Energiepreise – Kündigungswelle wegen Mietrückständen?

Mit steigenden Lebenshaltungskosten werden die Stimmen nach mehr Schutz für Mieter vor Kündigungen wegen vorübergehenden Mietrückständen lauter. Hierbei nur die Belange der Mieter in den Blick zu nehmen dürfte jedoch zu kurz greifen.

Ausfälle bei Mieten und Betriebskostenvorauszahlungen sind vorprogrammiert

Der maßgeblich durch den Ukraine-Krieg bedingte rasante Anstieg der Lebenshaltungskosten und Energiepreise ist in vielerlei Hinsicht besorgniserregend. Heizung und Strom drohen zu Luxusgütern zu werden. Nach Hochrechnungen des Unternehmens Mineko, das sich mit der Auswertung von Betriebskostenabrechnungen befasst, ist zu erwarten, dass auf Wohnungsmieter künftig etwa doppelt so hohe Betriebskosten wie in den Vorjahren zukommen werden. Zahlungsausfälle sind vorprogrammiert.

Gesetz schützt Mieter nur bedingt vor Kündigungen

Gerät ein Mieter für zwei aufeinander folgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug oder häuft sich über einen längeren Zeitraum ein ausstehender Betrag in Höhe von zwei Monatsmieten an, berechtigt dies den Vermieter in der Regel zur außerordentlichen fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses (§ 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB).

Einen gewissen „Rettungsanker“ bietet Mietern die in § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB vorgesehene Schonfrist. Hiernach kann der Mieter die Kündigung noch abwenden, wenn er innerhalb von zwei Monaten nach Erhebung einer Räumungsklage durch den Vermieter den Zahlungsrückstand vollständig begleicht. Dies gilt allerdings nur im Wohnraummietrecht und auch nur bezüglich der außerordentlichen fristlosen Kündigung. Um den Vermieter wiederum davor zu schützen, dass ein Mieter immer wieder Zahlungsrückstände aufkommen lässt und diese erst nach Erhebung einer Räumungsklage begleicht, kann der Mieter nur alle zwei Jahre von der Abwendungsmöglichkeit Gebrauch machen.

Hat der Vermieter gleichzeitig hilfsweise unter den Voraussetzungen des § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB wegen der Zahlungsrückstände auch die ordentliche Kündigung zum nächstmöglichen Zeitpunkt ausgesprochen, bleibt diese hingegen wirksam. Hintergrund ist in erster Linie, dass der Vermieter bei der ordentlichen Kündigung die gesetzlichen Fristen von in der Regel drei bis neun Monaten wahren muss und insofern eine plötzliche Obdachlosigkeit nicht zu befürchten ist.

Lösungsansätze der Politik sind stark umstritten

In einem offenen Brief an Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) forderten Mieter- und Sozialverbände sowie Gewerkschaften eine Verbesserung beim Kündigungsschutz. Auch Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) hat kürzlich gefordert, dass die Schonfrist zum Schutz säumiger Mieter in Zeiten der Krise auch auf die ordentliche Kündigung ausgeweitet werden soll – und zwar so weit, dass der Mieter die fälligen Mieten noch bis zum Auszugstermin nachzahlen und damit die Kündigung abwenden können soll. Geywitz konnte jedoch keine Lösungen für die damit einhergehenden Folgeprobleme präsentieren: Was ist etwa mit den Nachmietern, die ihrerseits ihre Wohnung gekündigt haben und mit gepackten Kisten vor der Tür stehen? Wie können Vermieter vor den signifikanten Liquiditätslücken geschützt werden, die entstehen, wenn Mieten über einen langen Zeitraum ausbleiben, der Vermieter seinerseits aber weiterhin für Energie-, Wasser- und diverse andere Kosten in Vorleistung gehen muss? Geywitz erntete scharfe Kritik seitens der FDP und der Union. Sie missbrauche die wirtschaftliche Krise, um alte und falsche Pläne wieder hervorzuholen.

