BGH: Die Höhe eines Schadens kann im Mietrecht anhand der fiktiven Beseitigungskosten bestimmt werden

Der BGH hat mit Beschluss vom 10. Mai 2022 (Az. VIII ZR 277/20) nochmals seine Rechtsprechungslinie bestätigt, nach der im Mietrecht die Höhe eines Schadens statt anhand der tatsächlich bereits entstandenen auch anhand der fiktiven Mangelbeseitigungskosten (Stichwort Kostenvoranschlag) bestimmt werden kann.

Sachverhalt

Die Klägerin hatte der Beklagten eine renovierte Wohnung vermietet. Nach den mietvertraglichen Regelungen war die Pflicht zur Durchführung der regelmäßigen Schönheitsreparaturen auf die Beklagte umgelegt worden. Nach Ende des Mietverhältnisses gab die Beklagte die Wohnung zurück, ohne die fälligen Schönheitsreparaturen durchgeführt zu haben. Die Klägerin forderte sie unter Fristsetzung nochmals erfolglos hierzu auf. Die Klägerin verlangt seitdem Schadensersatz für nicht ausgeführte Schönheitsreparaturen in Höhe von 3.696,95 € netto, die sie anhand des Kostenvoranschlags eines Malerbetriebs bestimmt hat. Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Hiergegen wendet sich die Revision der Beklagten.

Inhalt der Entscheidung

Der BGH gibt den Vorinstanzen recht und teilt mit, dass er beabsichtige, die Berufung zu verwerfen bzw. zurückzuweisen. Er verweist hierzu auf seine bisherige Rechtsprechungslinie: So könne im Mietrecht ein Anspruch auf sog. Schadensersatz statt der Leistung (§ 280 Abs. 1, 3, § 281 Abs. 1 Satz 1 BGB) auch mit den für die Instandsetzung oder -haltung oder für den Rückbau der Mietsache erforderlichen, aber noch nicht aufgewendeten („fiktiven“) Kosten bemessen werden.

Der 8. Zivilsenat des BGH beseitigt damit nochmals eine gewisse Rechtsunsicherheit, die aufgekommen war, nachdem der für das Werkvertragsrecht zuständige 7. Zivilsenat des BGH entschieden hatte, dass im Werkvertragsrecht ein Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung nicht anhand der fiktiven, sondern nur anhand der tatsächlich aufgewendeten Mangelbeseitigungskosten bestimmt werden könne (BGH, Urteil vom 22. Februar 2018, Az. VII ZR 46/17).

Die hierdurch in der Rechtswissenschaft aufgeworfene Frage nach der Übertragbarkeit dieses Grundsatzes auf andere Vertragstypen hatte der 7. Zivilsenat des BGH im Nachgang selbst bereits unter Verweis auf die Besonderheiten des Werkvertragsrechts verneint (BGH, Beschluss vom 8. Oktober 2020, Az. VII ARZ 1/20).

Im hiesigen Fall weist der BGH noch darauf hin, dass die Situation im Mietrecht dem Werkvertragsrecht zwar durchaus nahekommt, da es hier – anders als etwa im Kaufrecht – einen vergleichbaren Anspruch auf Zahlung eines Vorschusses für eine beabsichtigte Selbstvornahme gibt: So bestehe im laufenden Mietverhältnis unter den Voraussetzungen des § 536a Abs. 2 Nr. 1 BGB ein Vorschussanspruch des Mieters bei Mietmängeln. Ferner könne auch der Vermieter vom Mieter einen Vorschuss in Höhe der erforderlichen Renovierungskosten verlangen, wenn sich der Mieter mit der Durchführung der Schönheitsreparaturen in Verzug befinde.

Im Ergebnis kommt der BGH jedoch zu dem Schluss, dass es vorliegend nicht um solche Vorschussansprüche geht, weil die Klägerin Schadensersatzansprüche aus einem bereits beendeten Mietverhältnis geltend mache. Abschließend stellt der BGH nochmals klar, dass die Abrechnung anhand der voraussichtlichen Mangelbeseitigungskosten gerade kein verallgemeinerungsfähiger Gedanke des zivilrechtlichen Schadensersatzrechts sei, da jeder Vertragstyp seine Besonderheiten aufweise.

Fazit und Ausblick

Die Entscheidung des BGH sorgt für weitere Klarheit hinsichtlich der Schadensberechnungsmöglichkeiten im Rahmen der verschiedenen zivilrechtlichen Vertragstypen. Der Entscheidung ist zuzustimmen. Einem Vermieter steht, anders als dem Besteller im Werkvertragsrecht, die Möglichkeit einer Minderung der Vergütung (§§ 634 Nr. 3, 638 BGB) nicht zur Verfügung. Zudem entstünden bei der Versagung einer fiktiven Abrechnung möglicherweise Anreize für den Mieter, seinen mietvertraglichen Pflichten nicht nachzukommen, wenn der von ihm andernfalls geschuldete Schadensersatz auf den Minderwert oder auf die tatsächlich aufgewandten Kosten beschränkt wäre. Für Vermieter bedeutet die Entscheidung, dass sie mit den Kosten der Mangelbeseitigung nicht in Vorleistung gehen müssen, sondern diese auf der Grundlage eines Kostenvoranschlags beim Mieter geltend machen können.

Autor

David Pamer
Tel: +49 30 208 88 1167

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Dies ist ein Beitrag aus unserem Immobilienrecht Newsletter 4-2022. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.