Neues zur Rechnungslegung

IDW Rechnungslegungshinweis IDW RH FAB 1.021 – Handelsrechtliche Bewertung von Rückstellungen für Altersversorgungsverpflichtungen aus rückgedeckten Direktzusagen

Erstaunlicherweise gibt es Themen in der Rechnungslegung, die branchenübergreifend für Aufregung sorgen. So sind nach unserer Wahrnehmung insbesondere die Versicherungswirtschaft und die Aktuare derzeit sehr aktiv, ihren Kunden den oben genannten Rechnungslegungshinweis des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e. V. (IDW) nahezubringen.

Bekanntermaßen zählen Pensionszusagen für Gesellschafter*innen, Geschäftsführer*innen oder leitende Angestellte zu den wesentlichen Bestandteilen von Vergütungsregelungen. Regelmäßig werden dafür in den Unternehmen erhebliche Ressourcen gebunden, weil über längere Zeiträume finanzielle Verpflichtungen zu erfüllen sind. Verschärft wurde diese Ressourcenbindung in den Jahresabschlüssen der Unternehmen durch die fehlende Verzinsung der angesammelten Mittel, was durch größere Zuführungen aus den erwirtschafteten Erträgen ausgeglichen werden musste.

Vermutlich hat auch die „Charme-Offensive“ der Versicherungswirtschaft zum steuerbegünstigten Outsourcing der Pensionsverpflichtungen aus den Bilanzen der Unternehmen nicht zu einer deutlichen Verbesserung der Bilanzkennzahlen geführt, sodass ein erheblicher Teil des Fremdkapitals in Pensionsrückstellungen gebunden ist.

Zur Risikodiversifikation bezüglich der erheblichen Verpflichtungen aus den Pensionszusagen haben viele Unternehmen korrespondierende Rückdeckungsversicherungen (RDV) abgeschlossen, um im Zeitpunkt der Inanspruchnahme durch den*die Pensionär*in die erforderlichen finanziellen Mittel abrufen zu können. Dabei ist der Gestaltungs- und Kombinationsvielfalt hinsichtlich der Parameter „RDV“ und „Pensionsverpflichtung“ kaum eine Grenze gesetzt.

Grenzen setzen in diesem Zusammenhang erst die handelsrechtlichen Bilanzierungsvorschriften. Nach Einführung des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BilMoG) haben sich diese Vorschriften dahingehend verändert, dass die Pensionsverpflichtungen mit ihrem notwendigen Erfüllungsbetrag (§ 253 Abs. 1 Satz 2 HGB) anzusetzen sind. Dieser wird in der Praxis häufig durch ein versicherungsmathematisches Gutachten berechnet, das die Unternehmen in Auftrag geben.

Demgegenüber werden Ansprüche aus einer abgeschlossenen RDV grundsätzlich zu fortgeführten Anschaffungskosten bewertet. Sofern die RDV die Anforderungen des § 246 Abs. 2 Satz 2 HGB (sind dem Zugriff Dritter entzogen und dienen ausschließlich zur Deckung von Schulden aus Altersversorgungsverpflichtungen) erfüllen, sind sie gemäß § 253 Abs. 1 Satz 4 HGB mit dem beizulegenden Zeitwert (§ 255 Abs. 4 HGB) zu bewerten (sogenannter „Aktivwert“) und im Zuge der Jahresabschlusserstellung mit der Pensionsrückstellung zu verrechnen.

Im Zuge der permanenten Diskussion zur Rechnungslegung, insbesondere zur Frage der Widerspiegelung eines zutreffenden Bildes der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage eines Unternehmens, hat sich der Berufsstand der Wirtschaftsprüfer*innen in Absprache mit der Versicherungswirtschaft die Frage gestellt, ob die seit Inkrafttreten des BilMoG gelebte Praxis der separaten Bewertung der Pensionsverpflichtung einerseits und der dazu abgeschlossenen RDV andererseits den tatsächlichen Verhältnissen entspricht.

