Sonderregelungen bei der Ausschreibung von Forschungs- und Entwicklungsleistungen

Aus Sicht der Europäischen Union gehören Forschung und Innovation, einschließlich ökologischer Innovation und sozialer Innovation, zu den Haupttriebkräften künftigen Wachstums und stehen im Mittelpunkt der Strategie „Europa 2020“ für intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum.

Der Kauf innovativer Dienstleistungen trage unter anderem dazu bei, einen umfassenderen wirtschaftlichen, ökologischen und gesellschaftlichen Nutzen zu generieren, indem neue Ideen hervorgebracht, diese in innovative Waren und Dienstleistungen umgesetzt würden und damit ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum gefördert werde (vgl. Erwägungsgrund 47 der Richtlinie 2014/24/ EU über die öffentliche Auftragsvergabe). Damit ist klar, dass die Vergabe von Forschungs- und Entwicklungsleistungen nicht nur Universitäten und staatliche Forschungsinstitute betrifft, sondern potenziell alle öffentlichen Auftraggeber sowie auch privatrechtlich organisierte Zuwendungsempfänger.

Diesen Erwägungen entsprechend sieht das Vergaberecht auf den Gebieten Forschung und Entwicklung verschiedene Sonderregelungen vor, die im Einzelfall zur Wahl von bestimmten (weniger aufwendigen) Verfahrensarten berechtigen oder sogar vollständig von der Anwendung des Vergaberechts befreien. Um von diesen Sonderregelungen profitieren zu können, müssen Auftraggeber jedoch zunächst im Vorfeld klären, ob der konkrete Auftrag unter den Begriff der Forschung und Entwicklung im Sinne des Vergaberechts fällt, und gegebenenfalls, welche der vorhandenen Sonderregelungen für den konkreten Fall einschlägig ist.

Forschung und Entwicklung im Sinne des Vergaberechts

Der Begriff der Forschungs- und Entwicklungsleistungen ist nicht gesetzlich definiert. Es ist jedoch anerkannt, dass alle Tätigkeiten umfasst sind, die Grundlagenforschung, angewandte Forschung sowie experimentelle Entwicklung beinhalten, einschließlich der Herstellung technologischer Demonstrationssysteme. Umfasst sind beispielsweise die Herstellung neuer Materialien, Produkte oder Geräte, zur Entwicklung neuer Verfahren, Systeme und Dienstleistungen. Auch Tätigkeiten der Planung, Konzeption oder Dokumentation neuer Produkte, Verfahren oder Dienstleistungen können grundsätzlich erfasst sein. Ziel muss die Generierung neuen Wissens unter Anwendung wissenschaftlicher Methoden sein. Forschungs- und Entwicklungsdienstleistungen müssen darauf ausgerichtet sein, neue Erkenntnisse zu gewinnen, unabhängig davon, ob es sich im Einzelnen um Grundlagenforschung, industrielle Forschung oder experimentelle Entwicklung handelt.

Unterschiedliche Regelungen mit unterschiedlichen Folgen

Um zu prüfen, welche Regelung für den konkreten Auftrag einschlägig ist, sind zwei Abgrenzungen zu beachten. Erstens ist das deutsche Vergaberecht zweigeteilt in einen Bereich unterhalb der EUSchwellenwerte (sogenannte Unterschwelle) und einen Bereich ab Erreichen der EU-Schwellenwerte (sogenannte Oberschwelle). Für die beiden Bereiche gelten jeweils unterschiedliche Regelungen. Zweitens unterscheidet das Vergaberecht Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge. In der Folge ergibt sich die folgende Regelungsmatrix, die einen groben Überblick über die in Betracht kommenden Regelungen ermöglicht. Die rechtssichere Entscheidung zur Anwendung einer der genannten Regelungen erfordert eine umfassende Prüfung und Dokumentation im Einzelfall.

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Autor*innen

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Leo Lerch
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