Personalgestellung nach § 4 Abs. 3 TVöD (VKA) und Bereichsausnahme in § 1 Abs. 3 Nr. 2b AÜG

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit Beschluss vom 16. Juni 2021 – 6 AZR 390/20 dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die Frage vorgelegt, ob die dauerhafte Personalgestellung gemäß § 4 Abs. 3 TVöD mit der europäischen Leiharbeitsrichtlinie vereinbar ist.

In dem vorliegenden Rechtsstreit streiten die Parteien über die Verpflichtung des Klägers, seine arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung dauerhaft im Wege der Personalgestellung bei einem ausgegliederten Unternehmen zu erbringen, nachdem sein Aufgabenbereich zu diesem verlagert worden ist.

Der Vorlage des BAG liegt gemäß Pressemitteilung des BAG vom 16. Juni 2021 folgender Sachverhalt zugrunde.

Die Beklagte betreibt ein Krankenhaus, deren Trägerin und einzige Gesellschafterin ein Körperschaft öffentlichen Rechts ist. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) Anwendung. Die Beklagte besitzt keine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung.

Im Jahr 2018 gliederte die Beklagte u. a. den Bereich, in welchem der Kläger tätig ist, auf eine neu gegrün- dete Service GmbH aus. Diese Ausgliederung führte zu einem Betriebsteilübergang i. S. v. § 613a BGB, welchem der Kläger allerdings widersprach, sodass sein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten bestehen blieb. Auf Verlangen der Beklagten erbringt der Kläger nun seit 2018 seine arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung im Wege der Personalgestellung gemäß § 4 Abs. 3 TVöD dauerhaft bei der Service GmbH, der das fachliche und organisatorische Weisungsrecht gegenüber dem Kläger obliegt.

Mit seiner Klage macht der Kläger geltend, bei seinem dauerhaften Einsatz bei der Service GmbH handele es sich um eine rechtswidrige Arbeitnehmerüberlassung und insoweit um einen Verstoß gegen Unionsrecht. Die Beklagte hielt dem entgegen, dass die Personalgestellung bereits aufgrund der Bereichsausnahme in § 1 Abs. 3 Nr. 2b Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) zulässig sei, da der Anwendungsbereich des AÜG nicht eröffnet ist. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Vgl. in diesem Zusammenhang auch LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 6. Februar 2019 – 7 Sa 515/17, welches in einem ähnlich gelagerten Fall im Bereich der Wasserversorgung auf den Schutzzweck des AÜG einerseits und die Besonderheiten der tariflichen Personalgestellung Mit seiner Klage macht der Kläger geltend, bei seinem dauerhaften Einsatz bei der Service GmbH handele es sich um eine rechtswidrige Arbeitnehmerüberlassung und insoweit um einen Verstoß gegen Unionsrecht. Die Beklagte hielt dem entgegen, dass die Personalgestellung bereits aufgrund der Bereichsausnahme in § 1 Abs. 3 Nr. 2b Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) zulässig sei, da der Anwendungsbereich des AÜG nicht eröffnet ist. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Vgl. in diesem Zusammenhang auch LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 6. Februar 2019 – 7 Sa 515/17, welches in einem ähnlich gelagerten Fall im Bereich der Wasserversorgung auf den Schutzzweck des AÜG einerseits und die Besonderheiten der tariflichen Personalgestellung andererseits abstellte und die Wirksamkeit einer Personalgestellung nach § 4 Abs. 3 TVöD sowie der Bereichsausnahme im AÜG annahm.

Das BAG hat die Frage, ob die Personalgestellung i. S. v. § 4 Abs. 3 TVöD unter den Anwendungsbereich der Leiharbeitsrichtlinie des EuGH fällt, und wenn ja, ob die Bereichsausnahme nach § 1 Abs. 3 Nr. 2b AÜG zulässig ist, nun dem EuGH zur Prüfung vorgelegt.

Praxishinweise

Sollte der EuGH zu dem Ergebnis kommen, dass § 4 Abs. 3 TVöD unter die Leiharbeitsrichtlinie fällt und § 1 Abs. 3 Nr. 2b AÜG unzulässig ist, hätte dies weitreichende Konsequenzen für alle Unternehmen, die das öffentliche Tarifrecht anwenden, insbesondere kommunale Unternehmen. In diesem Fall wären nämlich jede bereits durchgeführte dauerhafte Personalgestellung mangels Vorliegens einer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis und Überschreiten der Überlassungshöchstdauer als unzulässige Arbeitnehmerüberlassung zu qualifizieren. Die damit verbundenen arbeits-, sozialversicherungs-, steuer- und ordnungswidrigkeitsrechtlichen sowie auch finanziellen Folgen wären immens. Ob der EuGH bereits bestehenden Personalgestellungen Vertrauensschutz gewährt, ist dabei nicht absehbar.

Das bisher praktizierte Modell der Personalgestellung wäre in Zukunft in dieser Form nicht mehr möglich, was viele kommunale Unternehmen vor neue Herausforderungen stellen dürfte. Insoweit ist die weitere Entwicklung genau zu beobachten.

Autor*innen

Gudrun Egenolf
Tel: +49 30 208 88 1130

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Dies ist ein Beitrag aus unserem Public Sector Newsletter 3-2021. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.