Satzungsänderung bei Gemeinnützigkeit und § 64 Abs. 4 AO

(Urteil des Bundesfinanzhofs vom 23.07.2020 – V R 40/18)

Der Bundesfinanzhof hatte darüber zu entscheiden, wann eine Satzungsänderung zur „Änderung der erheblichen Verhältnisse“ im Sinne von § 64 Abs. 4 AO führen kann. Zwei Möglichkeiten standen im Mittelpunkt der Debatte:

  • Variante 1: Maßgeblich könnte der Zeitpunkt sein, in dem die Satzungsänderung beschlossen wird.
  • Variante 2: Eine Änderung der erheblichen Verhältnisse könnte erst mit Eintragung der Satzungsänderung in das Vereinsregister eintreten.

Der Bundesfinanzhof entschied sich in dem oben erwähnten Urteil, anders als die Vorinstanz, für Variante 2.

Rechtlicher Hintergrund

Gem. § 60a Abs. 1 AO wird die Einhaltung der satzungsmäßigen Voraussetzungen für die Steuerbegünstigung gesondert festgestellt. Die Feststellung der Satzungsmäßigkeit erfolgt nach § 60a Abs. 2 auf Antrag der Körperschaft oder von Amts wegen bei der Veranlagung zur Körperschaftsteuer, wenn bisher noch keine Feststellung erfolgt ist. Tritt bei den für die Feststellung erheblichen Verhältnissen eine Änderung ein, ist die Feststellung nach § 60a Abs. 4 AO mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben.

Sachverhalt

Kläger und Revisionskläger war ein eingetragener Verein. Das Finanzamt stellte mit Bescheid vom 18.11.2014 gem. § 60a Abs. 1 AO fest, dass der Verein die gemeinnützigen satzungsmäßigen Zwecke erfüllt. Am 02.09.2014 hatte der Verein jedoch bereits eine Satzungsänderung beschlossen. Hiervon erlangte das Finanzamt im Februar 2015 Kenntnis und wies den Verein darauf hin, dass die neue Satzung nicht den steuerrechtlichen Anforderungen für die Gemeinnützigkeit entspreche. Es hob den Feststellungsbescheid vom 18.11.2014 mit Wirkung vom 02.09.2014 auf.

Der Einspruch des Vereins blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg gab dem Finanzamt Recht und wies die Klage des Vereins in seinem Urteil (EFG 2019, 1052, BeckRS 2018, 44976) ab. Die Revision wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen.

Das Finanzamt war im Revisionsverfahren weiterhin der Auffassung, dass bereits der Beschluss einer Satzungsänderung eine „Änderung der erheblichen Verhältnisse“ im Sinne von § 60a Abs. 4 AO bewirke. Eine „Änderung der erheblichen Verhältnisse“ trete nicht erst mit Eintragung der Satzungsänderung in das Vereinsregister ein. 

Ob die geänderte Satzung den formellen Voraussetzungen des § 60a Abs. 1 AO entspreche, könne nur im Rahmen eines sich anschließenden Feststellungsverfahrens nach § 60a Abs. 2 AO entschieden werden.

Der BFH gab der Revision des Vereins statt und hob den Aufhebungsbescheid i. S. v. § 60a Abs. 4 auf.

Rechtsgründe

Der BFH begründet sein Urteil damit, dass die Aufhebung eines Bescheids über die gesonderte Feststellung der satzungsmäßigen Voraussetzungen nach § 60a Abs. 4 eine nachträgliche Änderung der für die Feststellung erheblichen Verhältnisse voraussetzt. Die Vorschrift erfasst nur solche Änderungen, die sich nach Erlass des Feststellungsbescheids ereignet haben. Eine Änderung der für die Feststellung erheblichen Verhältnisse aufgrund einer Satzungsänderung tritt erst mit ihrem zivilrechtlichen Inkrafttreten ein, also zum Zeitpunkt der Eintragung der geänderten Satzung in das Vereinsregister. Denn die Eintragung hat konstitutiven und nicht nur deklaratorischen Charakter. Das heißt, dass die Satzungsänderung nicht bereits mit Beschlussfassung, sondern erst mit Eintragung in das Vereinsregister Rechtswirkung nach innen und außen entfaltet

Der BFH hob den rechtswidrigen Aufhebungsbescheid gem. § 60a Abs. 4 AO auf, weil der Bescheid die Feststellung der satzungsmäßigen Voraussetzungen bereits mit Wirkung zum Zeitpunkt des Beschlusses über die Satzungsänderung aufgehoben hatte. Eine zivilrechtlich noch nicht wirksame – d. h. beschlossene, aber noch nicht in das Vereinsregister eingetragene – Satzungsänderung, so der BFH, ist zwar angebahnt, aber noch nicht im Sinne von § 64 Abs. 4 AO „eingetreten“.

       

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