Ausschluss wegen missbräuchlicher Preisgestaltung

Der Ablauf eines Vergabeverfahrens ist gesetzlich festgelegt und soll dem Auftraggeber ermöglichen, Leistungen zu wirtschaftlichen Preisen am Markt einkaufen zu können. Diese Theorie lässt sich jedoch nicht immer umsetzen.

So kann ein Auftraggeber gezwungen sein, einen Bieter auszuschließen, wenn dieser sich hinsichtlich der Preisgestaltung unredlich verhält. Der VK Sachsen (Beschluss vom 18. August 2021 – 1/SVK/016-21) ist im vergangenen Jahr genau solch ein Fall begegnet.

Der betroffene Bieter hatte (zulässigerweise) zwei Hauptangebote eingereicht, die bei der Angebotswertung den 1. und 2. Platz erreichten. Beide Angebote waren unvollständig und unterschieden sich lediglich hinsichtlich des Preises. Der Auftraggeber entschied sich dafür, für beide Angebote die jeweils fehlende Unterlage nachzufordern. Der Bieter – wohlwissend, dass er nach der Angebotsprüfung mit seinen Angeboten auf dem 1. und 2. Platz lag – reichte die fehlende Unterlage nur für das teurere der beiden Angebote nach. Ergebnis dessen war, dass der Auftraggeber das günstigere Angebot wegen Unvollständigkeit ausschloss und den Zuschlag auf das nächstteurere Angebot des gleichen Bieters zu erteilen beabsichtigte. Der drittplatzierte Bieter wandte sich vor der Vergabekammer erfolgreich gegen die Zuschlagserteilung.

Der drittplatzierte Bieter trug vor, der erst- und zweitplatzierte Bieter habe sich rechtsmissbräuchlich verhalten. Die selektive Vervollständigung der Angebote sei eine (im offenen Verfahren) unzulässige Nachverhandlung des Preises. Darüber hinaus hätten die nachgereichten und ausdrücklich nur für das zweite Angebot bestimmten Unterlagen auch für das erstplatzierte Angebot herangezogen werden können, da die nachzureichenden Unterlagen für beide Angebote identisch gewesen wären.

Die Vergabekammer Sachsen gab dem Antragsteller Recht und ordnete an, dass das Verfahren in die Phase der Angebotswertung zurückzuversetzen und das erst- und zweitplatzierte Angebot auszuschließen seien.

So sei im streitgegenständlichen Fall kein sachlicher Grund für die Nachreichung der Unterlagen lediglich für das teurere Angebot erkennbar. Das Verhalten des Bieters sei unredlich, da er nachträglich versuche, den Vergabewettbewerb in unstatthafter Weise einzuschränken. Das Recht des Auftraggebers zur Nachforderung von Unterlagen sollte der Aufrechterhaltung des Bieterwettbewerbs dienen. Dieses Recht zur Nachforderung habe der Bieter aber missbraucht, indem er zwei unvollständige Angebote eingereicht habe, um sich abhängig vom Ausgang der Angebotswertung nachträglich für eines der beiden entscheiden zu können. Der Bieter habe sich damit die Möglichkeit eingeräumt, nachträglich den Preis festlegen zu können. Die hieraus resultierende Wettbewerbsverzerrung führe zu einem zwingenden Ausschluss des Bieters wegen unredlichen Verhaltens.

Dies führt im Ergebnis dazu, dass der Auftraggeber den Zuschlag lediglich für das drittplatzierte Angebot erteilen darf. Dies sei jedoch gerechtfertigt, weil sich sonst eine entsprechende Praxis im Vergaberecht herausbilden könnte, nach der Bieter viele unvollständige Angebote einreichen, um im Nachgang den bestmöglichen Gewinn erzielen zu können. Dieser künstlich aufgeblähte Wettbewerb sei jedoch nicht im Sinne des Vergaberechts und könnte die Angebotswertung durch den Auftraggeber in nicht unerheblicher Weise erschweren.

Die Entscheidung der Vergabekammer ist zu begrüßen. Sie erzieht die Bieter und gewährt den Auftraggebern einen von der Rechtsprechung anerkannten Ausschlussgrund. Ein Nachteil liegt darin, dass der Auftraggeber sich gezwungen sehen könnte, den Zuschlag auf ein deutlich teureres Angebot erteilen zu müssen. Nicht geklärt ist zudem, ob Auftraggeber die selektive Vervollständigung bei mehreren inhaltlich abweichenden Angeboten zulassen dürfen. Im Zweifel können Auftraggeber die entstehenden Unsicherheiten dadurch ausräumen, dass sie die Abgabe mehrerer Hauptangebote per se nicht zulassen.

Autorinnen

Noreen Völker
Tel: +49 30 208 88 1190

Theresa Katharina Klemm
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