Neues Nachweisgesetz fordert Arbeitgeber im Geltungsbereich der Tarifverträge mit umfangreichen Unterrichtungspflichten heraus

Neues Nachweisgesetz fordert auch Arbeitgeber im Geltungsbereich der Tarifverträge des öffentlichen Dienstes mit umfangreichen Unterrichtungspflichten gegenüber Arbeitnehmer*innen heraus

Seit dem 1. August gelten verschiedene Gesetzesänderungen, die Arbeitgeber zu umfangreichen Unterrichtungs- und Nachweispflichten, v. a. in Bezug auf Arbeitsverträge verpflichten. Außerdem werden Mindestanforderungen an bestimmte Arbeitsbedingungen festgelegt. Damit setzen Bundesrat und Bundestag die EU-Richtlinie über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen um. Arbeitgeber müssen handeln, sonst drohen Bußgelder.

Hauptsächlich wird die Arbeitsbedingungenrichtlinie durch Änderungen des Nachweisgesetzes (NachwG) umgesetzt, aber auch andere Gesetze wie zum Beispiel das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz oder das Teilzeit- und Befristungsgesetz wurden durch ein sog. Artikel-Gesetz1 geändert. Hier die wichtigsten Änderungen, insbesondere bezogen auf Unternehmen im Geltungsbereich der Tarifverträge des öffentlichen Dienstes, im Überblick.

1. Nachweisgesetz

Das bisher eher „zahnlose“ Nachweisgesetz wurde verschärft. Die Ausweitung der Unterrichtungspflichten gegenüber Arbeitnehmer*innen wird begleitet von der Einführung von Sanktionsmöglichkeiten in Höhe von bis zu 2.000 € je Verstoß.

Arbeitsverträge oder Niederschriften müssen nun zusätzlich Angaben zur Dauer der Probezeit sowie den Voraussetzungen der Anordnung von Überstunden enthalten. Außerdem muss im Arbeitsvertrag über die vereinbarte Arbeitszeit sowie vereinbarte Ruhepausen und Ruhezeiten unterrichtet werden. Ferner ist über das bei der Kündigung „einzuhaltende Verfahren“ zu informieren. Dies umfasst die Verpflichtung zu Angaben zu Schriftformerfordernis, Kündigungsfristen und zu Fristen zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage.

Schließlich ist zu bemerken, dass – für viele verwunderlich und von viel Kritik begleitet – auch zukünftig Arbeitsbedingungen schriftlich, d. h. auf Papier, niederzulegen und handschriftlich vom Arbeitgeber zu unterschreiben und den Arbeitnehmer*innen auszuhändigen sind. Elektronische Formen sind ausgeschlossen, selbst wenn diese mit einer zertifizierten elektronischen Signatur versehen sind. Arbeitgeber im Anwendungsbereich der Tarifverträge des öffentlichen Dienstes haben bereits aufgrund der Anforderungen der Tarifverträge (vgl. z. B. § 2 Abs. 1 TVöD) Arbeitsverträge in der Regel schriftlich abgeschlossen, sodass ein Teil der gesetzlichen Vorgaben häufig bereits erfüllt wird.

Zudem ist für solche Arbeitgeber positiv zu werten, dass, soweit im Unternehmen Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen Anwendung finden, auf erforderliche Angaben kollektivrechtlicher Regelungen zumindest teilweise verwiesen werden kann.

Jedoch werden auch im Rahmen der bestehenden kollektivrechtlichen Regelungen sowie der üblichen Arbeitsverträge der Unternehmen im öffentlichen und gemeinnützigen Sektor nicht bereits alle neuen Anforderungen umgesetzt, sodass grundsätzlich ein Handlungsbedarf für alle Unternehmen bestehen dürfte.

