Tax-Compliance-Management-Systeme als Werttreiber im Gesundheitswesen – Entlastung steuerlicher Außenprüfungen

Mit dem Gesetz zur Umsetzung der EU-Richtlinie 2021/514 des Rates vom 22. März 2021 zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Modernisierung des Steuerverfahrensrechts („DAC7-Umsetzungsgesetz“) vom 20. Dezember 2022 wurde erstmals eine gesetzliche Grundlage für die Berücksichtigung sog. Steuerkontrollsysteme im Besteuerungsverfahren geschaffen.

Hintergrund

Steuerkontrollsysteme (Tax-Compliance-Management- Systeme – Tax CMS) gewinnen schon seit Jahren für alle Wirtschaftsteilnehmer, besonders auch für komplexe Einrichtungen im Gesundheitswesen, an Bedeutung. Mit ihrer Hilfe werden alle unternehmensinternen Prozesse mit steuerlicher Bedeutung aufgeschlüsselt. Die Steuerabteilung sowie die Geschäftsführung werden dadurch maßgeblich in der Erfüllung steuerlicher Pflichten unterstützt. Wirksame Tax CMS im Unternehmen können darüber hinaus vor steuerstrafrechtlichen Folgen schützen (Enthaftung). Auch schafft das Tax CMS Vertrauen im Finanzbereich und erhöht die Qualität der steuerrelevanten Daten, verbessert die Zusammenarbeit mit den Steuerbehörden und schafft ihnen gegenüber Vertrauen. Vor diesem Hintergrund wächst auch die Bedeutung derartiger Systeme für die steuerliche Außenprüfung.

Neuregelung

Zum 1. Januar 2023 wurde mit § 38 des Art. 97 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung (kurz: EGAO) unter der Überschrift „Erprobung alternativer Prüfungsmethoden“ eine spezielle gesetzliche Grundlage zur Berücksichtigung von Steuerkontrollsystemen geschaffen, um steuerliche Außenprüfungen zu entlasten:

Soweit im Rahmen einer Außenprüfung eines Steuerpflichtigen die Wirksamkeit eines von ihm eingesetzten Steuerkontrollsystems (Tax CMS) hinsichtlich der erfassten Steuerarten oder Sachverhalte überprüft wurde und kein oder nur ein unbeachtliches steuerliches Risiko für die erfassten Steuern besteht, kann die Finanzbehörde dem Steuerpflichtigen auf Antrag unter dem Vorbehalt des Widerrufs für die nächste Außenprüfung Beschränkungen von Art und Umfang der Ermittlungen unter der Voraussetzung verbindlich zusagen, dass keine Änderungen der Verhältnisse eintreten.

Ein Steuerkontrollsystem (Tax CMS) umfasst gemäß der Definition in § 38 Abs. 2 EGAO alle innerbetrieblichen Maßnahmen, die gewährleisten, dass die Besteuerungsgrundlagen zutreffend aufgezeichnet und berücksichtigt sowie die hierauf entfallenden Steuern fristgerecht und vollständig abgeführt werden. Das Steuerkontrollsystem muss die steuerlichen Risiken laufend abbilden.

Weitergehende Anforderungen an die Ausgestaltung des Tax CMS oder zu berücksichtigende Prüfungsstandards enthält das Gesetz nicht. Ebenso ist eine Zertifizierung oder Prüfung der Angemessenheit/ Wirksamkeit des Tax CMS durch Berufsträger nicht enthalten.

Der Steuerpflichtige wird jedoch verpflichtet, Veränderungen des Kontrollsystems zu dokumentieren und der Finanzbehörde unverzüglich schriftlich oder elektronisch mitzuteilen.

Mit dieser Gesetzesänderung folgt Deutschland anderen Ländern (bspw. Niederlande, Österreich), die bestehende Tax CMS als Grundlage für eine kooperative Außenprüfung zugrunde legen.

Zeitliche Befristung

Die Regelung § 38 EGAO tritt nach jetzigem Entwurfsstand mit Ablauf des 31. Dezember 2029 ohne weiteres Zutun außer Kraft.

Erste Beurteilung

Leider ist immer noch der Regelfall, dass Außenprüfungen in Krankenhäusern und Wohlfahrtseinrichtungen erst kurz vor Ablauf der Festsetzungsverjährungsfrist – also vier bis fünf Jahre nach dem Geschäftsjahr überhaupt – beginnen und sich dann häufig, auch bedingt durch zwischenzeitliche Personalwechsel, über weitere zwei bis vier Jahre hinziehen. Hierdurch entsteht typischerweise erheblicher Aufwand bei allen Beteiligten.

Mit der Neuregelung kann die Hoffnung verbunden werden, dass Außenprüfungen zukünftig zeitnaher erfolgen und inhaltlich beschleunigt werden. Damit können Veranlagungsjahre schneller (materiell) bestandskräftig werden (Festsetzungsverjährung). Das Gesetz beschreibt nicht, was unter den genannten Beschränkungen von Art und Umfang der Ermittlungen zu verstehen ist. Wünschenswert wären dahingehend z. B. die vorherige Festlegung von Prüfungsschwerpunkten und die Möglichkeit punktueller Bestandskraft einzelner Feststellungen vor Beendigung der Prüfung.

Aktuell geht der Gesetzgeber im Rahmen des Antragsverfahrens von einer Ermessensentscheidung aus („kann“ nach § 5 AO). Hier sollte die Finanzverwaltung in ihrer Entscheidung gebunden sein, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind.

Zudem sollte überdacht werden, ob zumindest im Streitfall mit der Finanzverwaltung durch eine externe Zertifizierung/ Prüfung des Tax CMS – in Form einer Angemessenheits- oder Wirksamkeitsprüfung – belegt werden kann.

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Autor

Dr. Alexander Becker
Tel: +49 30 208 88 1212

Dies ist ein Beitrag aus unserem Healthcare-Newsletter 1-2023. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.