Von Lieferketten, Bußgeldern und Eigenerklärungen

Das Lieferkettensorgfaltsgesetz – abgekürzt auch LkSG und ob der Länge auch Lieferkettengesetz oder Sorgfaltspflichtengesetz genannt – ist schon am 16. Juli 2021 verkündet worden. Nun tritt es zum 1. Januar 2023 in Kraft. Seine Auswirkungen werden auch im Rahmen der öffentlichen Auftragsvergabe spürbar werden.

Öffentliche Auftraggeber selbst sind zwar nicht per se Adressat des LkSG, können aber auch Unternehmen i. S. d. rechtsformneutral formulierten § 1 Abs. 1 LkSG sein.

Unabhängig davon, ob sie selbst in den Anwendungsbereich fallen, sollen öffentliche Auftraggeber i. S. d. § 99 bzw. § 100 GWB ab dem 1. Januar 2023 nach § 22 LkSG sicherstellen, dass die von ihnen beauftragten Unternehmen nicht wegen eines Verstoßes gegen § 24 LkSG (Bußgeldkatalog) rechtskräftig mit einer Geldbuße belegt wurden. Erfasst sind hier beispielsweise Bußgelder wegen der Nichtfestlegung eines Menschenrechtsbeauftragten, das nicht oder nicht rechtzeitige Ergreifen von Präventions- bzw. Abhilfemaßnahmen, die fehlende Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens, die Nichterstellung bzw. die unterlassene Aufbewahrung der Dokumentation der Einhaltung der Sorgfaltspflichten u. ä. Die Geldbuße muss grundsätzlich einen Mindestbetrag von 175.000 € aufweisen, um vergaberechtlich relevant zu sein und zu einem Ausschluss von öffentlichen Aufträgen zu führen. In Ausnahmefällen ist die Wertgrenze jedoch auch höher.

Gem. § 128 Abs.1 GWB haben Unternehmen bei der Ausführung eines öffentlichen Auftrags alle für sie geltenden gesetzlichen Vorschriften einzuhalten. Dies bedeutet, dass das LkSG nicht nur bei der Ausführung öffentlicher Aufträge gilt, sondern dass öffentliche Auftraggeber auch berechtigt sind, sich über die Einhaltung dieses Gesetzes zu informieren. Entsprechend ist der Auftraggeber – ähnlich wie bei den §§ 123, 124 GWB – gehalten, zunächst über eine Eigenerklärung bei den Bietern/Bewerbern abzufragen, ob derartige Verstöße rechtskräftig festgestellt und eine Bebußung über der benannten Wertgrenze erfolgt ist. Soweit der Bieter den Zuschlag erhalten soll, wird die Richtigkeit seiner Angabe über einen Auszug aus dem Wettbewerbsregister belegt, in dem auch rechtskräftig festgestellte Verstöße gegen das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz aufgeführt werden sollen und für das seit dem 1. Juni 2022 eine Abfrageverpflichtung für öffentliche Auftraggeber besteht.

Empfehlenswert ist es, für die entsprechende Abfrage eine entsprechende Eigenerklärung zu erstellen, die den Vergabeunterlagen beigefügt wird. Einige Auftraggeber haben die Einhaltung des LkSG bereits vor dessen Inkrafttreten im Rahmen der Eignungsprüfung abgefragt. Da denklogisch eine rechtskräftige Feststellung des Verstoßes gegen das Lieferkettengesetz noch nicht erfolgt sein kann, da das Lieferkettengesetz erst zum 1. Januar 2023 in Kraft tritt, haben sich die jeweiligen Auftraggeber mit einer Abfrage zur Einhaltung einzelner Maßnahmen wie z. B. der Risikoanalyse, des Maßnahmeplans, der Überprüfung der Umsetzung und des Umgangs mit Lieferanten beholfen.

Eine solche Abfrage ist z. B. nach § 46 Abs. 3 Nr. 4 VgV zulässig. Auch eine Berücksichtigung im Zuge der Angebotswertung ist bei entsprechender Gestaltung der Wertungskriterien denkbar, solange ein ausreichender Bezug zur beschafften Leistung vorliegt. Ein solches Vorgehen geht jedoch über das ab dem 1. Januar 2023 verpflichtende Minimum hinaus, die Maßnahmen sind demnach nicht verpflichtend. Ausreichend ist zunächst eine Eigenerklärung, die Gegenstand der Ausschreibungsbedingungen wird. Zusätzliche Abfragen können ggf. einzelfallbezogen ergänzt werden.

Sofern durch einen Bieter ein Verstoß angegeben wird und auch eine Selbstreinigung i. S. d § 125 GWB noch nicht erfolgreich abgeschlossen ist, hat der Auftraggeber die Möglichkeit, den Bieter aus dem Verfahren auszuschließen. Anders als bei den Ausschlussgründen gem. § 124 GWB, bei deren Vorliegen der Auftraggeber Unternehmen ausschließen „kann“, ist das Ermessen vorliegend jedoch eingeschränkt. So „sollen“ die betroffenen Bieter grundsätzlich ausgeschlossen werden. Wann im Einzelfall von einem Ausschluss abgesehen werden darf, wird sich wohl erst durch die Spruchpraxis der Vergabekammern und Gerichte ergeben. Zu beachten ist, dass der Bieter vor einem Ausschluss anzuhören ist, um ggf. entlastende Umstände aufzuklären (§ 22 Abs. 3 LkSG).

Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass das Vorliegen entsprechender Tatbestände ab dem 1. Januar 2023 von den Bietern abzufragen und im Rahmen der Eignungsprüfung zu berücksichtigen ist. Dazu empfiehlt sich grundsätzlich die Abfrage im Rahmen einer Eigenerklärung von den Bietern. Wann tatsächlich mit den ersten Anwendungsfällen für die Ausschlussgründe zu rechnen sind, hängt maßgeblich davon ab, wie schnell eine Kontrolle und entsprechende Bebußung durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) erfolgt. Es liegt in der Verantwortung des BAFA, Verstöße gegen das LkSG festzustellen und diese mit entsprechenden Bußgeldern zu sanktionieren. Erst dann besteht für öffentliche Auftraggeber die Möglichkeit, den Ausschlussgrund des § 22 LkSG im Vergabeverfahren zur Anwendung zu bringen.

Autorinnen

Noreen Völker
Tel: +49 30 208 88 1190

Theresa Katharina Klemm
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Dies ist ein Beitrag aus unserem Public Sector Newsletter 4-2022. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.