Übertragung der Abgabenhoheit auf einen Zweckverband erfordert ausdrückliche Regelung in der Verbandssatzung

Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH BW) hat mit (unanfechtbarem) Beschluss vom 8. März 2022 – 2 S 565/21 – festgestellt, dass es zur Übertragung der Abgabenhoheit auf einen Zweckverband einer ausdrücklichen Regelung in der Verbandssatzung bedarf. Fehlt es an einer solchen Regelung, sei davon auszugehen, dass die von dem Zweckverband, der Aufgaben der Abwasserbeseitigung ganz oder teilweise übernommen hat, betriebenen Anlagen von den Verbandsmitgliedern mit seinem Einverständnis als Bestandteil ihrer öffentlichen Einrichtungen gewidmet seien.

Die Stadt, die Mitglied im Abwasserzweckverband ist, hat eine Grundstückseigentümerin auf Grundlage ihrer Abwassersatzung (AbwS) für die Jahre 2010 bis 2013 zur Zahlung von Niederschlagswassergebühren und Schmutzwassergebühren herangezogen. Gegen die Erhebung der Schmutzwassergebühren erhob die Grundstückseigentümerin vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart (VG Stuttgart) Klage. Das VG Stuttgart hat die Klage mit Urteil vom 10. Dezember 2020 – Az. 1 K 1164/18 abgewiesen.

Der VGH BW hat den Antrag der Grundstückseigentümerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des VG Stuttgart abgelehnt (Beschluss vom 8. März 2022, a. a. O.).

Aus Sicht der Grundstückseigentümerin seien die Gebührenkalkulationen fehlerhaft, da dort zu Unrecht Kosten des Abwasserzweckverbandes miteinbezogen wurden. Ihrer Ansicht nach dürfe die Stadt gemäß § 13 Abs. 1 S. 1 des Kommunalabgabengesetzes des Landes Baden-Württemberg (KAG BW) nur Gebühren für die Nutzung „ihrer“ öffentlichen Anlagen erheben, worunter das vom Abwasserzweckverband betriebene Klärwerk als Einrichtung des Abwasserzweckverbandes jedoch nicht falle. So könne eine öffentliche Einrichtung nur dann von einer Gemeinde betrieben werden, sofern diese auch die sachliche Zuständigkeit innehabe. Der Stadt fehle mithin Zuständigkeit für die Erhebung der Schmutzwassergebühren, da sie die Aufgabe der Abwasserentsorgung auf den Zweckverband übertragen habe.

Mit dem vorgenannten Beschluss bestätigt der VGH BW die Ansicht des VG Stuttgart, dass die Übertragung der Aufgaben des Behandelns und Einleitens des Schmutzwassers auf den Abwasserzweckverband die Abgabenhoheit der Stadt nicht berühre. So seien die von dem Zweckverband betriebenen Abwasseranlagen Teil der öffentlichen Abwasserbeseitigungseinrichtung der Stadt. Diese habe deshalb auch zu Recht den von ihr über die Verbandsumlage zu tragenden Kostenanteil des Klärwerks in die Kalkulation der von ihr zu erhebenden Abwassergebühren eingestellt. Der VGH BW stellt fest, dass es gemäß dem badenwürttembergischen Landesrecht (Gesetz über kommunale Zusammenarbeit, GKZ) einer ausdrücklichen Regelung in der Verbandssatzung zur Übertragung der Abgabenhoheit auf einen Zweckverband bedürfe. Mangels einer entsprechenden Regelung in der Verbandssatzung im vorliegenden Fall seien die von dem Zweckverband betriebenen Abwasseranlagen als Teil der öffentlichen Einrichtung der Stadt i. S. d. § 13 Abs. 1 S. 1 KAG BW einzuordnen.

Der VGH BW führt weiter aus, dass das Vorliegen einer öffentlichen Einrichtung der Gemeinde im Sinne des § 13 Abs. 1 S. 1 KAG BW nicht voraussetze, dass die zur Einrichtung gehörenden personellen und/oder sachlichen Mittel in die Verwaltungsstruktur der Gemeinde organisatorisch eingegliedert sind. Auch müssen die sachlichen Mittel der Einrichtung nicht im Eigentum der Gemeinde stehen. Vielmehr sei die Voraussetzung erfüllt, wenn die Gemeinde ebendiese Mittel im öffentlichen Interesse zur Förderung des wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Wohls zur unmittelbaren Benutzung durch die Einwohner zur Verfügung stelle. Die Abwasseranlagen des Zweckverbands sind deshalb im Außenverhältnis zu den Benutzern der Einrichtung als Bestandteil der öffentlichen Einrichtungen im Sinne des KAG BW anzusehen.

Autor

Denis Bogaczyk
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Dies ist ein Beitrag aus unserem Public Sector Newsletter 3-2022. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.