Neuerungen beim Statusfeststellungsverfahren

Zum 1. April 2022 ergeben sich einige Änderungen zu § 7a SGB IV, welcher das Anfrageverfahren für ein sog. Statusfeststellungsverfahren regelt. Die Änderungen hat der Bundestag bereits im Mai 2021 beschlossen.

Das Statusfeststellungsverfahren dient der Klärung der Frage, ob eine Tätigkeit als selbstständige oder als eine abhängige und damit sozialversicherungspflichtige Tätigkeit zu beurteilen ist und insoweit Versicherungspflicht in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung besteht. Es wird also der Status des eingesetzten Personals, ein in der Regel tatsächlich oder vermeintlich freier Mitarbeiter, durch die Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund geklärt. Das Ergebnis einer solchen Statusfeststellung hat in der Regel für denjenigen, der eine vermeintlich selbstständige Tätigkeit in Anspruch genommen hat (z. B. Auftraggeber eines freien Mitarbeiters), die sich aber im Rahmen des Statusverfahrens als abhängig geleistete Tätigkeit herausstellt (sog. Scheinselbstständigkeit), weitreichende rechtliche sowie finanzielle Konsequenzen. So wird u. U. ein Arbeitsverhältnis zum Auftraggeber begründet, soweit auch aus arbeitsrechtlicher Sicht die Voraussetzungen für ein solches vorliegen. Zudem ist der Auftraggeber bei Feststellung des Bestehens der Sozialversicherungspflicht verpflichtet, die Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung für die letzten vier Jahre nachzuentrichten, soweit der Scheinselbstständige in diesem Zeitraum für den Auftraggeber tätig war.

Die Änderungen zu § 7a SGB IV sehen nun neben den bisherigen folgende neue weitere Möglichkeiten und Folgen im Rahmen des Statusfeststellungsverfahrens vor¹:

  • Anstelle der Versicherungspflicht wird künftig der Erwerbsstatus festgestellt. Die Behörde entscheidet insoweit nicht mehr, ob eine Sozialversicherungspflicht in den einzelnen Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung besteht, sondern nur noch, ob die betreffende Person abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig wird.
  • Zukünftig wird die Feststellung des Erwerbsstatus bereits vor Aufnahme der Tätigkeit und damit früher als bisher möglich sein (sog. Prognoseentscheidung). Neben den schriftlichen Vereinbarungen sind dabei die beabsichtigten Umstände der Vertragsdurchführung zugrunde zu legen.
  • Es besteht zukünftig die Möglichkeit einer Gruppenfeststellung für gleiche Vertragsverhältnisse.
  • Zukünftig können auch Dreiecksverhältnisse im Rahmen des Statusfeststellungsverfahrens geprüft werden. Das bedeutet, dass – sofern die vereinbarte Tätigkeit für einen Dritten erbracht wird und Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Auftragnehmer in dessen Arbeitsorganisation eingegliedert ist und dessen Weisungen unterliegt – die Deutsche Rentenversicherung Bund bei Vorliegen einer Beschäftigung auch feststellt, ob das Beschäftigungsverhältnis zu dem Dritten (Endkunden) besteht. Der Dritte kann bei Vorliegen von entsprechenden Anhaltspunkten ebenfalls eine entsprechende Entscheidung beantragen. Von dieser Möglichkeit wird ggf. im Zusammenhang mit der Thematik der verdeckten Arbeitnehmerüberlassung künftig öfter Gebrauch gemacht werden.
  • Das Widerspruchsverfahren sieht künftig eine mündliche Anhörung vor. Das bedeutet, dass die Beteiligten eines Widerspruchsverfahrens nach Begründung des Widerspruchs eine mündliche Anhörung beantragen können, die gemeinsam mit den anderen Beteiligten erfolgen soll.

Die Änderungen sind zunächst nur bis zum 30. Juni 2027 befristet. Die Deutsche Rentenversicherung Bund ist verpflichtet, die wesentlichen Änderungen zu evaluieren und dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales bis zum 31. Dezember 2025 über die Erfahrungen bei der Anwendung zu berichten.

Ziel des Gesetzgebers war es, durch die Änderungen von § 7a SGB IV das Statusfeststellungsverfahren generell zu vereinfachen. Ob dies gelungen ist, bleibt abzuwarten. Inhaltliche Vorgaben, wann eine selbstständige oder abhängige Beschäftigung vorliegt, fanden jedenfalls im Rahmen der vorgenommenen Änderungen nach wie vor keine Berücksichtigung. Das Erfordernis einer Gesamtbetrachtung jedes konkreten Einzelfalles unter Berücksichtigung der seitens der Rechtsprechung für die Abgrenzung der selbstständigen Tätigkeit und abhängigen Beschäftigung aufgestellten Kriterien bleibt nach wie vor bestehen und dürfte auch in Zukunft für Zündstoff bei entsprechenden Auseinandersetzungen mit der Deutschen Rentenversicherung Bund sorgen. Dies dürfte insbesondere auch im nunmehr erfassten Dreiecksverhältnis der Fall sein.

Praxishinweise

Da es der Gesetzgeber versäumt hat, das eigentliche Problem – nämlich die inhaltliche Ausgestaltung der Abgrenzungskriterien – zu regeln, ist es beim Einsatz von Fremdpersonal durch freie Mitarbeiter/Freelancer, insbesondere auch im Dreiecksverhältnis, nach wie vor wichtig, diesen Einsatz sowohl in vertraglicher als auch im Hinblick auf die tatsächliche Umsetzung als freies Mitarbeiter- Verhältnis zu gestalten und durchzuführen, um rechtliche bzw. finanzielle Risiken einer sog. Scheinselbstständigkeit bzw. verdeckten Arbeitnehmerüberlassung zu minimieren bzw. zu vermeiden. Gern unterstützen wir Sie bei der Vertragsgestaltung, Erstellung von Unternehmensrichtlinien und Checklisten im Rahmen der Compliance sowie konkreter Risikoanalysen.

¹Quelle: Bundesministerium für Arbeit und Soziales (www.bmas.de)

Autorin

Gudrun Egenolf
Tel: +49 30 208 88 1130

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Dies ist ein Beitrag aus unserem Public Sector Newsletter 4-2021. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.