Keine Altersdiskriminierung bei Ablehnung eines Stellenbewerbers, der tarifliche Altersgrenze überschritten hat

Öffentliche Arbeitgeber, die auf Grundlage der Rentenaltersklauseln im TVöD ihre Arbeitnehmer bis zum Renteneintrittsalter beschäftigen, sind berechtigt, Stellenbewerber abzulehnen, die die tarifvertragliche Altersgrenze überschritten haben. Diese altersbedingte Schlechterstellung von Bewerbern, die das Rentenalter erreicht haben, stellt keine unzulässige Diskriminierung wegen des Alters dar, so das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm (Urteil vom 9. März 2023, Az. 11 Sa 948/22).

Der Kläger war ein im Juni 1952 geborener, seit einigen Jahren berenteter Lehrer. Dieser bewarb sich bei einem städtischen Gymnasium in Nordrhein- Westfalen auf eine Vertretungslehrerstelle im Umfang von 18 Wochenstunden für die Zeit von Februar bis August 2022 mit der Fächerkombination Deutsch und Philosophie/Praktische Philosophie. Neben dem Kläger bewarb sich ein jüngerer Lehrer, der aber nach Ansicht der Schulleitung fachlich weniger gut geeignet war. Die Schulleitung schlug den Pensionär zur Einstellung vor. Dies lehnte die zuständige Bezirksregierung unter Verweis auf den jüngeren Mitbewerber ab.

Das Arbeitsgericht Arnsberg wies die Klage des Pensionärs auf Zahlung einer Geldentschädigung wegen Altersdiskriminierung ab (Urteil vom 8. August 2022, Az. 2 Ca 29/22). Nunmehr hat das LAG Hamm auch die Berufung des pensionierten Bewerbers zurückgewiesen.

Begründet wurde die Entscheidung damit, dass die rechtlich zulässigen Rentenaltersklauseln im anzuwenden TVöD für die Weiterbeschäftigung von Lehren im Pensionsalter nur eine Ausnahmeregelung, etwa für noch nicht besetzte oder noch nicht zu besetzende Stellen, darstellt. Die Regelung könne nicht ohne Weiteres auf Neubewerbungen übertragen werden.

Insgesamt gehe es den Tarifvertragsparteien mit der Altersgrenze in § 33 Abs. 1 lit. a TVöD erkennbar nicht nur darum, eine zuverlässige Personalplanung zu ermöglichen, sondern grundsätzlich auch darum, eine ausgewogene Altersstruktur von jüngeren und älteren Beschäftigten zu schaffen, um über eine bessere Beschäftigungsverteilung zwischen den Generationen den Zugang jüngerer Personen zur Beschäftigung zu fördern. Diese Begründung brachte die Beklagte vor. Laut Gericht stellt dies eine ausreichende Rechtfertigung i. S. d. Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) dar. Es liegt demzufolge keine Diskriminierung vor. Das LAG Hamm hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) zugelassen.  

Es wird damit gerechnet, dass bei Einlegung der Revision das BAG der Entscheidung des LAG Hamm folgen wird. Dies hat das BAG in einem aktuellen Urteil bereits ziemlich deutlich anklingen lassen (BAG-Urteil vom 31. März 2022, Az. 8 AZR 238/21). Auch andere Gerichte sehen in dieser Vorgehensweise keine unzulässige Altersdiskriminierung (LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 3. März 2020, Az. 11 Sa 58/19).

Praxishinweise

Die Entscheidung kann auf Tarifverträge, die ebenfalls Rentenaltersklauseln enthalten, angewendet werden. Das LAG Hamm macht deutlich, dass zwischen bereits in Behörden oder Betrieben vorhandenen Belegschaften im Pensionsalter und Neubewerbern streng zu unterscheiden ist. Die Entscheidung weist zudem darauf hin, dass die Regelung des TVöD zur weiteren Beschäftigung von Beschäftigten im Pensionsalter allgemein eher als Ausnahmeregelungen verstanden werden kann. Ziel der Altersgrenze und legitimes Ziel i. S. d. AGG ist es, in Bezug auf das Alter ausgewogene Belegschaftsstrukturen zu schaffen und den Zugang jüngerer Personen zu fördern. Dahinter kann, wie die Entscheidung des LAG Hamm zeigt, sogar das Leistungsprinzip zurückstehen. Die Rechtfertigungsmöglichkeiten hängen insbesondere von den personalpolitischen Zielsetzungen ab und sind von den (öffentlichen) Arbeitgebern bei ihrer Personalauswahl in jedem Einzelfall zu prüfen.

Die Entscheidung des LAG Hamm und die künftige diesbezügliche Rechtsprechung des BAG haben zudem vor dem Hintergrund, dass angesichts der wirtschaftlichen und demografischen Entwicklung mehr Altersrentner*innen zurück in eine Beschäftigung zu streben scheinen, eine grundsätzliche Bedeutung.

Autor*innen

Marion Plesch
Tel: +49 30 208 88 1146

Maximilian Sprakel
Tel: +49 30 208 88 1633

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Dies ist ein Beitrag aus unserem Public Sector Newsletter 3-2023. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.