Umgang mit Alt-Rahmenverträgen: kündigen oder laufen lassen?

Rahmenverträge sind bei öffentlichen Auftraggebern ein gern gewähltes vergaberechtliches Instrument, um die Beschaffung von Leistungen für einen längeren Zeitraum zu sichern. Vorteil dessen ist, dass eine zeit- und ressourcenaufwendige Ausschreibung nicht ständig wiederholt werden muss – auch wenn man den Beschaffungsbedarf noch nicht konkret festlegen kann oder will.

Seit der Vergaberechtsreform von 2016 schreibt § 21 VgV/§ 4a VOB/A EU eine Maximallaufzeit von vier Jahren und § 19 SektVO eine Maximallaufzeit von acht Jahren vor. Im Unterschwellenbereich gilt eine Höchstlaufzeit von sechs Jahren (§ 15 UVgO) bzw. vier Jahren (§ 4a VOB/A). Durch die Beschränkung der Laufzeit soll insbesondere verhindert werden, dass Aufträge langfristig dem Wettbewerb entzogen werden. Sie führen in der Regel auch dazu, dass das vereinbarte Entgelt den aktuellen Marktbedingungen entspricht. Zudem hat der EuGH mit Urteil vom 17. Juni 2021 (C-23/20 – Simonsen & Weel) festgestellt, dass in der Rahmenvereinbarung zwingend eine Höchstmenge oder ein Höchstwert zu vereinbaren ist, bei deren Erreichen eine Rahmenvereinbarung auch vor Ablauf der vereinbarten Laufzeit endet.

Was aber bedeutet das für den Umgang mit Rahmenverträgen, die die nach aktuell geltendem Recht vorgeschriebene Maximallaufzeit überschreiten, aber noch vor Einführung der Laufzeitregelungen abgeschlossen wurden?

Die gute Nachricht ist, dass ein aktive Verpflichtung zur Vertragskündigung durch den Auftraggeber nicht besteht. Bereits geschlossene Verträge können also grundsätzlich weitergeführt werden. Nichtsdestotrotz kann eine freiwillige Vertragskündigung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten sinnvoll sein. Denn die Vertragsbedingungen bilden die Marktbedingungen zum Zeitpunkt der Angebotseinholung ab. Ohne laufende Preisanpassungen entspricht der vereinbarte Preis daher u. U. nicht mehr der aktuellen Marktsituation: Sofern das vereinbarte Entgelt unter dem aktuellen Marktpreis liegt, ist der Auftraggeber in einer komfortablen Situation. Ist der Marktpreis jedoch niedriger als das vereinbarte Entgelt, kann eine proaktive Kündigung und eine entsprechende Neuausschreibung wirtschaftlich sinnvoll sein. Bei einer Neuausschreibung würde dann jedoch das neue Vergaberegime Anwendung finden. Hierzu zählt dann natürlich auch die Höchstlaufzeit.

Eine Neuausschreibung kann jedoch auch dann erforderlich werden, wenn der Altvertrag angepasst werden muss. Denn § 132 GWB findet auch auf Verträge Anwendung, die nach einem früheren Vergaberegime oder auch – mangels Ausschreibungspflicht – ursprünglich gar nicht ausgeschrieben wurden. Inwieweit Vertragsänderungen hiernach ausschreibungsfrei zulässig sind, ist im Einzelfall zu entscheiden. Zulässige Tatbestände sind:

  • das Vorhandensein einer klaren, genauen und eindeutig formulierten Überprüfungsklausel oder Option, die Angaben zu Art, Umfang und Voraussetzungen möglicher Auftragsänderungen enthält (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 GWB). Eine Option, die den vorgenannten Anforderungen entspricht, wird sich in den meisten Altverträgen erfahrungsgemäß nicht finden lassen;
  • die Erforderlichkeit von Anpassungen aufgrund zusätzlich erforderlich gewordener Leistungen oder nicht vorhersehbarer Umstände. Die Voraussetzungen ergeben sich im Einzelnen aus § 132 Abs. 2 und 3 GWB. Liegen die Voraussetzungen vor, darf der Preis jedoch um nicht mehr als 50 % des ursprünglichen Auftragswertes erhöht werden;
  • die Ersetzung des bisherigen Auftragnehmers durch einen neuen Auftragnehmer in eng begrenzten Fällen (§ 132 Abs. 2 Nr. 4 GWB);
  • außerdem sind Vertragsänderungen ausschreibungsfrei zulässig, wenn der Wert der Auftragsänderung den EU-Schwellenwert nicht erreicht und bei Liefer- und Dinestleistungsverträgen nicht mehr als 10 % und bei Bauaufträgen nicht mehr als 15 % des ursprünglichen Auftragswertes beträgt.

Dies gilt auch für Rahmenvereinbarungen, die den EU-Schwellenwert nicht erreichen. Hier wurde eine entsprechende Regelung in § 47 UVgO bzw. § 22 VOB/A aufgenommen.

Reine Vertragsverlängerungen bestehender Rahmenvereinbarungen werden sich nach den vorgenannten Tatbeständen wohl nur schwer begründen lassen. Bei inhaltlichen Änderungen wäre zu prüfen, ob die gesonderte Ausschreibung einer Rahmenvereinbarung über die zusätzlich erforderlich werdenden Leistungen sinnvoll ist oder die Neuausschreibung der gesamten Leistung unter Kündigung des Altvertrags angezeigt ist.

Zusammengefasst lässt sich noch einmal unterstreichen, dass eine Kündigungspflicht für Altverträge nicht besteht. Sicherlich sinnvoll hingegen ist eine Prüfung der Altverträge dahingehend, ob auf dem Markt derzeit bessere Preise erzielt werden können. Wird diese Frage auch trotz aktueller Geschehnisse bejaht, ist eine Kündigung des Altvertrags und die Neuausschreibung der Leistung schon nach den Grundsätze der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit empfehlenswert.

Autorinnen

Noreen Völker
Tel: +49 30 208 88 1190

Theresa Katharina Klemm
+49 30 208 88 1447

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Dies ist ein Beitrag aus unserem Public Sector Newsletter 4-2022. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.