Das BMF löst mit 40-seitigen Grundsätzen sechs bestehende BMF-Schreiben ab und gibt verwaltungsinterne Handlungsleitlinien zur Korrektur von Einkünften gem. § 1 AStG aus, die für alle noch offenen Fälle gelten sollen.

Hintergrund

Lange bestand Unsicherheit, wie konkret die verschiedenen BMF-Schreiben (teilweise noch von 1983) mit Bezug zu Verrechnungspreisen ineinandergriffen oder gar im Zusammenhang mit den OECD-Verrechnungspreisrichtlinien (VPRL) anzuwenden waren. Mit Schreiben vom 14.07.2021 hat die Verwaltung reagiert und neben der Aufhebung bestehender BMF-Schreiben kurzerhand die OECD-VPRL zur Anlage dieses BMF-Schreibens gemacht. Es stellt sich die Frage, ob nunmehr einheitlich internationale Standards anzuwenden sind. Die Antwort lautet: ja, aber nicht ausschließlich. Anwendbar bleiben die „neuen“ Verwaltungsgrundsätze 2020 und die Verwaltungsgrundsätze zur Betriebsstättengewinnaufteilung.

Was wurde geregelt?

In vier Kapiteln beschreibt die Finanzverwaltung die Grundsätze der Einkünftekorrektur, geht auf die Bedeutung der OECD-VPRL ein, formuliert Verrechnungspreisleitlinien und gibt z. B. Hinweise zum Verhältnis zwischen Fremdvergleichspreis und Zollwert sowie zur Behandlung von Ausgleichszahlungen unter der Überschrift „Weitere allgemeine Grundsätze“. Es wird erwartet, dass zeitnah auch die bestehenden Verwaltungsgrundsätze (VWG) zur Funktionsverlagerung und zur Arbeitnehmerentsendung überarbeitet und integriert werden.

Bedeutung für die Praxis

Kapitel I illustriert an mehreren Beispielen, wie sich die Finanzverwaltung die Anwendung bestehender Korrekturvorschriften vorstellt. Diese sollen in Idealkonkurrenz und ohne vorrangige Anwendung des § 1 AStG grundsätzlich unabhängig und nebeneinander anwendbar sein. Während Kapitel II auf die maßgebliche Bedeutung der OECD-VPRL eingeht, widmet sich Kapitel III weitergehenden Konkretisierungen, um die gleichmäßige Besteuerung sicherzustellen.

Ein klares Bekenntnis zu Kapitel X der OECD-VPRL erfolgt bei konzerninternen Finanzierungen. Steuerpflichtige sollten den Fokus bei Loan-Benchmarkstudien verstärkt auf eine detaillierte Funktions- und Risikoanalyse legen und Verwendungszweck, Fähigkeit zur Rückzahlung, positive Renditeerwartung sowie übrige Konditionen sorgfältig beschreiben. Eine Beurteilung der Fremdüblichkeit der Darlehenshöhe wird einer Überprüfung der Angemessenheit der Verzinsung künftig vorangehen.

Konzerninterne Finanzierungsgesellschaften ohne Personalfunktionen, Substanz und Entscheidungsgewalt können keine Risikovergütung erhalten, sondern sind regelmäßig auf Basis eigener Kosten und eines Kostenaufschlags zu vergüten.

Eine Erleichterung für Steuerpflichtige stellt die Regelung dar, wonach Dienstleistungen mit geringer Wertschöpfung künftig ohne die Erstellung von Datenbankstudien pauschal mit einem Kostenaufschlag in Höhe von 5 % bepreist werden dürfen.

„Interessante“ Aussagen enthalten die VWG Verrechnungspreise (VP) zu sog. Dauerverlustunternehmen, die mehr als drei Jahre hintereinander Verluste erzielen. Es soll beurteilt werden, ob ein fremder Dritter unter vergleichbaren Umständen womöglich schon vom Markt verschwunden wäre und ob die Aufrechterhaltung der Geschäftstätigkeit nicht vielmehr eine Statthalter- oder Brückenkopffunktion darstellt und als Dienstleistung des „Am-Markt-Bleibens“ zu vergüten wäre. Wird im fünften Jahr kein angemessener Totalgewinn erzielt, soll die Festsetzung unangemessener Verrechnungspreise oder die fehlende Abrechnung gewisser Dienste ursächlich sein. Als Beurteilungsmaßstab hierfür wird das EBT herangezogen – während bisher (und international) eine Orientierung am EBIT erfolgte.

Die Finanzverwaltung wird ferner neben der Preisbildung konzerninterner Geschäfte verpflichtend auch die Beurteilung übriger Bedingungen wie Vertragslaufzeiten, Rückzahlungsmodalitäten, Vertragsänderungs- und Kündigungsmöglichkeiten vornehmen.

Bei Anwendung von Jahresendanpassungsklauseln wird eine wiederholte Ergebnisanpassung an den oberen oder unteren Wert der Bandbreite künftig als fremdunübliches Verhalten gewertet. Diese Restriktion ist sehr kritisch zu beurteilen, da regelmäßig jeder Wert innerhalb der ermittelten Bandbreite als fremdüblich gilt, sofern er gem. § 1 Abs. 3 a S. 4 AStG vom Steuerpflichtigen als wahrscheinlich glaubhaft gemacht werden kann.

Die Festsetzung bzw. Überprüfung von Lizenzgebühren soll standardmäßig statt mit der Preisvergleichsmethode durch hypothetischen Fremdvergleich erfolgen.

Fazit

Während die Anlehnung an internationale Standards grundsätzlich zu begrüßen ist, werden einzelne Auslegungsanweisungen deutlich verschärft, was vermutlich die Flexibilität in den Verhandlungen mit der Betriebsprüfung stark einschränken wird.

Haben Sie Fragen oder weiteren Informationsbedarf?

Sprechen Sie uns an

Autorin

Bettina Grothe
+49 30 208 88 1976

  

Dies ist ein Beitrag aus unserem Steuer-Newsletter 3/2021. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen oder weitere Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.