Bemessung der Niederschlagswassergebühr nach Wahrscheinlichkeitsmaßstab grundsätzlich zulässig

Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) hat mit (unanfechtbarem) Beschluss vom 10. Januar 2022 – 9 E 932/21 – entschieden, dass die Niederschlagswassergebühr grundsätzlich auch nach einem Wahrscheinlichkeitsmaßstab bemessen werden kann, wenn die Berechnung der Gebühr nach der tatsächlichen Inanspruchnahme der Abwasseranlage (Wirklichkeitsmaßstab) besonders schwierig oder wirtschaftlich nicht vertretbar wäre.

Die Gemeinde hatte den Grundstückseigentümer unter Zugrundelegung einer gebührenwirksam versiegelten Fläche von 310 m2 und eines Gebührensatzes von 1,09 €/m2 zu Niederschlagswassergebühren in Höhe von 337,90 € herangezogen. Dieser hielt jedoch die Anwendung des in der Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung (BGS) der Gemeinde festgelegten Maßstabes der bebauten und befestigten Fläche für unzulässig. Zum einen würden auf seinem Grundstück mindestens 90 % der Niederschlagsmenge versickern. Zum anderen fange er auf die Dachflächen treffende Niederschlagswasser in Regentonnen auf und nutze es zur Gartenbewässerung. Mithin fließe das Niederschlagswasser nicht in die öffentliche Abwasseranlage, sodass aus Sicht des Klägers eine Reduzierung der Niederschlagswassergebühren angezeigt sei.

Der BGS der Gemeinde ist zu entnehmen, dass die Niederschlagswassergebühr nach der bebauten und/ oder befestigten Grundstücksfläche bemessen wird, von der leitungsgebunden und nicht leitungsgebunden Niederschlagswasser abflusswirksam der öffentlichen Abwasseranlage zugeführt wird.

Das OVG NRW hat die bebaute und befestigte Grundstücksfläche als einen in der Rechtsprechung anerkannten und grundsätzlich zulässigen Maßstab für die Bemessung der Niederschlagswassergebühr bestätigt. Er genüge den an einen Wahrscheinlichkeitsmaßstab zu stellenden Anforderungen. Denn es bestehe eine Wahrscheinlichkeit, dass umso mehr Niederschlagswasser in die öffentliche Abwasseranlage fließt, je mehr von der Grundstücksfläche versiegelt ist.

Eine Bemessung der Niederschlagswassergebühr nach dem Wirklichkeitsmaßstab sei nicht zwingend vorzunehmen. § 6 Abs. 3 S. 2 des Kommunalabgabengesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen (KAG NRW) sehe vor, dass Gebühren nach einem Wahrscheinlichkeitsmaßstab bemessen werden können, wenn es wirtschaftlich nicht vertretbar oder besonders schwierig wäre, die Gebühren nach einem Wahrscheinlichkeitsmaßstab zu berechnen. Dies sei bei der Niederschlagswassergebühr der Fall.

Dem Kläger sei es nicht gelungen, darzulegen, dass der Maßstab generell unzulässig sei, weil er zu einer Ungleichbehandlung aller Gebührenschuldner führe (z. B. aufgrund zahlreicher atypischer Fälle).

Des Weiteren stellt das OVG NRW fest, dass der Kläger mangels qualifizierter Niederschlagswassernutzungsanlagen voraussichtlich keinen Anspruch auf Reduzierung der Gebühren durch die Gemeinde habe. Die BGS sähe eine Reduzierung vor, welche bei Nutzungsanlagen wie der Muldenversickerung durch den Oberboden, der Rohr- oder Rigolenversickerung oder der Schachtversickerung Anwendung fände. Dies sei nach dem OVG NRW durch die Aufstellung von zwei Regentonnen jedoch nicht gegeben.

Abschließend merkt das OVG NRW an, dass die Menge des Niederschlagswassers, welche regelmäßig nicht der öffentlichen Abwasseranlage zugeführt werde, jährlich variiere und mithin nicht schlüssig nachgewiesen werden könne.

Autor

Denis Bogaczyk
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