Stolperfallen bei der befristeten Weiterbeschäftigung von Rentner*innen

Angesichts des Fachkräftemangels, der sich nach Ausbruch der Coronapandemie weiter erhöht hat, ist die Weiterbeschäftigung von Senior*innen in vielen Unternehmen ein wichtiges Thema. Da zudem die Bevölkerung in Deutschland immer älter wird und sich immer besserer Gesundheit erfreut, nutzen Unternehmen zunehmend die Bereitschaft gerade von hoch qualifizierten älteren Arbeitnehmer*innen, ihre Kenntnisse und Fähigkeiten auch nach Erreichen der Altersgrenze weiter einzubringen.

Zudem besteht in Unternehmen mitunter ein schwankender oder nur noch vorübergehender Bedarf an Arbeitskräften, der sich besonders gut durch den Einsatz von Rentner*innen, die lediglich einen Hinzuverdienst zur Rente suchen, abdecken lässt.

Üblicherweise enden Arbeitsverhältnisse nach den vertraglichen Bedingungen spätestens mit Eintritt ins gesetzliche Rentenalter automatisch. Will man einen*eine Arbeitnehmer*in nach Eintritt ins Rentenalter weiterbeschäftigen, so soll der neu abzuschließende Arbeitsvertrag oder die Verlängerung des Arbeitsverhältnisses in der Regel befristet abgeschlossen werden. Häufig wollen oder können sich beide Vertragsparteien nicht langfristig binden. Die arbeitgeberseitige Kündigung eines älteren Arbeitnehmers – etwa wegen eines zunehmend schlechteren Gesundheitszustands – dürfte zudem schwer durchsetzbar sein.

An sich würde gegen eine Befristung des Arbeitsverhältnisses ohne Sachgrund das sog. Verbot der Vorbeschäftigung sprechen. Nach § 14 Abs. 2 Satz 2 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) ist eine sachgrundlose Befristung nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat.

Eine Lösung bietet hier die Möglichkeit des Hinausschiebens des Beendigungszeitpunkts nach § 41 Satz 3 SGB VI. Nach § 41 S. 3 SGB VI können die Arbeitsvertragsparteien durch Vereinbarung während des Arbeitsverhältnisses den Beendigungszeitpunkt des Arbeitsverhältnisses – gegebenenfalls auch mehrfach – hinausschieben, wenn eine Vereinbarung die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze vorsieht. Die Vorschrift dient dazu, Übergangsregelungen zur Nachbesetzung von Stellen zu vereinbaren oder den Abschluss laufender Projekte zu ermöglichen. Diese überraschende Befristungsregelung im SGB VI hat Diskussionen darüber ausgelöst, ob zusätzlich ein Befristungsgrund nach dem TzBfG vorliegen muss. Das BAG hat mit Urteil vom 19. Dezember 2018 (Az. 7 AZR 70/17) klargestellt, dass für das Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts nach § 41 Satz 3 SGB VI kein (zusätzlicher) Sachgrund gem. § 14 Abs. 1 TzBfG vorliegen muss. Ein solches Erfordernis finde im Gesetzeswortlaut keinen Anhaltspunkt und würde die Regelung überflüssig machen. Der Gesetzgeber habe einen „einfach zu handhabenden Ausnahmetatbestand geschaffen“, der den Arbeitsvertragsparteien das Hinausschieben eines wirksam vereinbarten Beendigungszeitpunkts erlauben soll.

Unternehmen, die Arbeitnehmer*innen beschäftigen, die aufgrund Erreichens der Regelaltersgrenze zeitnah aus dem Unternehmen ausscheiden würden, können das Arbeitsverhältnis also durch Hinausschieben des Beendigungszeitpunktes verlängern. Wichtig ist hierbei, dass die Verlängerungsvereinbarung noch während des laufenden Arbeitsverhältnisses vereinbart wird. Eine solche Verlängerung kann – wie der Wortlaut der Norm eindeutig formuliert – auch mehrfach vorgenommen werden. Fraglich ist, ob an ein „Hinausschieben“ im Sinne des § 41 Satz 3 SGB VI die gleichen Anforderungen zu stellen sind, wie an eine „Verlängerung“ im Sinne des § 14 Abs. 2 TzBfG. Gerade bei der Beschäftigung von Arbeitnehmer*innen im Übergang zum Rentenalter haben in der Regel beide Arbeitsvertragsparteien das Interesse, den Vertragsinhalt an die neue Situation, z. B. im Hinblick auf das Arbeitszeitvolumen, den Arbeitsinhalt und die Arbeitszeitverteilung, anzupassen.