Im Ergebnis unterscheidet der neue Rechnungslegungshinweis IDW RH FAB 1.021 nunmehr zwei grundsätzliche Konstellationen. Beiden gemein ist, dass das Unternehmen zur Minderung des Finanzierungsrisikos aus einer Pensionszusage mindestens eine RDV abgeschlossen hat, die den Anforderungen des § 246 Abs. 2 Satz 2 HGB (Saldierungsgebot) entspricht und bei der die Höhe der Pensionszusage durch die Leistungen aus der RDV bestimmt wird (sogenannte „Versicherungsbindung“). Unterschieden wird sodann nach der sogenannten „Leistungskongruenz“, die vorliegt, wenn die Zahlungen aus einer RDV sowohl hinsichtlich der Höhe als auch der Zeitpunkte deckungsgleich sind mit den Zahlungen an den Versorgungsberechtigten (IDW RS HFA 30 n. F. Tz. 74).

Sofern Leistungskongruenz vorliegt, also beispielsweise wenn eine monatliche Zahlung aus einer RDV zeitnah als monatliche Auszahlung an einen Anspruchsberechtigten weitergegeben wird, erfolgt eine gleichlautende Bewertung der RDV und der Pensionsverpflichtung. Diese beruht einerseits auf den gesetzlichen Vorschriften des HGB (§ 253 Abs. 1 Sätze 3 und 4 HGB) und bildet andererseits das wirtschaftliche Risiko des Unternehmens zutreffend ab. In diesem Fall hat das bilanzierende Unternehmen das Wahlrecht zwischen einem „Aktivprimat“ (RDV und Pensionsverpflichtung werden in Höhe des Aktivwerts der RDV bewertet) und einem „Passivprimat“ (hierbei richtet sich die Bewertung der beiden Komponenten nach dem beizulegenden Erfüllungsbetrag der Pensionsrückstellung). Im Ergebnis führen beide Verfahren zu gleichlautenden wirtschaftlichen Ergebnissen in der Gewinn- und Verlustrechnung.

Keine Leistungskongruenz liegt beispielsweise dann vor, wenn die RDV nach Vertragsablauf vollständig an das Unternehmen ausgezahlt wird und dieses vertragsgemäß einen monatlichen Betrag (Rente) an den Pensionär bezahlt.

Da dieses Thema nur für Unternehmen ohne RDV keine praktische Relevanz hat, haben wir in letzter Zeit die direkte Ansprache bei Mandant*innen durch Versicherungsunternehmen festgestellt, die tatsächlich RDV abgeschlossen haben. Das Angebot der Versicherer umfasst dabei eine kostenpflichtige sach- und fristgerechte Bewertung der RDV und der ggf. korrespondierenden Pensionsverpflichtung zum Bilanzstichtag 31. Dezember 2022. Gleichzeitig wird darauf „hingewiesen“, dass eine fehlerhafte Bewertung zu Verzögerungen oder anderen Problemen bei der Jahresabschlussprüfung führen könnte.

Dabei ist festzustellen, dass die Relevanz und der damit verbundene Aufwand für Unternehmen mit vielen (ggf. unterschiedlichen RDV) in Vorbereitung des nächsten Jahresabschlusses zum 31. Dezember 2022 tatsächlich zunimmt, weil die Wirtschaftsprüfer* innen durch das IDW dazu angehalten sind, den IDW RH FAB 1.021 ab diesem Jahresabschluss zu beachten. Insofern ist der Empfehlung der Versicherungsunternehmen beizupflichten, sich des Themas rechtzeitig anzunehmen und ggf. in Absprache mit dem*der Abschlussprüfer*in die für eine sachgerechte Bewertung erforderlichen Schritte abzustimmen.

Für fachkundige Beratung zu den dargestellten Themen sprechen Sie uns bitte an, wir unterstützen Sie gern – so weit wie möglich – bei Ihren Projekten.

Autor

Ulf Urner
Tel: +49 351 45 15 2207

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Dies ist ein Beitrag aus unserem Public Sector Newsletter 3-2022. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.