OLG Schleswig: Bauherr haftet gegenüber Nachunternehmer nicht für mangelhafte Leistung des Vorunternehmers

Das OLG Schleswig hat sich mit Urteil vom 8. Juli 2022 (Az. 1 U 97/21) mit der Frage auseinandergesetzt, in welchen Konstellationen der Bauherr sich im Verhältnis zu einem Nachunternehmer das Mitverschulden an den mangelhaften Vorgewerken anderer baubeteiligter Unternehmen zurechnen lassen muss.

Sachverhalt

Der beklagte Bauherr hatte die Klägerin mit Dachdecker- und Abdichtungsarbeiten am Dach eines Neubaus beauftragt. Die Ausführungsplanung erfolgte durch einen Planer des Bauherrn. In den Wohnungen kam es nach der Abnahme zu Schimmelbildung. Der Sachverständige stellte mangelhafte Abdichtungen fest. Ursächlich dafür waren zum einen Planungsfehler, zum anderen aber auch Ausführungsfehler der Klägerin sowie mangelhafte Leistungen des Vorunternehmers.

Inhalt der Entscheidung

Nach dem OLG Schleswig ist im Rahmen der Frage der Zurechnung des Verschuldens anderer Baubeteiligter zulasten des Bauherrn in dessen Verhältnis zu einem Unternehmer genau zu differenzieren:

  • Der Bauherr haftet grundsätzlich für das Planungsverschulden der von ihm beauftragten Bauplaner. Es ist eine zentrale Obliegenheit des Bauherrn, den baubeteiligten Unternehmern geeignete Pläne zur Verfügung zu stellen. Versäumt es der Bauherr vollständig, dem ausführenden Unternehmen eine Planung zur Verfügung zu stellen, liegt ebenfalls ein Planungsfehler vor, der grundsätzlich dem Bauherrn als Mitverschulden anzurechnen ist. Eine Haftung scheidet jedoch aus, wenn die Planung vertraglich wirksam auf den Unternehmer delegiert worden ist. Der Verantwortungsanteil verschiebt sich im Übrigen deutlich in Richtung des Unternehmers, wenn er in Kenntnis der fehlenden Planung seine Leistung ausführt. Bei der Höhe der Mithaftung sind die verschiedenen Verursachungsbeiträge gegeneinander abzuwägen. Treffen nur ein dem Bauherrn anzulastender Planungsmangel und ein unterlassener Bedenkenhinweis des Unternehmers aufeinander, wird in der Regel die Verantwortung des Bauherrn überwiegen. Treffen dagegen ein Planungsfehler und davon unabhängige Ausführungsfehler des Unternehmens zusammen, verschiebt sich die Haftung in Richtung des Unternehmers.
  • Der Bauherr haftet grundsätzlich auch für Mängel in der Baukoordination. Es handelt sich hierbei zwar um eine baubegleitende Tätigkeit, jedoch mit planendem Charakter. Es obliegt dem Bauherrn, die Leistungen der bauausführenden Unternehmen aufeinander abzustimmen.
  • Der Bauherr haftet dagegen nicht für Fehler in der Bauüberwachung. Die bauausführenden Unternehmen haben keinen Anspruch darauf, dass ihre Leistungen überwacht werden. Der vom Bauherrn eingesetzte Bauleiter ist insoweit nicht sein Erfüllungsgehilfe.
  • Auch eine Mithaftung für Mängel der vom Bauherrn zur Verfügung gestellten Vorleistungen besteht grundsätzlich nicht. Der Vorunternehmer ist ebenfalls nicht Erfüllungsgehilfe des Bauherrn. Dem Nachunternehmer ist bekannt, dass der Bauherr, der ein Bauwerk arbeitsteilig errichten lässt, die Vorleistung typischerweise nicht selbst erbringt. Der Bauherr verpflichtet sich typischerweise nicht, eine mangelfreie Vorleistung zur Verfügung zu stellen. Der Vorunternehmer wird daher nicht in den Pflichtenkreis des Bauherrn gegenüber dem Nachunternehmer einbezogen. Zwar hat der Nachunternehmer dasselbe Interesse an fehlerfreien Vorleistungen wie an der Zurverfügungstellung einer fehlerfreien Planung; es bestehen jedoch Unterschiede zwischen der Planung und der Vorleistung: Die Bauplanung greift unmittelbar in die Leistung des Unternehmers ein, indem sie ihm vorschreibt, wie er sein Werk zu erbringen hat. Die Vorleistung ist dagegen in der Regel lediglich die Grundlage, auf der der Unternehmer sein Werk erbringt (jedenfalls dann, wenn er unabhängig von der Qualität der Vorleistung sein eigenes Werk mangelfrei erbringen kann). Dann ist nur das Vorhandensein der Vorleistung Voraussetzung für die eigene Leistung.

Fazit und Ausblick

Die Entscheidung folgt der ständigen Rechtsprechung des BGH, nach welcher der Vorunternehmer grundsätzlich kein Erfüllungsgehilfe des Bauherrn im Verhältnis zum (Nach-)Unternehmer ist. Das Urteil des OLG Schleswig zeigt zusätzlich auf, dass der Auftragnehmer vor Ausführung seiner Leistungen die ihm überlassene Planung sowie die Vorleistungen anderer Vorunternehmer zu prüfen und falls nötig unverzüglich beim Bauherrn Bedenken anzumelden hat. Der Unternehmer sollte Bedenken daher lieber einmal mehr als zu wenig und zudem – zu Beweiszwecken – schriftlich gegenüber dem Bauherrn anzeigen. Der Bauherr sollte insbesondere auf die Zurverfügungstellung geeigneter Planungsunterlagen an die baubeteiligten Unternehmen achten, um Haftungsrisiken zu vermeiden.

Autor

David Pamer
Tel: +49 30 208 88 1167

Haben Sie Fragen oder weiteren Informationsbedarf?

Sprechen Sie uns an

Dies ist ein Beitrag aus unserem Immobilienrecht Newsletter 4-2022. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.