Vorsteuerabzug für Investitionen von juristischen Personen des öffentlichen Rechts

Vorsteuerabzug für Investitionen von juristischen Personen des öffentlichen Rechts (jPöR), die erstmals nach dem 1.1.2021 für Umsätze verwendet werden sollen (Hinweis zu § 2b UStG)

Bekanntermaßen wurde im Rahmen des am 5.6.2020 beschlossenen Corona- Steuerhilfegesetzes auch die Frist für die Weitergeltung des § 2 Abs. 3 UStG in der am 31.12.2015 geltenden Fassung („altes Recht“) um zwei Jahre verlängert. Dazu wurde in § 27 UStG ein neuer Absatz 22a) eingeführt, wonach für die jPöR, die eine Erklärung gemäß § 27 Abs. 22 UStG abgegeben haben, die Regelungen des alten Rechts nunmehr ohne einen weiteren Antrag bis zum 31.12.2022 weitergelten, sofern die abgegebene Erklärung nicht vorher widerrufen wird.

Damit sind alle Tätigkeiten und Leistungen einer jPöR, welche gegenüber der Finanzverwaltung bis zum 31.12.2016 eine entsprechende Erklärung abgegeben haben, nunmehr bis 31.12.2022 nicht steuerbar im Sinne des Umsatzsteuergesetzes, sofern die abgegebene Erklärung nicht vorher widerrufen wird oder die jPöR durch ihre Tätigkeit einen Betrieb gewerblicher Art (BgA) begründet. JPöR können neben Städten und Gemeinden auch Zweckverbände oder andere Organisationen sein, die ihre Rechtssubjektivität einem Hoheitsakt verdanken (z. B. durch staatliche Verleihung der Rechtssubjektivität).

In vielen Fällen wird diese Verlängerung der Umstellungsfrist Erleichterung und Wohlwollen hervorrufen, mindert sich doch dadurch der zeitliche Umstellungsdruck. Unter bestimmten Umständen ist jedoch Handlungsbedarf gegeben, um finanzielle Nachteile zu vermeiden.

Investitionen, die vor dem 5.6.2020 begonnen wurden und nach dem 1.1.2021 fertiggestellt und erstmals zu umsatzsteuerpflichtigen Umsätzen verwendet werden sollen

Sofern bei langfristigen Investitionen zulässigerweise von Anfang an aus den Eingangsrechnungen im Zusammenhang mit der Investition ein Vorsteuerabzug vorgenommen wurde (vgl. Rz. 65 des BMF-Schreibens vom 16.12.2016), weil sie

a) noch vor Verabschiedung des Corona- Steuerhilfegesetzes begonnen wurden und

b) man üblicherweise davon ausgehen konnte, dass die erstmalige Inbetriebnahme nicht vor dem 1.1.2021 erfolgen wird,

empfehlen wir eine Prüfung des unveränderten Vorliegens der Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug. Solche Investitionen betreffen z. B. die Errichtung einer Sport- oder Schwimmhalle bzw. eines Kulturhauses, sofern nach Fertigstellung eine Vermietung im Rahmen privatrechtlicher Verträge beabsichtigt ist. Denkbar sind aber auch andere Wirtschaftsgüter (z. B. eine große Trinkwasserversorgungsleitung oder ein großer Abwassersammler), die von einer jPöR errichtet und nach Fertigstellung privatrechtlich vermietet oder verpachtet werden.

Mit der Einführung des § 2b in das Umsatzsteuergesetz wurde in § 27 Abs. 22 UStG die Optionsmöglichkeit bis zum 31.12.2020 geregelt. Danach sollte quasi „automatisch“ neues Recht gelten. Der im Zusammenhang mit dem Corona- Steuerhilfegesetz am 5.6.2020 neu eingeführte § 27 Abs. 22a) UStG regelt die antraglose Weitergeltung der alten Rechtslage bis zum 31.12.2022, sofern die Voraussetzungen des § 27 Abs. 22 UStG vorliegen. Unverändert geblieben ist auch die Möglichkeit des Widerrufs im Ganzen. Nicht geregelt wurden bisher die oben beschriebenen Fälle (Fertigstellung nach dem 1.1.2021) und die Behandlung des vormals zulässigerweise vorgenommenen Vorsteuerabzugs, der nunmehr nach der Weitergeltung des alten Rechts nicht mehr zulässig ist, weil die erstmalige Inbetriebnahme nicht in einer Zeit liegen wird, in der von Anfang an umsatzsteuerpflichtige sonstige Leistungen erbracht werden.

In den genannten Fällen empfehlen wir, die Handlungsoptionen auf ihre finanziellen Auswirkungen zu prüfen. Nichtstun kann die nachträgliche Versagung des vorgenommenen Vorsteuerabzugs von Anfang an sowie die Rückzahlung der erstatteten Vorsteuer bedeuten. Zwar ist es möglich, den teilweisen Vorsteuerabzug ab dem Inkrafttreten des neuen Rechts durch eine Berichtigung des Vorsteuerabzuge gemäß § 15 a UStG zu beantragen, allerdings ist in diesem Fall die anteilig auf den Zeitraum bis zum Inkrafttreten des neuen Rechts entfallende Vorsteuer verloren. Während die Einholung einer sogenannten verbindlichen Auskunft (§ 89 Abs. 2 AO) daran scheitert, dass die Steuergestaltung (hier die langfristige Investition) bereits verwirklicht wurde, kann der Versuch einer tatsächlichen Einigung mit der Finanzverwaltung unter Umstanden auch zu Rückzahlung und Anwendung von § 15a UStG führen.

Als weitere Alternative käme der Widerruf der Option zum alten Recht in Betracht. Entscheidungserheblich sind dabei einerseits die Bestimmung des Jahres, zu dem man den Widerruf erklärt (Stichtag dabei ist immer der 1. Januar) sowie die Regelung in § 27 Abs. 22 UStG und gleichlautend in § 27 Abs. 22a UStG, wonach es nicht zulässig ist, den Widerruf auf einzelne Tätigkeitsbereiche oder Leistungen zu beschränken. Damit umfasst eine Rücknahme der Option alle nach dem neuen § 2b UStG umsatzsteuerpflichtigen Tätigkeiten der jPöR. Dazu sollten im Zeitpunkt des Optionswiderrufs einerseits alle umsatzsteuerlichen Tätigkeiten bekannt sein und andererseits die finanzielle Auswirkung des Optionswiderrufs genau geprüft werden.

Da nicht davon auszugehen ist, dass der Gesetzgeber durch die Fristverlängerung der Optionserklärung die dargestellten Rechtsfolgen beim Vorsteuerabzug gewollt hat, bleibt abzuwarten, ob sich das Bundesministerium der Finanzen dazu noch äußern wird.