Wichtig ist zu bemerken, dass auch bereits bestehende Arbeitsverträge von Bestands-Beschäftigten dahingehend überprüft werden müssen, ob sie den neuen erweiterten Informationspflichten genügen. Sollte dies nicht der Fall sein, hat der Arbeitgeber auf Antrag Mitarbeiter*innen eine Niederschrift über die wesentlichsten Angaben des Arbeitsvertrages zu überreichen bzw. zu übersenden.

2. Beispiele weiterer Änderungen in anderen Gesetzen

  • Berufsbildungsgesetz: Ausbildungsverträge müssen zukünftig u. a. persönliche Angaben des*der Auszubildenden, Regelungen zu Überstunden und, falls sie mehrere Bestandteile hat, Angaben zur Zusammensetzung der Vergütung enthalten.
  • Gewerbeordnung: Pflichtfortbildungen müssen zukünftig bezahlt werden und gelten als Arbeitszeit.
  • Arbeitnehmerüberlassungsgesetz und Teilzeitund Befristungsgesetz (TzBfG): Leiharbeitnehmer* innen und befristet eingestellten Arbeitnehmer* innen ist künftig auf die Anfrage nach einer unbefristeten Einstellung eine begründete Antwort in Textform zu geben. Bei befristeten Arbeitsverhältnissen gemäß TzBfG, muss eine vereinbarte Probezeit nunmehr „im Verhältnis“ zu Dauer und Art der Tätigkeit stehen.

3. Auswirkungen auf die Praxis

Wie umfangreich im Rahmen des Nachweisgesetzes im Einzelfall unterrichtet werden muss, bleibt in vielen Fällen, wie beim Erfordernis, über das bei der Kündigung einzuhaltende Verfahren informieren zu müssen, unklar. Diese Unklarheiten werden durch weiterführende Angaben des Gesetzgebers oder durch die Rechtsprechung beseitigt werden müssen. Bis dahin gilt es, anhand der Auslegung von Gesetz und Richtlinie zu handeln und Änderungen umzusetzen.

Daran orientiert müssen Arbeitgeber ihre Standard- Arbeitsverträge für neue Mitarbeiter*innen überprüfen. Aber auch bei den Bestands-Mitarbeiter* innen müssen die Arbeitgeber tätig werden: Arbeitgeber sollten ein Standard-Informationsschreiben entwerfen, welches (in Ergänzung zum bestehenden Arbeitsvertrag) zumindest die gesetzlichen Neuerungen berücksichtigt und die Bestands-Beschäftigten „nachinformiert“. Dies betrifft jeweils in den meisten Fällen wohl insbesondere die Informationen zum Kündigungsprozess einschließlich der Fristen zur Erhebung der Kündigungsschutzklage sowie ggf. detaillierte Regelungen zu Vergütung und Arbeitszeit. Die neuen Musterarbeitsverträge sollten ab sofort bei Neueinstellungen verwendet werden.

Dadurch, dass in Unternehmen im Anwendungsbereich der Tarifverträge des öffentlichen Dienstes Arbeitsbedingungen bereits umfassend durch die Tarifvertragsparteien ausgehandelt werden, fallen Arbeitsverträge in der Praxis häufig sehr kurz aus (Verwendung übersichtlicher Formularverträge). Soweit man nunmehr den geänderten Nachweispflichten nachkommt, sei es in den künftigen Arbeitsverträgen, sei es anhand gesonderter Niederschriften, können sich daraus als „Kettenreaktion“ weitere Anpassungsbedarfe ergeben. Werden nunmehr z. B. in Umsetzung des geänderten Nachweisgesetzes Angaben zum Arbeitsort konkretisiert, empfiehlt es sich, eine sorgfältig formulierte Versetzungsklausel aufzunehmen.

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1 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1152 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union im Bereich des Zivilrechts und zur Übertragung von Aufgaben an die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau vom 20. Juli 2022

Autor*innen

Marion Plesch
Tel: +49 30 208 88 1146

Maximilian Sprakel
Tel: +49 30 208 88 1633

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Dies ist ein Beitrag aus unserem Public Sector Newsletter 3-2022. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.