Im Gewerberaum gelten andere Regeln

Eine Möglichkeit zur Abwendung einer Räumungsklage durch nachträgliche Zahlung im Prozess wie im Wohnungsmietrecht steht dem Mieter im Bereich der Gewerberaummiete von vornherein nicht zu, auch nicht bei einer außerordentlichen fristlosen Kündigung. Im Gewerberaummietrecht kann der Mieter eine außerordentliche Kündigung daher nur abwenden, wenn er die Mietrückstände noch vor Zugang der Kündigung vollständig begleicht (§ 543 Abs. 2 Satz 2 BGB).

Insgesamt dürfte das Risiko von Zahlungsausfällen in Bezug auf die Betriebskosten im Bereich der Gewerberaummiete noch höher als bei der Wohnraummiete sein. Denn im gewerblichen Bereich kommt es nicht nur ganz allgemein schon zu einem höheren Energieverbrauch; für viele Betriebe dürfte die sich eintrübende wirtschaftliche Gesamtlage auch unabhängig von direkten Kostensteigerungen herausfordernd sein.

Einen gewissen Schutz für Vermieter von Gewerbeimmobilien gegen Zahlungsausfälle des Mieters bietet der Umstand, dass hier – anders als im Wohnraummietrecht – auch eine Mietsicherheit von mehr als drei Monatsmieten vereinbart werden kann. Zudem kann im Bereich der Gewerberaummiete – anders als im Wohnraummietrecht – vereinbart werden, dass der Vermieter die Höhe der Betriebskostenvorauszahlungen auch in der laufenden Abrechnungsperiode einseitig auf eine angemessene Höhe anpassen darf (§ 560 Abs. 4 BGB findet keine Anwendung).

Ausblick und Fazit

Es ist zu erwarten, dass es spätestens Ende 2023 verstärkt zu mieterseitigen Zahlungsausfällen oder -verzögerungen kommen wird, wenn über die Betriebskosten für das Jahr 2022 abgerechnet wird. Hohe Nachzahlungen werden keine Seltenheit sein, da die Vorauszahlungen noch am Vor-Krisen-Niveau bemessen waren. Die neuen Abschläge werden daher spürbar höher ausfallen – und ausfallen müssen, um die für Vermieter gestiegenen Kosten realistisch abzubilden.

Mit Blick hierauf werden neben der Ausweitung der Schonfrist auf ordentliche Kündigungen derzeit auch Lösungsansätze wie Mietenstopp, Aussetzen von Indexmietverträgen, Absenkung der Kappungsgrenze, Kündigungsmoratorium, Stärkung von gemeindlichen Vorkaufsrechten oder die Verlängerung der Mietpreisbremse in den Ring geworfen. Dass die Lösung der grundlegenden Probleme in einer Anpassung der mietrechtlichen Vorschriften liegt, darf jedoch bezweifelt werden. Hierdurch dürften eher punktuell Symptome geflickt als die eigentliche Ursache angegangen werden. All diese Maßnahmen scheinen zu kurz gedacht: Denn den „Endverbraucher“ zu schützen verhindert nicht, dass die Kosten tatsächlich anfallen und dem Vermieter auch weiterhin in Rechnung gestellt werden. Die faktische Folge wären „unfreiwillige Kredite“, die die Vermieter den Mietern einräumen müssten, während sie selbst in Liquiditätsschwierigkeiten geraten. Dabei darf nicht aus dem Blick geraten, dass es neben den großen Wohnungsunternehmen auch die vielen privaten Vermieter gibt, die die Zahlungsausfälle stark treffen.

Die Strom- und Gaspreisbremsen, die Unternehmen und Verbraucher ab dem neuen Jahr entlasten sollen, dürften da ein wirksamerer – aber leider nur vorübergehender – Lösungsansatz sein. Im Übrigen scheint es im ersten Schritt nie verkehrt, wenn Mieter und Vermieter bei krisenbedingten Zahlungsrückständen schlicht ins Gespräch treten und offen nach einer Lösung für beide Seiten suchen.

Autor

David Pamer
Tel: +49 30 208 88 1167

Haben Sie Fragen oder weiteren Informationsbedarf?

Sprechen Sie uns an

Dies ist ein Beitrag aus unserem Immobilienrecht Newsletter 4-2022. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.