Das LAG Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 30. April 2020 entschieden, dass einer Befristung nach § 41 Satz 3 SGB VI eine Änderung der Arbeitsbedingungen nicht entgegenstünde. Das BAG hat diesen Aspekt allerdings bislang nicht klären müssen, sodass hier eine sorgfältig Vertragsgestaltung zu empfehlen ist, indem z. B. die Verlängerung und Änderung von Arbeitsbedingungen ggf. gesondert vereinbart wird.

Schließlich sind bei Fallgestaltungen, in denen Arbeitnehmer* innen über den Renteneintritt hinaus beim Unternehmen in Lohn und Brot bleiben, ggf. Mitbestimmungsrechte zu beachten.

Das BAG hat in diesem Zusammenhang entschieden, dass die Weiterbeschäftigung über eine auf das Arbeitsverhältnis anwendbare tarifliche Altersgrenze hinaus eine nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG mitbestimmungspflichtige Einstellung darstellt (BAG, Beschluss vom 22. September 2021 – 7 ABR 22/20).

Konkret ging es in dem vom BAG entschiedenen Fall um einen Streit zwischen zwei kommunalen Münchner Verkehrsgesellschaften und dem Betriebsrat des zwischen den Gesellschaften bestehenden Gemeinschaftsbetriebs. Der Betriebsrat hielt die Weiterbeschäftigung mehrerer künftiger Rentner*innen wegen Missachtung seines Mitbestimmungsrechtes für unzulässig. Die beklagten Arbeitgeberinnen vertraten die Auffassung, dass das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bereits durch die Beteiligung im Rahmen der ursprünglichen Einstellung verbraucht sei. Das Arbeitsgericht München bestätigte die Auffassung der Beklagten und führte aus, das Hinausschieben des Beendigungszeitpunktes stelle keine Einstellung i. S. v. § 99 BetrVG dar. Das Arbeitsverhältnis sei als ein auf unbestimmte Zeit geschlossenes Arbeitsverhältnis anzusehen. Hingegen führte das BAG aus, die Interessen der Belegschaft seien auch berührt, wenn ein Beschäftigter über den zunächst vorgesehenen Zeitpunkt hinaus im Betrieb verbleibe. Mit der Weiterbeschäftigung, so die Erfurter Richter, nehme der Arbeitgeber – nicht anders als bei einer Neueinstellung – eine Besetzung des aufgrund der Befristung des Arbeitsverhältnisses frei werdenden Arbeitsplatzes vor. Dies könne Zustimmungsverweigerungsgründe auslösen, die bei der „Ersteinstellung“ nicht voraussehbar waren. Bei jeder befristeten Einstellung reiche die Beteiligung des Betriebsrats daher grundsätzlich nur bis zu der vorgesehenen Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Praxishinweis

Im Rahmen der Weiterbeschäftigung von künftigen Rentner*innen hält § 41 Satz 3 SGB VI ein interessantes praxisrelevantes Instrument bereit.

Nicht höchstrichterlich geklärt ist bislang, ob es eine zeitliche Höchstgrenze der Verlängerungen gibt oder ob von § 41 Satz 3 SGB VI nur für eine bestimmte Dauer Gebrauch gemacht werden kann. Unseres Erachtens wird man in jedem Fall eine Missbrauchsgrenze entsprechend § 14 Abs. 1 TzBfG ziehen müssen. Ansonsten bietet § 41 Satz 3 SGB VI u. E. für den Fall des Hinausschiebens des Beendigungszeitpunktes grundsätzlich einen hinreichenden Sachgrund. Inhaltliche Änderungen des Arbeitsvertrags sollten nach Möglichkeit nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts vereinbart werden. Vor der Umsetzung sollte daher geprüft werden, ob und wie ggf. zudem Arbeitsbedingungen geändert werden sollen. Weiter sind, soweit Betriebs- oder Personalräte bestehen, die Mitbestimmungsrechte – wie im Übrigen bei jeder Verlängerung eines befristeten Arbeitsvertrages – zu beachten.

Je nach den konkreten Umständen im Einzelfall – z. B. relevant bei der befristeten Beschäftigung von Rentner*innen bei einem neuen Arbeitgeber – kann im Übrigen auch die in engen Grenzen mögliche Wunschbefristung eine rechtssichere Grundlage für einen befristeten Arbeitsvertrag mit Senior*innen darstellen. Hierbei sind die vom BAG entwickelten Anforderungen zu beachten. Das bloße Einverständnis des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin reicht in der Regel nicht aus.

Gern unterstützen wir Sie bei der Auswahl des passenden Beschäftigungsmodells und der Gestaltung der vertraglichen Grundlagen.

Autorin

Marion Plesch
Tel: +49 30 208 88 1146

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Dies ist ein Beitrag aus unserem Public Sector Newsletter 4-2022. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.