Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Buchst. a und b UStG; Abgabe von Medikamenten (Zytostatika)

Mit dem Schreiben vom 13. Dezember 2022, III C 3 – S 7170/20/10001:001, hat das BMF – der Rechtsprechung des EuGH und des BFH folgend – entschieden, dass die Abgabe von nicht patientenindividuell hergestellten (Fertig-)Medikamenten durch eine Krankenhausapotheke, die einen integralen Bestandteil einer ambulanten Therapie darstellen, als ein mit der ärztlichen Heilbehandlung eng verbundener Umsatz gemäß § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG von der Umsatzsteuer zu befreien ist. Die Abschnitte 4.14.1 und 4.14.6 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses (UStAE) werden entsprechend ergänzt.

Hintergrund

Mit Urteil vom 1. Dezember 2005 (Az. C-394/04 und C-395/04, Ygeia) hat der EuGH festgestellt, dass Dienstleistungen, die naturgemäß im Rahmen von Krankenhausbehandlungen und ärztlichen Heilbehandlungen erbracht werden und im Prozess der Erbringung dieser Dienstleistungen zur Erreichung der damit verfolgten therapeutischen Ziele unentbehrlich sind, „eng verbundene Umsätze“ i. S. d. Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystR darstellen.

Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung hat der BFH mit Urteil v. 24. September 2014 (Az. V R 19/11) entschieden, dass die Verabreichung von Zytostatika, die individuell für den einzelnen Patienten in einer Apotheke eines Krankenhauses hergestellt und im Rahmen einer ambulant in dem Krankenhaus durchgeführten ärztlichen Heilbehandlung verabreicht werden, als ein mit der ärztlichen Heilbehandlung eng verbundener Umsatz gemäß § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG in der in den Streitjahren 2005 und 2006 geltenden Fassung (seit 1. Januar 2009: § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG) steuerfrei ist. Mit BMF-Schreiben v. 28. September 2016 wurden diese für den entschiedenen Einzelfall vom BFH getroffenen Grundsätze in Abschnitt 4.14.6 Abs. 2 Nr. 3 und Abs. 3 Nr. 4 UStAE übernommen.

Ergänzend hierzu hat der BFH mit Urteil v. 18. Oktober 2017 (Az. V R 46/16) entschieden, dass bei der Abgabe von sog. Faktorpräparaten für die Entscheidung für die Zurechnung zum Zweckbetrieb entscheidend sei, dass es sich um einen integralen Bestandteil der Gerinnungstherapie handelt.

Aussage des BMF

Das BMF hat nunmehr die Aussage getroffen, dass – unter Beachtung der Grundsätze des BFH-Urteils V R 19/11 – auch die Abgabe durch eine Krankenhausapotheke von nicht patientenindividuell hergestellten (Fertig-)Medikamenten, die einen integralen Bestandteil einer Therapie darstellen, als ein mit der ärztlichen Heilbehandlung eng verbundener Umsatz gemäß § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG von der Umsatzsteuer befreit ist.

Voraussetzung für die Annahme eines eng mit der Krankenhausbehandlung und der ärztlichen Heilbehandlung verbundenen Umsatzes des Krankenhauses durch dessen Krankenhausapotheke sei, dass die Verabreichung der Medikamente im Zeitpunkt der Erbringung der ärztlichen Leistung im Rahmen der ambulanten Behandlung eines Patienten zur Erreichung der damit verfolgten therapeutischen Ziele unentbehrlich ist. Eine therapeutische Unentbehrlichkeit der Medikamentengabe liegt – nach Auffassung der Finanzverwaltung – dann vor, wenn diese im Zusammenhang mit der ärztlichen Therapie erfolgt und die Therapie lediglich dann erfolgversprechend ist, wenn es zu einer Medikamentengabe dieses konkreten Medikaments bei der Behandlung kommt. Hierfür ist die ärztliche Entscheidung über die Notwendigkeit der konkreten Behandlung maßgeblich.

Weiter trifft das BMF die Aussage, dass – unter diesen Voraussetzungen – auch eine Begleitmedikation begünstigt sein kann, wie beispielsweise die Abgabe von Präparaten, die eventuelle Nebenwirkungen eines Medikaments verhindern oder verringern sollen. Zudem kann die Abgabe von (Fertig-)Medikamenten eine unselbstständige Nebenleistung zu der nach § 4 Nr. 14 Buchst. a oder b UStG umsatzsteuerfreien Heilbehandlungsleistung darstellen. Hierunter fällt die Abgabe von Medikamenten, die im Zeitpunkt der Heilbehandlung für diese unentbehrlich sind und ohne die diese Heilbehandlung nicht erfolgversprechend wäre, wie z. B. die bei einer im Rahmen einer Heilbehandlung vorgenommene Verabreichung von schmerzstillenden oder entzündungshemmenden Medikamenten. Hierbei ist die ärztliche Entscheidung für den Erfolg und die Notwendigkeit der konkreten Behandlung maßgebend.

Anpassung des Umsatzsteuer- Anwendungserlasses

Die Abschnitte 4.14.1 und 4.14.6 werden entsprechend ergänzt.

Auswirkungen für die Praxis

Es ist erfreulich, dass das BMF nunmehr auch die umsatzsteuerliche Behandlung der Abgabe von (Fertig-)Medikamenten, die nicht patientenindividuell hergestellt werden, durch eine Krankenhausapotheke eindeutig geregelt hat. Hierdurch sollten viele Zweifelsfragen in der Praxis beseitigt worden sein.

Das BMF-Schreiben ist in allen offenen Fällen anzuwenden. Für Umsätze, die vor dem 1. Januar 2023 ausgeführt werden, wird es für das Besteuerungsverfahren nicht beanstandet, wenn der Unternehmer seine Leistungen abweichend von Abschnitt 4.14.6 Abs. 2 Nr. 3 UStAE als umsatzsteuerpflichtig behandelt. Soweit es sich hierbei um die Abgabe von Arzneimitteln innerhalb des Zweckbetriebs eines Krankenhauses nach § 67 AO handelt, ist in allen offenen Fällen auf diese Lieferung der ermäßigte Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG anzuwenden. Aus den damit zusammenhängenden Eingangsleistungen kann unter den weiteren Voraussetzungen des § 15 UStG der Vorsteuerabzug geltend gemacht werden.

Für den Fall, dass ein Krankenhaus von der Steuerfreiheit Gebrauch machen möchte hinsichtlich Leistungen, die ursprünglich umsatzsteuerpflichtig in Rechnung gestellt wurden, sind die Grundsätze zur Steuerentstehung nach § 14c Abs. 1 UStG und zur Rechnungsberichtigung zu berücksichtigen.

Das BMF führt aus, dass aus Billigkeitsgründen für eine erforderliche Berichtigung des Steuerbetrages nach § 14c Abs. 1 Satz 2 UStG des Krankenhauses gegenüber dem Versicherten einer privaten Krankenkasse (PKV) ein vereinfachtes Korrekturverfahren angewandt werden darf. Hiernach reicht es – neben weiteren Voraussetzungen – aus, wenn ein zivilrechtlicher Vergleich über die Rechnungsberichtigung zwischen dem Krankenhaus und der PKV geschlossen wird, in dem die ursprünglichen Rechnungen (z. B. als tabellarische Anlage) benannt sind. Voraussetzung für eine umsatzsteuerliche Berücksichtigung des Vergleichs ist eine vorherige Zahlung des Vergleichsbetrages durch die PKV.

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Autorin

Dr. Kristina Frankus
Tel: +49 221 28 20 2503

Dies ist ein Beitrag aus unserem Healthcare-Newsletter 1-2023. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.