Wann ist Kurtaxe umsatzsteuerpflichtig?

Gemeinden erheben nach unterschiedlichen Modellen Abgaben zur Nutzung der örtlichen Kureinrichten. Für eine bestimmte Konstellation hat der EuGH in seinem Urteil vom 13. Juli 2023 (Aktenzeichen C-344/22) entschieden, dass die Kurtaxe nicht der Umsatzsteuer unterliegt.

Der Urteilsfall

Eine Gemeinde, die ein staatlich anerkannter Luftkurort ist, unterhält im Rahmen eines Betriebes gewerblicher Art (BgA) u. a. einen Kurpark, ein Kurhaus und sonstige Anlagen und Wege. Diese Einrichtungen waren in den Streitjahren für jedermann frei zugänglich, eine Kurkarte wurde zum Eintritt nicht benötigt.

Zur Deckung ihres Aufwands für die Herstellung, Unterhaltung und Sanierung der zu Kur- und Erholungszwecken bereitgestellten Einrichtungen und für die zu diesem Zweck durchgeführten Veranstaltungen erhebt die Gemeinde aufgrund einer kommunalen Satzung eine Kurtaxe. Kurtaxenpflichtig sind u. a. ortsfremde Personen, die sich – auch aus beruflichen Gründen – in der Gemeinde aufhalten und denen die Möglichkeit zur Benutzung der Einrichtungen und zur Teilnahme an den betreffenden Veranstaltungen geboten ist. Dagegen wird die Kurtaxe nicht von Tagesgästen sowie von Ortsfremden oder Einwohner*innen erhoben, die in der Gemeinde arbeiten oder in Ausbildung stehen.

Der Fall kam vor Gericht, da die Gemeinde aus allen Eingangsleistungen, die mit dem Fremdenverkehr zusammenhingen, einen Vorsteuerabzug mit der Begründung begehrte, die Kurtaxe sei ein umsatzsteuerpflichtiges Entgelt für den Kurbetrieb. Das Finanzamt und das Finanzgericht verweigerten in diesem Fall jedoch den Vorsteuerabzug. Im Zuge des anhängigen Revisionsverfahrens (Aktenzeichen XI R 30/19) legte der BFH die Frage, ob in der entsprechenden Konstellation eine wirtschaftliche, also umsatzsteuerbare, Tätigkeit vorliege, dem EuGH zur Vorabentscheidung vor.

Die Entscheidung

Nach Ansicht auch des EuGH liegt kein steuerbarer Leistungsaustausch vor. Zur Begründung führte er aus, dass eine entgeltliche Dienstleistung nur dann vorliege, wenn zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger gegenseitige Leistungen aufgrund eines Rechtsverhältnisses ausgetauscht werden und wenn die vom Leistenden empfangene Vergütung den tatsächlichen Gegenwert für eine dem Leistungsempfänger erbrachte, bestimmbare Dienstleistung bilde.

Im vorliegenden Fall könne nicht angenommen werden, dass die von der Gemeinde empfangene Kurtaxe den unmittelbaren Gegenwert für die Erbringung einer Dienstleistung, nämlich die Bereitstellung der Kureinrichtungen, darstelle. Denn die Pflicht zur Entrichtung der Kurtaxe hänge nicht von der Nutzung der von der Gemeinde bereitgestellten Kureinrichtungen, sondern vom Aufenthalt im Gemeindegebiet unabhängig von dessen Grund ab.

Ebenso richte sich die Höhe der Kurtaxe nicht nach der Inanspruchnahme der Nutzungsmöglichkeit, sondern bestehe in Höhe eines bestimmten Betrags pro Aufenthaltstag. Die Besucher seien selbst dann zur Entrichtung des Entgelts verpflichtet, wenn sie sich in der Gemeinde aufhalten und nicht die Absicht haben, die Kureinrichtungen zu nutzen. Die Einrichtungen seien für jedermann, auch für Einwohner oder Tagesgäste, frei und unentgeltlich zugänglich, unabhängig davon, ob die betreffende Person zur Zahlung der Kurtaxe verpflichtet ist oder nicht. Somit haben die Kurtaxenschuldner keine anderen Vorteile als Personen, die diese Kureinrichtungen benutzen und nicht kurtaxenpflichtig sind.

Es fehle daher an dem notwendigen unmittelbaren Zusammenhang zwischen einer Dienstleistung der Gemeinde und der streitigen Kurtaxe.

Praxishinweis

Das Urteil zeigt einmal mehr, dass bei umsatzsteuerlichen Fragestellungen das Detail entscheidet. Die richtige Erarbeitung des verwirklichten Sachverhaltes und seine transparente und vollständige Darstellung sind unerlässliche Grundlage für die „richtige“ Beurteilung.

Für Kurortgemeinden kann die EuGH-Rechtsprechung spürbare Auswirkungen haben. Während die Finanzverwaltung Kurtaxen in der Vergangenheit in vielen Fällen der Umsatzsteuer unterworfen und dementsprechend Vorsteuerabzug gewährt haben, sollten betroffene Gemeinden nunmehr proaktiv prüfen (lassen), ob die Grundsätze des Urteils auf sie anwendbar sind. Sollte die Umsatzsteuerpflicht danach entfallen, gilt dieses entsprechend auch für die Berechtigung des Vorsteuerabzugs. Und dann wird es spannend: Da sich nicht das Gesetz, sondern nur seine Auslegung ändert, ist die Rechtsprechung grundsätzlich auch für alle noch offenen früheren Jahre anwendbar.

Wurden größere Investitionen in Kureinrichtungen vorgenommen, besteht das Risiko, dass die Versagung des Vorsteuerabzugs zu unmittelbaren Haushaltsbelastungen führt. Betroffenen Gemeinden bliebe dann nur die Möglichkeit, sich auf Vertrauensschutz in die bisherige Handhabung durch die Finanzverwaltung zu berufen. Ob das BMF – wie in anderen Fällen – eine allgemeine Nichtbeanstandungsregelung für die Vergangenheit erlässt, ist derzeit nicht absehbar.

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